Der Rabe

Am Himmel fliegt ein schwarzer Vogel,
fliegt direkt auf mich zu.
Es ist ein Rabe und setzt sich auf den Ast im Baum.
Der Rabe mit seinem pechschwarzen Gefieder, seiner dunklen Seele,
schaut auf mich herunter aus seinen schwarzen Augen.
Als ob er mir etwas sagen will, krächzt er immer wieder,
jetzt versteh ich was er sagen will...
wie ähnlich wir uns doch sind, ich mit meinem schwarzen Mantel,
er mit seinem schwarzen Gefieder und unsere schwarzen Seelen gleichen sich.
Nun blick ich herunter auf eine Person mit meinen schwarzen Augen.
Ich fliege davon, weiß nicht wohin, will einfach nur weg.
Weg von hier, das alles hinter mir lassen, was anderes sehen,
das alles vergessen und einfach nur frei sein.
Wenn ich das erreicht habe ist meine schwarze Seele glücklich,
lässt mich auch glücklich sein und das Leben genießen.
Nun ist es Nacht geworden und wieder kommen die Fragen auf.
Werde ich es jemals erreichen völlig vogelfrei zu sein?
Wird meine schwarze Seele jemals glücklich und zufrieden sein?
Ich weiß es nicht, niemand weiß es, außer den Sternen am Himmel.
Sie einzig und allein können mir Antworten auf meine Fragen liefern.
Ja, dort ist es geschrieben, mein Schicksal!
Ich werde es irgendwann lesen können, wenn ich nah genug dran bin,
ja dann habe ich die ersehnten Antworten.
Aber dies wird mir erst gelingen, wenn mich Gevatter Tod umarmt.
Genau in diesem Augenblick werde ich alles wissen, selbst den Sinn des Lebens.
Ja, erst wenn der gütige Sensemann mich mit seinem schwarzen Umhang umhüllt,
um mich nah genug dorthin zu bringen,
mich danach in die wohlige Wärme von Meister Luzifers Reich zu befördern.
Dann, ja, dann werde ich endlich wissen, ob meine schwarze Seele glücklich ist.
Bis dahin sitze ich hier unten
und laufe in dieser sternenklaren Nacht über den ruhigen und schönen Friedhof,
um auf den Hügel unter den bezaubernden Trauerweiden zur Ruhe zu kommen.
Ich schaue mir die Sterne an, will mein Schicksal entziffern, doch noch schaffe ich es nicht, weil ich hier auf Erden noch nicht nah genug bei ihnen bin.
Jetzt sitze ich wieder einmal hier, schaue nachdenklich,
ja sogar ein wenig melancholisch und betrachte den Vollmond.
Dieser zieht mich in seinen Bann und versucht mir das Ungewisse zu offenbaren,
doch er schafft es noch nicht, wir sind zu weit entfernt voneinander.
Mir wird nun endlich klar,
dass ich die Antworten auf meine Fragen im Laufe meines Lebens erfahren werde,
um mein Leben und die Antworten im Tod noch einmal Revue passieren zu lassen.
Bis es soweit ist,
laufe ich weiterhin Nacht für Nacht in meinen Gedanken versunken über den Friedhof,
um zu meinem Platz auf dem Hügel unter den Trauerweiden zu gelangen,
dort nachzudenken und für einen kurzen Moment dort oben alles um mich herum zu vergessen.
So wird es sein Nacht für Nacht, Woche für Woche,
Monat für Monat, Jahr für Jahr damit ich nur für ein paar Augenblicke frei sein kann
von allem, dank der alles umhüllenden Nacht.
Ja um allein zu sein mit meinen Gedanken, meinen Gefühlen, den Sternen und dem Mond – ein paar Augenblicke der Glückseligkeit.
Mit jedem mal wird mir immer klarer,
dass ich eines Tages von allen Schicksalsschlägen befreit sein werde.
Dann kann ich meine schwarzen Flügel noch einmal ausbreiten,
um davon zu fliegen. Raus in die Nacht, damit in das Ungewisse,
nirgendwohin und doch wohin. Um einfach nur auf den Mond und die Sterne zu zufliegen.
Ich werde frei sein von allem, wenn ich davonfliege,
um Antworten zu bekommen, raus in die kühle Nacht,
um dann in der wohligen Wärme des Reiches von Meister Luzifer zu landen.
Ja, dann ist meine schwarze Seele frei und glücklich, so kann ich noch alles andere genießen.