Die Frage nach dem objektiven Sinn unseres Daseins setzt einen objektiven Sinngeber voraus. Wenn dieser Sinngeber nicht existiert, so ist die Sinn- Frage sinnlos. „Die Frage nach dem Sinn scheitert an der Kluft zwischen dem fragenden Menschen und der ihn umgebenden Natur, die vernunftwidrig schweigt“ (Albert Camus). Mit der immer wieder von den Theologen gestellten Sinnfrage soll die zwingende Notwendigkeit eines „göttlichen Sinngebers“ postuliert werden. Der Wunsch, einen bestimmten Sinn zu finden, ist der alleinige Vater des Gedankens. Und dieser Vater müsste nach Meinung der Theologen ein „göttlicher“ Übervater sein, der die (zweifelhafte) Daseinsberechtigung der Theologie begründen soll.
Nach Kant ist sittliches Handeln ohne eine zu erreichende sittliche Vollkommenheit sinnlos. Kant wusste natürlich noch nichts von einem menschlichen Genom und allen hiermit zusammenhängenden sittlichen Handlungen der Menschen. Ein un-vollkommenes Genpaket (unser Genom) kann keine voll-kommenen Handlungen hervorbringen. Unser unvollkommenes, mangelhaftes Genom kann auch nicht dadurch verbessert werden, indem sich unsere Phantasie eine „sittlich vollkommene Leitfigur“ zusammenbastelt. Auch diese Leitfigur wird immer die (unvollkommene) Handschrift der Menschen tragen, so wie es der „menschenähnliche“ JAHWE im AT beweist. Die Art und Weise unseres artspezifischen Denkens und Handelns ist und bleibt an den unvollkommenen Rahmenbedingungen unseres biologisch-genetischen Instrumentariums sowie an der Unvollkommenheit der uns umgebenden Natur gebunden. Die gedanklich konstruierte „Vollkommenheit“, so wie wir Menschen sie verstehen, wird immer auf unsere artspezifische Unvollkommenheit zugeschnitten sein. Sie wird nie die gesamte „Schöpfung“ umfassen können. Trotzdem wird diese rein menschliche Vollkommenheitsnorm (irrsinnigerweise) dem gesamten Kosmos aufgepfropft. Der Mensch der Monotheisten schuf sich seine Leitfigur nach seinem Bilde und erhob sich schlicht und einfach zur „Krone des Universums“. Größenwahn pur !!! Dass diese Gedankenkonstruktion in die Hose gehen musste, das ist nicht verwunderlich. Irre Hypothesen führen naturgemäß immer in die Irre.
Die Leitfigur des Alten Testaments sollte ursprünglich nur dem „Auserwählten Volk der Juden“ einen gottgewollten Lebenssinn geben. Und deren Sinn bestand in der Einhaltung der 10 Gebote (ihres fiktiven Gottes Jahwe), die mit einem langen und glücklichen IRDISCHEN Leben belohnt wurde. Der große Rest der Welt, die Nichtjuden, die Tier- und Pflanzenwelt, waren „Gegenspieler oder Untertanen des auserwählten Volkes“ . Erst nach dem Tod des Rabbis Jesus von Nazareth und nach dem Auftreten des „Großen Unbekannten“ (der Gesprächspartner der Emmausjünger in Lukas 24, 13-32), entwickelte sich innerhalb der Jesusanhänger und aufgrund der Predigertätigkeit des Apostels Paulus allmählich eine andere Sinntheorie, die später für die GESAMTE Menschheit Gültigkeit haben sollte. Ihr Ziel war das Erreichen eines „Ewigen Lebens“ (entweder im Himmel oder in der Hölle). Dieses Ziel konnte nur mit der Befolgung der 10 Gebote des alten Jahwe und (für die Katholiken zusätzlich) mit der Einhaltung der fünf Kirchengebote der „alleinseligmachenden, heiligen römisch-katholischen Kirche“ erreicht werden. Wir können uns die Aufzählung weiterer, jüdischer, christlicher und moslemischer (gruppen-interner) Gebots- und Verbots-Kombinationen ersparen, von denen es rund 1000 unterschiedliche Versionen gibt.
Das „Ewige Leben“ als Sinn und Zweck des irdischen Lebens, begegnet uns auch in einigen anderen Religionen dieser Erde. Die Frage sei erlaubt, ob ein Endlos-Leben überhaupt so erstrebenswert ist ? Man stelle sich vor, wir wären für ewige Zeiten dazu verdammt, immerfort zu leben, und wir könnten diesem Endlosprozess nie und nimmer entrinnen. Wir wären ihm hilflos ausgeliefert. Da ist doch die Hypothese der Seelenwanderungen bis zum Erreichen einer „Ewigen Ruhe“, eines ewigen Nirwana, weit realistischer. Biologisch betrachtet, werden nämlich einzelne Gene bzw. Genabschnitte unseres derzeitigen Genoms an die nachfolgenden Generationen weitergegeben und können somit in dieser Generationenkette einige Jahrtausende überleben. Die Einzelperson MENSCH endet aber stets mit dem Tode seines Genoms, das die Besonderheit und Einmaligkeit dieser Person beinhaltet.
