FEUER-TRAGÖDIE VON ALTONA
Das Leben des Brandstifters
Er hat Verlustängste, wird in der Schule gemobbt, gilt als unruhig und hyperaktiv: Amar (13, Name geändert) leidet schon seit Jahren an psychischen Störungen. Jetzt hat der Gymnasiast auch noch drei Menschenleben auf dem Gewissen. Wie konnte es nur so weit kommen?
Wilde schwarze Haare, strahlendes Lächeln: Auf einem Selbstporträt von Amar wirkt der Junge glücklich. Doch innerlich ist der Jugendliche offenbar ziemlich zerrissen.
Amar wurde in Indien geboren. Seine leiblichen Eltern waren jedoch so arm, dass sie ihn weggaben. Ein deutsches Ehepaar aus Altona adoptierte den Jungen, da war er fünf Jahre alt. Ein Jahr später schulten sie ihn ein. Dann wieder ein Schicksalsschlag: Im Jahr darauf starb sein Adoptivvater.
Obwohl ihn Bekannte als „liebenswerten Jungen“ kannten, hatte es die Adoptivmutter nicht leicht mit ihm. Amar war sehr hibbelig, hatte eine Schreibschwäche und war psychisch labil. Die Frau, die selbst Pädagogin ist, ging mit ihm zu Ärzten, Therapeuten und Logopäden. Sie nahm ihn mit in die Kirche, vor vier Jahren hatte Amar seine Kommunion.
Amar kämpfte, er wollte anerkannt werden. Er meldete sich in diversen Sozialnetzwerken an, trat vor zwei Monaten in die Jugendfeuerwehr Altona ein, präsentierte sich im Internet mit einer eigenen Webseite. Doch in der Schule soll der 13-Jährige gemobbt worden sein. Amar hatte es nicht leicht in seinem jungen Leben. Doch was unmittelbar vor seiner folgenschweren Tat vorgefallen war, ist bislang unbekannt.
Der Junge wurde in eine Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie am Hamburger UKE untergebracht und dort derzeit behandelt. „Wir nehmen uns jetzt die Zeit, die wir brauchen“, sagte der Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie am Hamburger UKE, Prof. Michael Schulte-Markwort, am Montag. Es sei schwer zu sagen, wie es genau weitergehe, der Klinik stünden aber alle Möglichkeiten der Behandlung zur Verfügung. In Notfällen gebe es für Kinder, die sich einer Behandlung verweigerten, mit Zustimmung der Eltern und des Familiengerichts auch die Möglichkeit einer geschlossenen Unterbringung. „Wir können das handhaben, wie wir das für angezeigt halten.“
Schulte-Markwort zeigte Verständnis für das öffentliche Interesse an dem Fall, bat die Medien aber gleichzeitig um Zurückhaltung. Das sei erforderlich, damit in Ruhe mit dem 13-Jährigen gearbeitet werden könne. Aus diesem Grunde sei er auch am Sonntag in Abstimmung mit den Angehörigen des 13-Jährigen offensiv an die Öffentlichkeit gegangen.
Dabei hatte Schulte-Markwort erklärt, dass der Junge kein notorischer Brandstifter und die Tat weder politisch noch persönlich motiviert gewesen sei. Die Folgen seines Handelns seien ihm nicht klar gewesen. Keinesfalls habe er das Haus anzünden wollen. Aufgabe der Klinik sei es nun, „den Jungen so zu behandeln, dass er trotz dieser schweren Schuld weiterleben kann“.
Die Hamburger Staatsanwaltschaft unterstrich unterdessen, dass sie keinerlei strafrechtliche Maßnahmen gegen den 13-Jährigen ergreifen werde. Der Junge sei nicht strafmündig und daher strafrechtlich auch nicht zu belangen, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Auch einen Antrag auf Unterbringung in einer geschlossenen Psychiatrie werde es daher vonseiten ihrer Behörde nicht geben.
http://www.mopo.de/nachrichten/feuer-tragoedie-von-altona-das-leben-des-brandstifters,5067140,26141690.html (Archiv-Version vom 02.03.2014)