Im Bayern soll im September ein Bachelor-Studiengang in Homöopathie starten. Kritiker sehen in der Globuli-Kunde eine Pseudowissenschaft. Der Streit offenbart: Die üblichen Genehmigungsverfahren stoßen hier an ihre Grenzen.
Anja Wilhelm ist guter Dinge. "Es läuft alles nach Plan", sagt die Leiterin der Homöo-Akademie im bayerischen Traunstein. Im September sollen 20 bis 25 Studenten im Bildungszentrum für Gesundheitsberufe mit dem neuen Studiengang zum Bachelor of Science in Homöopathie beginnen. Schon am 24. März startet das erste Vormodul für Abiturienten. Gelehrt werden soll "klassische Homöopathie auf Hochschulniveau".
Doch auch wenn der Glaube in die Heilkraft der Globuli und der extrem verdünnten Wirkstoffe weit verbreitet ist - dass Homöopathie eine Wissenschaft ist, bezweifeln viele. Für die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) ist der Studiengang schlicht ein akademischer Etikettenschwindel, der "einer Pseudowissenschaft höhere Weihen" verleiht.
"Der Homöopathie fehlt das Bestreben einer Wissenschaft zur Erforschung ihrer Grundlagen", kritisiert Norbert Aust von der GWUP. Stattdessen würden die 200 Jahre alten Schriften des Gründers Samuel Hahnemann ohne Vorbehalte als richtig postuliert. "Forschung in der Homöopathie zielt einzig darauf, den Vorwurf der Unwirksamkeit zu widerlegen", wettert Aust. Das soll auch die Meta-Analyse, mit der die Homöo-Akademie argumentiert und die Aust auf seinem Kritiker-Blog analysiert hat. Sein Ergebnis: Was die Homöopathen aus der Analyse herauslesen, steht gar nicht drin.
Umstrittene Alternativmedizin, verflochtene VerwaltungInitiator des neuen Studiengangs ist die Stiftung der Europäischen Union der Homöopathie (EUH). Durchgeführt wird er von der privaten und staatlich anerkannten Steinbeis-Hochschule in Berlin. Dahinter verbirgt sich eine unübersichtliche Organisation mit rund 170 sogenannten Steinbeis-Transfer-Instituten (STI). Mit zum Steinbeis-Reich gehört auch die 2013 für einen Euro übernommene Deutsche Universität für Weiterbildung (DUW). 50 Institute, die entweder Teil der Hochschule oder in ihrem Mehrheitsbesitz sind, bieten insgesamt 90 Studiengänge an.
Herr über die Steinbeis-Hochschule und einige ihrer Anhängsel ist Professor Dr. Dr. h.c. mult. Johann Löhn. Der 77-Jährige ist nicht nur Präsident und Geschäftsführer der Hochschule, er leitet selbst sechs Steinbeis-Institute an drei Orten. Und Löhn setzt sich persönlich für den neuen Homöo-Studiengang ein.
Dafür wurde das Steinbeis-Transfer-Institut EUH gegründet, geleitet von Urs Rentsch, Kuratoriumsmitglied der Stiftung EUH. Offiziell ist das Institut zwar in Berlin, doch das Büro ist in Müllheim und die Adresse identisch mit der der Stiftung. Durchgeführt werden soll das Studium in Traunstein. "Die Stadt ist uns mit sehr viel Offenheit begegnet", sagt Akademieleiterin Wilhelm. Und Oberbürgermeister Manfred Kösterke lobt den neuen "Baustein des umfassenden medizinischen Angebots".
Wer genehmigt was?Doch wie kann ein Studiengang in einem wissenschaftlich umstrittenen Sujet wie der Homöopathie überhaupt angeboten werden? Beim Senat Berlin, der zuständigen Aufsichtsbehörde für die Steinbeis-Hochschule, sieht man darin kein Problem. Dort wurde der Studiengang bereits 2012 genehmigt, geprüft wurden die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben, die Studierbarkeit und die inhaltliche Plausibilität. Eine wissenschaftliche Prüfung sei das aber nicht, die erfolge erst im Akkreditierungsverfahren, hieß es in der Senatsverwaltung für Wissenschaft.
Wie jeder neue Studiengang muss auch der Globuli-Bachelor der Steinbeis-Hochschule von einer Akkreditierungsagentur abgesegnet werden. Ob das neue Fach wissenschaftlich ist, wird aber auch dort nicht wirklich geprüft. Vielmehr verlassen sich die Agenturen auf die Zulassung der Hochschule durch die jeweilige Landesbehörde. Es gilt das Prinzip: Ist die Hochschule in ihrem Bundesland zugelassen, wird auch der Studiengang in Ordnung sein. Oder mit den Worten von Olaf Bartz, Geschäftsführer des Akkreditierungsrates in Bonn: "Die Akkreditierungsverfahren beruhen auf der Voraussetzung, dass die Studiengänge von regulären Hochschulen angeboten werden, deren Wissenschaftlichkeit nicht in Frage steht." Beim Steinbeis-Studiengang für Homöopathie stößt das System daher an seine Grenzen.
Akademieleiterin Wilhelm zeigt sich zuversichtlich, dass der Homöopathie-Bachelor starten wird. Die beauftragte Agentur will sie nicht nennen, aber die Akkreditierung laufe, die Vorprüfung sei bereits positiv abgeschlossen. Erst nach der Akkreditierung genehmigt auch das bayerische Wissenschaftsministerium die Durchführung des Studiengangs. "Die Prüfung ist aber nur formal", heißt es dort. Zudem muss der Senat Berlin genehmigen, dass Steinbeis in Bayern aktiv werden darf, was bisher nicht geschehen ist.
Allerdings hat das Bundesland Berlin sich schon früher recht großzügig gegenüber Privathochschulen gezeigt. Auch von der Akkreditierung der gesamten Steinbeis-Hochschule durch den Wissenschaftsrat, die eigentlich jede Privathochschule braucht und die vom Senat Berlin beantragt werden müsste, blieb Steinbeis bis heute verschont. Angeblich, weil die Gründung schon so lange zurückliegt.
http://www.spiegel.de/unispiegel/wunderbar/privathochschule-streit-um-homoeopathie-studiengang-traunstein-a-953020.htmlVon Bärbel Schwertfeger