Da ich diese zwei Wochen Ferien habe, hab` ich mir mal ein Praktikum für zwei Tage organisiert. Mich hat Musiktherapeut mal interessiert.
Man hats mir so beschrieben - Behinderte, gestörte oder kranke Menschen sind oft durch Musik erreichbar. Man gelangt damit in Bereiche, in die man normalerweise nicht kommt. Die Musik macht`s möglich ^^

Es war sehr interessant.
Die Musiktherapeutin an der Don Bosco Schule hieß Veronika. Sie war mir sehr sympathisch und ich wusste nicht, ob ich sie duzen oder siezen sollte.
Sie hatte blaue Augen, groß und schwammig und sie strahlten sehr ausdrucksvoll. Blonde Haare, leicht gewellt aber anliegend ein bisschen bis über(unter) Schulterhöhe. Sie war ca 25 - 28 Jahre alt.

Anfangs siezte ich sie sicherheitshalber ein paar mal, bis sie mir sagte, ich sollte sie duzen ^^ was mir ehrlich gesagt aber sehr schwer viel, da ich oft einen gewissen Respekt und eine Hingabe mitbringe, da fühle ich mich rein aus Höflichkeit und Respekt schon gezwungen zu siezen. Aber... duzen is` bequemer ^^

Erstmals viel mir schon die angenehm ruhige und tiefgehende Austrahlung in dem Zimmer auf. Auch die Instrumente überall war(en) ein schöner Anblick. Wir setzten uns zusammen hin und tranken erstmal Tee, sie erklärte mir ein bisschen was auf mich zukommt, welche Kindern nun kommen und was sie für Störungen/Behinderungen o.ä. haben, nachdem sie mich einmal fragte, wie ich zu diesem Praktikum kam.
Dann holten wir das erste Kind ab und gingen dann wieder in ihren Musikraum. Wir setzten uns und begrüßten uns mit Trommeln, der Gitarre, Gesang oder anderem. Es war total interessant, wie sich die Kinder öffneten und ihre Gefühle im Raum lagen, wenn sie der Musik von Veronika zuhörten oder selbst spielten. Wir spielten verschiedene Instrumente, tanzten zusamen, hörten Musik oder spielten eine Art Theater, immer jedoch mit einem pädagogischen Hintergrund, der den Kindern half und sie in bestimmten Bereichen förderte, wie zB ihre Wahrnemung.

Am meisten hat es mich berührt, als jemand da war, der nur im Rohlstuhl saß und sich wenig bewegen konnte, bzw schon viel und stark bewegen konnte, jedoch schielte er stark nach außen, hatte einen unmenschlichen Gesichtsausdruck, leicht wie ein Tier, und verkrümmte die Finger und Beine. Der Mund war immer offen und er sabberte gern und pausenlos. Reden konnte er nicht, er gab verschiedene Laute von sich, wie man sie von Menschen kennt, wenn sie scherzhaft Behinderte nachahmen.

Wir setzten uns mit ihm an`s Klavier, er sollte ein bisschen spielen. Veronika fing dann an und spielte totaaaaal schön, sehr positiv aber ganz leicht. Es klang wie auf den Wolken und sehr beruhigend und nach Geborgenheit. Diese Stimmung verteilte sich im ganzen Raum und es war garnichtmehr möglich, an etwas anderes zu denken oder sich etwas anderes vorzustellen - man fühlte sich wie auch Wolken vom warmen Sonnenlicht beleuchtet und warmen, sanften Wind getragen.
Sie sang dabei das, was sie ihm sagen wollte, und dann versuchte er auch zu spielen. Er nahm die rechte Hand nach vorne und drückte mit seinem Daumen auf die Tasten. Mit den einzelnen Fingern konnte er nicht spielen, seine Hände waren zu verkrümmt und taten nicht das, was er wollte. Doch er spielte mit dem Daumen, so gut es ging. Es klang zwar nicht nach Musik, doch als er ein paar Töne spielte, spielte Veronika mit der rechten Hand, während sie mit der linken die Akkorde spielte, die Melodie also die Töne, die er davor gedrückt hatte, einfach nach - und es kam mir so vor, als würde er versuchen zu spielen, danach sich aber immer darüber ärgern, dass er seinen Körper so wenig unter Kontrolle hat und keine Musik zustande gebracht hätte. Nachdem sie es aber genauso nachspielte, mit einer Ruhe, und Gelassenheit, kam es mir so vor, als würde es ihm einleuchten, dass er auch mit diesen Tönen etwas gesagt hatte.
Es ging dann immer so weiter, er spielte mal eine Melodie und dann wieder sie.
Die Gefühle, die dabie frei wurden, waren unbeschreiblich und so echt, wie man es im Alltag nichtmehr erlebt, weil es in Vergessenheit geraten ist.
Frei von Zeitdruck, Stress, Arbeit, Planungen, Vorstellungen, Gedanken usw ...
sondern einfach die reinen und klaren Gefühle, so echt, wie man sie aus der Kindheit kennt.

Es hat mich so berührt, mir kamen fast die Tränen ... fast ^^ einen kurzen Moment hab ich versucht, mich noch mehr in die Musik reinzufühlen, und dann kamen sie. Vor Bewunderung bin ich aus dem Reinfühlen wieder rausgekommen. Zum einen schade, zum andern gut, sonst hätt ich vllt zu Weinen angefangen.



Es war jedensfalls sehr schön und unglaublich interessant. Die Gefühle liegen ganz offen, es ist alles so deutlich und klar, so echt und real. Wir haben circa eine drei viertel Stunde jemanden, oder mehrere, behandelt, also Musik mit ihnen gemacht oder getanzt oder etwas gespielt usw.

Die Veronika war auch total interessant. Ihr Umgang mit den Menschen war sooo toll, sie hatte, und hat immernoch, total "viel" Herz - sie nimmt ihre Gegenüber als Menschen an, egal was für eine Behinderung sie haben oder irgendeine Störung - sie akzeptiert sie als vollwertige Menschen, als Lebewesen mit Herz. Und sie nimmt das alles sehr lustig, sie lacht oft und strahlt eine wärmstens fröhliche Offenheit aus. Und doch scheint sie so konzentriert und geordnet. Ich habe selten so einen Menschen erlebt.

Es war das erste Mal, dass ich das Gefühl hatte, mit jemanden wirklich über die tollsten Dinge, über Menschen, hätte reden können. Das taten wir auch zum Schluss, und das war wirklich super ^^ aber es hätte von mir aus sogar länger sein können.


Fast ein bisschen Schade, dass es nur zwei Tage waren...
Man man man, so viele Gefühle, das kann man garnicht in Worte fassen ^^

Aber total schön, was man mit Musik alles machen kann :)