So kommen wir wieder zurück auf den Lebenssinn aller Einzelwesen (Mensch, Tier, Pflanze). Bezogen auf den gesamten Kosmos können wir keine objektive Antwort finden, es sei denn, wir geben uns mit allerlei metaphysischen Seifenblasen-Spekulationen darüber zufrieden.
Im Rahmen der natürlichen Evolution und Selektion könnte die Antwort auf die Sinnfrage lauten: Weitergabe und Erhaltung der jeweiligen Lebewesenart unter den jeweils gegebenen (selektierenden) Umweltbedingungen. Das mag für jene, die unbedingt einen transzendenten, „höherwertigen“(?) Sinn haben möchten, recht banal klingen. Wir können aber mit dem subjektiven Konstrukt unserer Gedankenwelt keine REALE NATUR vergewaltigen. Diese kann uns beim besten Willen keinen Sinngeber anbieten, der allen Lebewesen unseres Kosmos gerecht werden könnte. Unser menschlich-privater Wunsch möchte einen menschlich begreiflichen Sinngeber haben, der alle unsere persönlichen Wünsche befriedigen soll. Der Rest der Welt interessiert uns nicht. Wir sehen in ihm nur unsere „gottgewollte Beute“, die sich unserer menschlichen Sinn-Norm unterzuordnen hat (Genesis 1, 28). Ein hausgemachter objektiver UNSINN !
Sinnvoll kann jede Sinnfrage nur subjektiv von jedem einzelnen Menschen im Bereich seines eigenen Wirkungsfeldes beantwortet werden. Jeder Mensch hat die Chance, aus den Stärken und Schwächen seines Genoms und unter Berücksichtigung seiner umweltbedingten Möglichkeiten, für ihn und seine Sippe (den „Nächsten“) das Beste und Optimale herauszuholen, ohne dabei die Belange ALLER anderen Mitgeschöpfe (Tiere und Pflanzen) zu missachten. Nur über die Erforschung der realen Natur und der ihr innewohnenden physikalisch-chemisch-biologischen Gesetzmäßigkeiten können wir den goldenen Mittelweg zu einer vernunft-geleiteten Entfaltung unserer Spezies finden. Völlig unsinnig ist es, wenn Theologen und andere Gurus einem Menschen einen bestimmtem Sinn aufzuschwatzen versuchen, z.B. seine Begabungen und sein Denkvermögen nach den Richtlinien, Geboten und Verboten eines hypothetischen „höheren Sinns“ einzusetzen, bzw. sie einer Religion, Ideologie bzw. der Heilslehre von „Gotterleuchteten“ unterzuordnen. Mit dieser Art von „sinngebenden“ Ratschlägen wurden schon viele, viele Menschen in eine Entscheidung hineingedrängt, die sie später bitter bereut hatten. Nicht anders verhält es sich, wenn Vertreter der Kirchen kranken, leidenden, verzweifelten Menschen einzureden versuchen, dass sie ihr „schweres Schicksal“ als stellvertretendes Opfer für den Rest der sündigen Welt auffassen sollten, so wie es die gepredigte Legendenfigur des Jesus von Nazareth vorgelebt hätte. Das Phänomen des (sinnlosen) Leidens wird von den christlichen Theologen zu einem „Gottgewollten Sinn“ umgedeutelt, um den Unsinn des ganzen Monotheismus am Leben erhalten zu können. In ähnlichem Sinne äußerte sich Anfang 2002 auch der Berliner Kardinal Georg Sterzinsky: „Krankheiten, Behinderungen und Gebrechlichkeiten sind als „Ruf Gottes“ zu verstehen. Sie „testieren“ die Endlichkeit alles geschöpflichen Lebens. Sie rufen zum Glauben an das Leben jenseits des Todes. Dieses ewige Leben ist unvorstellbar, aber die wahre Erfüllung unserer SEHNSUCHT“ (Katholische Kirchenzeitung, Berlin).
