Hier einmal eine interessante Befragung zu dem Thema aus wissenschaftlicher Kompetenz.
Nicht so kurz, aber ich denke sehr lesenswert, was heute die Wissenschaftler dazu sagen :
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Wie wird der Mensch in ferner Zukunft aussehen? Wird er uns überhaupt noch ähneln? Um dem auf den Grund zu gehen, haben wir zwei Evolutionsbiologen unabhängig von einander Fragen zur Zukunft des Homo sapiens gestellt: zum einen Prof. Dr. Thomas Junker, der an der Universität Tübingen am Lehrstuhl für Ethik in den Biowissenschaften lehrt und Mitherausgeber der Korrespondenz Charles Darwins ist; zum anderen Prof. Dr. Ulrich Kutschera, der an der Universität Kassel und als Visiting Professor an der Stanford University lehrt und Vizepräsident des Verbandes Deutscher Biologen war.Prof. Thomas Junker und Prof. Ulrich Kutschera haben zahlreiche Lehrbücher zur Evolutionsbiologie verfasst.
Verlangsamt sich die Evolution? Wenn ja, warum verlangsamt sie sich? Ulrich Kutschera:Der anatomisch moderne Mensch ist vor etwa 150 000 Jahren in Afrika entstanden, einzelne Populationen sind dann nach und nach ausgewandert. Er hat sich jedoch seither bezüglich seiner Erscheinungsform (Phänotyp, z. B. Skelett-Aufbau) kaum verändert. Bei der Diskussion der Evolutionsgeschwindigkeit unserer Spezies muss man zwischen Naturvölkern, die noch in einem naturnahen Zustand leben, und dem selbst-domestizierten Kulturmenschen, wie er z. B. in Europa und den USA weit verbreitet ist, unterscheiden. Eine allgemeine Antwort auf diese Frage gibt es daher nicht.
Thomas Junker:Die Evolution vieler Tier- und Pflanzenarten hat sich in den letzten Jahrzehnten sogar beschleunigt, da es durch die von den Menschen hervorgerufenen Umweltveränderungen zu teilweise stark veränderten Selektionsbedingungen kam. Dies gilt auch für die Menschen selbst, die mit der neolithischen Revolution (Landwirtschaft > Staatenbildung > Industrialisierung) einhergehenden Veränderungen der Lebensweise führten und führen auch bei Menschen zu evolutionärem Wandel. Dieser Vorgang wird andererseits verlangsamt durch die Tatsache, dass die heutige Weltbevölkerung eine große Population bildet und große Populationen verändern sich allgemein eher langsam. Was dies in der Summe bedeutet, ist schwer abzuschätzen, ich würde aber vermuten, dass die Evolution der Menschen schneller vorangeht als das oft postuliert
Ist es aus evolutionsbiologischer Sicht wahrscheinlich, dass die Spezies Homo sapiens sich auf lange Sicht grundlegend verändern, fortentwickeln wird, „Sprünge“ macht, wie sie es in paläoanthropologischer Vergangenheit mehrfach getan hat? Ulrich Kutschera:Populationen von Organismen passen sich bei sich ändernder Umwelt entweder an, hier wirkt die gerichtete natürliche Selektion, oder die betreffenden Lebewesen sterben aus. Unsere evolutionäre Zukunft hängt daher entscheidend von zukünftigen, von gewissen "zivilisierten" Menschengruppen selbst verursachten Umwelt-Veränderungen ab, die derzeit niemand zuverlässig voraussagen kann.
Thomas Junker:Hierzu lässt sich keine verlässliche Aussage machen, da wir nicht wissen, wie stark die Menschen durch die technische und soziale Entwicklung ihre eigenen Selektionsbedingungen verändern werden. D.h. es ist völlig unklar, wie die Evolution der Menschen in den nächsten 2000 oder gar 2 Millionen Jahren verlaufen wird.
