All die oben erwähnten Versatzstücke wurden von Pjotr Iwanowitsch Ratschkowski und anderen ab 1891 allmählich zu den "Protokollen" zusammengefügt. 1892 veröffentlichte Ratschowski in Paris unter dem Pseudonym "Jehan Préval" ein erstes Pamphlet, "Anarchie und Nihilismus".
Ratschkowski war ursprünglich ein linker Revoluzzer. Er wurde von dem zaristischen Regime gefangengenommen und vor die Wahl gestellt, hingerichtet zu werden oder auf Seiten des Regimes zu arbeiten. Er entschied sich für letzteres. Er wurde Rechtsextremist und brachte es 1883 in der Sicherheitspolizei von St. Petersburg zum Adjutanten. Dann wurde er nach Paris geschickt, wo er zwei Jahrzehnte lange "sämtliche geheimpolizeiliche Operationen außerhalb Rußlands" leitete. Er war oft in esoterischen Kreisen anzutreffen und wurde dort wohl in seiner antisemitischen Grundhaltung bestärkt.
1891 entwickelte er als Auslandschef der Ochrana den Plan, eine "Kampagne gegen die russischen Juden" zu machen,die dann zu dem oben erwähnten Pamphlet "Anarchie et Nihilisme" führte. Er forderte darin auf, "unverzüglich eine französisch-russische Liga zum Kampf gegen die geheimnisvolle, okkulte und unverantwortliche Macht der Juden zu schaffen" . Durch Fälschungen und Erpressungen versuchte er eine solche Liga zu gründen. Das mißlang ihm und führte dazu, daß er 1902 aus Paris abberufen wurde, was seinen Haß gegen die Juden noch verstärkte.
Einen weiteren Beitrag zu den Protokollen liefert vermutlich Elie de Cyon, eigentlich Ilia Zion, ein konvertierter Jude. Er war es wohl, der aus dem Buch Jolys die Textpassagen abschrieb.
1895 besaß die St. Petersburger Diplomatentochter und Theosophin Juliana Dmitrijewna Glinka den Text von Ilia Zion, den sie an Standesgenossen weitergab. In Petersburg entdeckte Sergej Nilius den Text und fügte ihn in sein eigenes Werk ein. Spätestens 1897 befand sich der Text von Ilia Zion in den Händen von Ratschkowski. Im gleichen Jahr gab derProkurator des Geistlichen Synods von Moskau, Filip Petrowitsch Stepanow, gleichzeitig Kammerherr und Staatsrat, die Protokolle heraus.
Auf Betreiben von Ratschkowski erschien 1903 eine Fassung der Protokolle in der antisemistischen Zeitschrift "Snymja" unter dem Titel: "Programm für die Welteroberung durch die Juden". 1905 wurden die Protokolle von dem russischen Offizier G.W.Butumi als Broschüre herausgegeben. 1906 folgte eine Neuausgabe unter dem Titel: "Die Feinde des Menschengeschlechts. Protokolle aus den Geheimarchiven der Zentralkanzlei von Zion".
Seither ist der Text in vielen hundert Versionen und in vielen Sprachen in immer wieder abgeänderter Form veröffentlicht worden.
1905 veröffentlichte auch der hochgebildete russische Dichter und Gutsbesitzer Sergej Nilius die Protokolle im Rahmen seines Buches "Das Große im Kleinen. Der Antichrist als nahe politische Möglichkeit". Mit diesem Buch wurden die Protokolle allgemein bekannt.
Niliuswurde 1862 geboren. Er kam viel in der Welt herum und sprach zahlreiche Sprachen. Ursprünglich war er Anarchist, entwickelte sich aber zum glühenden Verfechter der Zarenherrschaft und des heiligen Rußland. In der modernen Zivilisation sah er eine Verschwörung der Mächte des Bösen.
Bisweilen zweifelte er an der Echtheit der von ihm veröffentlichen Protokolle. Das hinderte ihn aber nicht, als Prediger gegen die Juden durch das Land zu ziehen und die Menschen vor der Ankunft des Antichrist zu warnen.