Die „Sehnsucht nach einem höheren Sinn“ ist also die Triebfeder jedweden Glaubens. Dem subjektiv sinnlosen Leiden der Kreatur muss ein göttlicher Sinn angedichtet werden, um die Sehnsucht der Christgläubigen nach einem GERECHTEN Gottvater nicht unsinnig werden zu lassen ! Oder noch deutlicher ausgedrückt: Der Glaube an einen persönlichen LIEBEN GOTT kann nur aufrecht erhalten werden, wenn er über die Leichen der Verführten, Verhungerten, Erkrankten, Gequälten, Verkrüppelten und Missgebildeten hinwegschreitet ! Aus der gleichen rücksichtslosen Haltung kommt auch die arrogante Weigerung der Kirchen, sich mit aller Kraft über den „Letzten Willen“ derjenigen Menschen hinwegzusetzen, die ihrem unerträglich und sinnlos gewordenen Leiden ein „menschenwürdiges Ende“ bereiten wollen. Oder wie steht es mit dem kirchlichen Verbot aller Geburtenkontrollen, ohne die ein langfristiges Überleben des Menschengeschlechts unmöglich ist ? Ebenso werden verantwortungsbewusste, selbständig denkende Eltern, die ihren zukünftigen Kindern mit Hilfe der Präimplatationsdiagnostik ein „sinnloses“ Leiden ersparen wollen, von den Kirchen daran gehindert, weil vor 3000 Jahren ein unbekannter Nomade geschrieben hat: „Gott schuf den Menschen nach seinem Abbild (Genesis 1)“. Folgerung: auch ein paar Embryonalzellen oder ein noch ungeborener Schwerstbehinderter MUSS sein ungewolltes Leben von der Empfängnis bis zum bitteren Ende ertragen, weil er nach theologischer Lehrmeinung „ein Abbild des Bibelgottes ist“ !!!
An dieser Stelle müssen wir uns noch einmal ins Gedächtnis zurückrufen, dass das widersprüchliche Spielchen der Theologie mit dem „Leiden der Kreaturen“ in der Vergangenheit immer eine Frage der jeweils vorherrschenden, geistigen Windrichtung war. Noch bis ins 17.Jahrhundert wurden körperliche und geistige Gebrechen als „Werke des Satans“ gedeutet. Das hatte bekanntlich dazu geführt, dass die bedauerlichen, hiervon betroffenen Menschen oft genug in Kerker gesteckt, lebenslänglich angekettet oder sogar als Hexen verbrannt worden sind. Denn der große Gott des Monotheismus hatte im AT, im Buch Levitikus 21, Vers 16 bis 23 (unter dem Titel „Weihehindernisse“) feierlich angeordnet: „Hat jemand von Aarons (priesterlichen) Nachkommen in künftigen Geschlechtern ein leibliches Gebrechen, so trete er nicht hinzu, um die Speise seines Gottes darzubringen. Denn wenn jemand ein körperliches Gebrechen hat, darf er sich mir nicht nahen. Egal, ob es sich um einen blinden oder einen Lahmen, einen mit gespaltener Zunge oder missgebildeter Nase, mit einem gebrochenen Bein oder gebrochenen Arm, um einen, der buckelig oder zu mager ist oder der weiße Flecken im Auge, Krätze, Flechten oder beschädigte Hoden hat. Keiner mit einem Leibesgebrechen von den Nachkommen des Priesters Aaron trete herzu......., er soll meine Heiligtümer nicht ENTWEIHEN; denn ich (JAHWE) bin der Herr, der sie heiligt !“
Im gleichen Sinne hatte Gott Jahwe auch Opfergaben mit „fehlerhaften“ Tieren abgelehnt. So heißt es in Levitikus 22, 20: „Alles, was einen Makel an sich hat, bringt eurem Gott nicht dar, denn es würde euch nicht wohlgefällig machen !“ Erst mit der humanistischen Aufklärung des 17./18.Jahrhunderts rückten die Kirchen langsam und widerstrebend von ihrer Diskriminierung der Missgestalteten und Behinderten ab und vollzogen eine Kehrtwendung. Seitdem wird dem menschlichen Leiden ein „gottgewollter, höherer Sinn“ angedichtet, der inzwischen sogar das Selbstbestimmungsrecht unserer kranken und leidenden Mitmenschen außer Kraft setzen will.
Was ist das doch für ein theologisches Possenspiel, dem sich sogar weltliche Politiker unterordnen, um mit den Stimmen der christgläubigen Wähler ihre ganz persönlichen Vorteile erreichen zu können. Religionen waren immer die hinterhältigsten Waffen im „Kampf ums Dasein“. Mit den „Armen im Geiste“ und der Unwissenheit der Gläubigen konnte man stets die besten Geschäfte machen.
quelle:
http://home.nordwest.net/utes-own/gast_der_sinn_des_daseins.htm (Archiv-Version vom 17.01.2005)mfg
Credendo Vides