Könnte es sein, dass wir es in einigen tausend Jahren mit einer uns heutigen Menschen vollkommen fremden Spezies zu tun haben? Lässt sich darüber überhaupt ein begründetes Urteil abgeben? Ulrich Kutschera:Ein Zeitraum von einigen tausend Jahren spielt in der organismischen Evolution kaum eine Rolle. Bei Menschen entsprechen 10 000 Jahre etwa 40 Generationen, da wir uns im Naturzustand im Alter von etwa 25 Jahren fortpflanzen. Eine gewaltige Klima-Katastrophe oder ein Atomkrieg würde allerdings, über die gerichtete natürliche Selektion, nur einige hunderttausend adaptierte Überlebende zulassen, die dann, als Gründerpopulation, eine neue evolutionäre Linie etablieren könnten. Grundlegende phänotypische Änderungen in der Körper-Grundgestalt sind aber nicht zu erwarten, da es evolutionär konservierte Entwicklungsprogramme gibt, die seit Jahrmillionen vererbt werden. Phantastische Menschenwesen mit z.B. drei Augen oder Flügeln wird es daher nicht geben.
Thomas Junker:In einigen tausend Jahren werden Menschen sich nur dann in eine neue Spezies verwandeln, wenn dieser Vorgang aktiv durch eugenische Maßnahmen (d.h. durch gentechnische Veränderungen des Erbmaterials + Kontrolle der Reproduktion) beschleunigt wird. Ansonsten muss man eher mit hunderttausenden bis Millionen Jahren rechnen, bis eine Säugetier-Art größere Veränderungen durchmacht.
Der an der University of London lehrende Genetiker Steve Jones vertritt die provokante These: Der Mensch hat die Evolution erfolgreich abgeschlossen, er ist die Krone der Schöpfung. "Wir sind nicht länger die Sklaven unserer Gene. Als einziges Geschöpf haben wir Darwins Bühne verlassen." Wir beurteilen Sie diese Einschätzung aus evolutionsbiologischer Sicht? Ulrich Kutschera:Die Frage, ob die Humanevolution zu Ende ist, muss differenzierter beantwortet werden. Bei Naturvölkern, die noch den bekannten Selektionsbedingungen ausgesetzt sind, läuft die Stammesentwicklung weiter, d.h. Populationen passen sich immer wieder an neue Umweltbedingungen an und verändern sich hierbei. Bei Kulturvölkern ist in der Tat derzeit ein gewisser evolutionärer Stillstand zu konstatieren, weil natürliche Selektionsfaktoren über kulturelle Errungenschaften fast vollständig eliminiert worden sind. Erst unter drastischen Umwelt-Umwälzungen (z.B. Naturkatastrophen wie ein Meteoriten-Einschlag) könnte wieder, wie oben dargestellt, ein Evolutionsschub eintreten. Ein derartiges Szenario soll durch praktische Umsetzung aufwändiger US-Forschungsprogramme verhindert werden. Amerikanische Wissenschaftler versuchen, Erdnahe Objekte, so genannte NEOs, früh zu erkennen und die Steinbrocken von ihrer Bahn abzulenken. Ob diese ehrgeizigen Ziele zur Rettung der Bevölkerungsmehrheit der Erde erreicht werden kann, wissen wir im Moment noch nicht.
Thomas Junker:Ich halte diese Ansicht für völlig falsch. Man kann den Darwinschen Vorgang von Variation und Selektion in dieser Hinsicht mit der Gravitation vergleichen. Beidem kann man nicht entkommen. Denn selbstverständlich sind wir auch in einem Flugzeug noch „Sklaven“ der Gravitation. Genauso wenig entkommt man z.B. in der Tier- oder Menschenzüchtung den Prinzipien der Evolution. Was man wie bei jedem Naturvorgang machen kann, ist die Mechanismen zu erforschen, um sie dann den eigenen Wünschen gemäß anzuwenden.
Quelle:
http://denkanstoesse.de/Gesellschaft/94-Humanevolution%20und%20Zukunft%20der%20Menschheit (Archiv-Version vom 22.10.2010)