"Die Regierung kann nicht lächeln"
Lea Zhou über die Versprechen von Chinas Machthabern

Ein Jahr vor den Olympischen Spielen in Peking hat am 9. August in Athen ein weltweiter Fackellauf begonnen. Initiiert wurde er von der Internationalen Koalition zur Untersuchung der Verfolgung von Falun Gong (CIPFG). Am Sonnabend wird die Fackel nun durch Berlin getragen. Ein Gespräch mit Lea Zhou, Chefredakteurin von Epoch Times, der größten regierungsunabhängigen chinesischsprachigen Zeitung im Ausland.

"Wir werden ein lächelnder Gastgeber für die Welt sein", kündigten die Pekinger Offiziellen vor ein paar Tagen an. Frau Zhou, lächelt China?

Ein chinesisches Sprichwort sagt: "Wenn die Haut lächelt, heißt das nicht, dass das Herz lächelt." Nein, die Regierung kann nicht lächeln. Dazu steht das kommunistische Regime unter zu großem Druck. International wegen der Menschenrechtsverletzungen, und in China sind die sozialen Konflikte so enorm, dass Unruhen nur mit Gewalt beendet werden können.

Woher kommt der innere Druck?

Von unten. In China leben 80 Millionen Bauern in großer Armut. Die Parteikader verhalten sich wie Mafiabosse. In den Städten herrscht Arbeitslosigkeit. Staatliche Betriebe werden privatisiert, der Parteichef kauft Anteile und setzt die Arbeiter vor die Tür. In den Nordost-Provinzen sind viele Arbeiter gezwungen, mit 45 in Frühpension zu gehen. Von den paar hundert Yuan können sie nicht leben. Diese Welle ist nach Peking geschwappt.

China hat 2001 versprochen, für Olympia die Menschenrechte zu respektieren. Ihre Bilanz?

Das Gegenteil ist der Fall. Informanten berichten, dass die Lokalregierungen jetzt die Polizei angewiesen haben, Andersdenkende stärker zu kontrollieren. Aus Peking sollen vor den Spielen viele ausquartiert werden, damit sie nur nicht mit Journalisten sprechen.

Die Initiative für den Fackellauf geht von der Koalition zur Untersuchung der Verfolgung von Falun Gong (CIPFG) aus. Was macht diese Bewegung so gefährlich?

Falun Gong ist Teil unserer traditionellen Kultur, eine buddhistische Kultivierungsschule mit körperlichen Übungen, in China sagt man: um das Herz zu weiten. Falun Gong war bis 1999 weit verbreitet und erlaubt, weil es nichts kostet und die Gesundheit verbessert. Zehn Jahre nach dem Tiananmen-Massaker kam ein Gebot von Mao zur Anwendung. Danach braucht die KP in jedem Jahrzehnt eine neue große Bewegung, sie braucht Gewalt zur Einschüchterung. Für jede neue Generation muss die Angst aufgefrischt werden. Falun Gong, mit dem Glauben an Reinkarnation verbunden, von 100 Millionen Chinesen praktiziert, war ideal. Mehr als 3 000 Todesopfer sind namentlich bekannt.

Es heißt, dass das Regime Falun-Gong-Praktizierende tötet, um die Organe zu verkaufen. Wie zuverlässig sind diese Berichte?

Im März 2006 hat die Ehefrau eines chinesischen Chirurgen in den USA ausgesagt, wie ihr Mann in einem Militärkrankenhaus Netzhaut und Organe von lebenden Falun-Gong-Häftlingen entfernt hat. Ein Bericht des kanadischen Staatssekretärs David Kilgour liegt vor. Der Uno-Sonderbeauftragte für Folter hat auf das Problem hingewiesen.

CIPFG wird weltweit von 300 Politikern und Intellektuellen unterstützt. Welche Forderungen verbinden sie mit dem Fackellauf?

Freilassung der inhaftierten Falun-Gong-Praktizierenden, Ende der Repressalien gegen deren Unterstützer. Die Regierung soll eine Untersuchungskommission ins Land lassen. Der Lauf steht unter dem Motto: Olympische Spiele und Verbrechen gegen die Menschlichkeit können nicht koexistieren. In Deutschland wird er von der Initiative für Frieden und Menschenrechte und der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft unterstützt. Sie wissen: Der Teufel hat einen haarigen Schwanz, auch wenn er schöne Klamotten anzieht.

Zuletzt erklärte DOSB-Generaldirektor Michael Vesper, man dürfe dem Sport nicht zu viel aufladen. IOC-Präsident Jacques Rogge meint, Olympia bringe automatisch eine Öffnung ...

Ein Verstecken hinter dem Schild "Wandel durch Handel", ein Traum, aus dem viele Westler nicht aufwachen wollen. Für eine Öffnung müsste der Wille da sein, dem Land Gutes zu tun. Die KP kämpft aber um ihre Macht. Für die Spiele werden viele Menschen hinter Gitter wandern. Danach wird die KP sich an denen rächen, die chinesische Realität zeigen wollen. Viele vergleichen mit 1936. Es gibt aber einen Unterschied: 1936 konnte man sagen, wir wussten es ja nicht. Heute weiß, wer wissen will.

Ist es keine Illusion, dass der Sport beitragen kann, die Situation zu verbessern?

Olympische Spiele sind nicht nur Sport, dahinter steht eine Idee, eine Verpflichtung. Jeder Einzelne kann für sich entscheiden, mit wem er im Rampenlicht steht.

Wie sieht es mit der Politik aus?

Ich hoffe sehr, Frau Merkel wird sich Ende August in China dafür einsetzen, dass eine Kommission in China den Organraub untersucht.

Interview: Grit Hartmann
Berliner Zeitung, 14.08.2007