Der Moskauer Metropolit veranlasste die Verlesung der antisemitischen Passagen seines Werkes in den 368 Kirchen der Stadt.
Der Text der "Protokolle" besteht aus etwa 100 Seiten in 24 Kapiteln. Es wird darin behauptet, die Juden hätten die Ideen von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit und Liberalismus in die Welt gesetzt , um die Macht der christlichen Staaten zu zerbrechen und schließlich eine jüdische Weltherrschaft zu errichten. Sie wollten durchLiberalismus, Materialismus und Unglauben die Macht der christlichen Monarchen brechen. Die Herrschaft des Geldes sollte die Herrschaft des Adels ersetzen. Die französische Revolution sei das Werk der "Weisen von Zion", ebenso andere Revolutionen und wirtschaftliche und soziale Umbrüche. Um ihre Ziele zu erreichen, würden sich die "Weisen von Zion" der Freimaurerlogen bedienen. Sie würden die Staaten gegeneinander aufhetzen und Kriege herbeiführen. Bei Widerstand würden die Weisen veranlassen, daß gegen die widerspenstigen Kräfte Kriege geführt würden oder daß Krankheiten sie vernichten würden.
Im Jahr 1997 würde die jüdische Weltherrschaft erreicht sein. Dann würde ein totalitärer jüdischer Staat mit einer mächtigen Geheimpolizei allen Widerstand unterdrücken. Dennoch würden alle Menschen in dem Reich von Zion glücklich sein.
1917 gelangten die Protokolle durch russische Exilanten nach Deutschland, wo sie bei deutschnationalen Aktivisten, Germanentümlern undnationalistischen Esoterikern großen Anklang fanden. 1923 verfaßte der spätere Chefideologe des Dritten Reiches, der Deutschbalte Alfred Rosenberg die Studie "Die Protokolle der Weisen von Zion und die jüdische Weltpolitik". Ab 1920 bezogen sich fast alle NS-Hetzblätter und antisemitischen Veröffentlichungen auf die Protokolle. Später dienten sie den Nazis als Rechtfertigung für den Mord an 6 Millionen Juden.
Ab 1920 wurden die Protokolle in zahlreichen Ländern verbreitet.
Zu Beginn der zwanziger Jahre kamen starke Zweifel an der Echtheit der Protokolle auf. Die englische Tageszeitung Times entlarvte sie 1921 als Fälschung. 1934/1935 wurden bei einem Gerichtsprozess in Bern Beweise vorgelegt, daß die Protokolle eine Fälschung sind. Beklagte waren Mitglieder der Nationalen Front und des Bundes Nationalsozialistischer Eidgenossen, welche die Protokolle und andere antisemistische Hetzschriften verkauft hatten. Die Kläger waren die Israelitische Kultusgemeinde Bernund der Schweizerische Israelitische Gemeindebund.
Die jüdischen Kläger konnten durch Zeugen und Sachverständige den Gang der Fälschung beweisen. Die Schweizer Nazis versuchten vergeblich, in Rußland Zeugen für die Echtheit der Protokolle zu finden. Der Welt-Dienst und das NS-Propaganda-Ministerium unterstützten die Schweizer Nazis mit 30 000 Reichsmark. Der Chef des Welt-Dienstes, Ulrich Fleischhauer, hielt als Sachverständiger ein viereinhalbstündiges Propagandareferat vor dem Gericht. Aber seine Verdrehungen und falschen Zitate wurden während der Verhandlung entlarvt, und das Gericht beurteilte die Protokolle als Fälschung. Obwohl in der Berufungsverhandlung die Angeklagten freigesprochen wurden, beurteilte das Berner Oberlandesgericht die Protokolle erneut als hetzerisches antisemitisches Machwerk.
http://www.koinae.de/PROTZION.htm (Archiv-Version vom 09.02.2010)