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Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

678 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Mord, Celle, Strafrecht ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

03.04.2023 um 11:25
@Lento

Hier extra noch mal für dich, was der Gesetzgeber will:
Vor dem Hintergrund der genannten Maßstäbe ist die neue Regelung des § 362 Nr. 5 StPO auf solche Ausnah- mesituationen beschränkt, in denen eine Wiederaufnahme des Verfahrens das hinter Art. 103 Abs. 3 GG stehende Anliegen der Befriedung nicht untergraben würde, sondern ihm erst zur Wirkung verhelfen soll.

Denn die Regelung erfasst ausschließlich die schwersten der deutschen Rechtsordnung bekannten Taten – nämlich Mord (§ 211 des Strafgesetzbuches), Völkermord (§ 6 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches), das Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 Absatz 1 Nummer 1 und 2 des Völkerstrafgesetzbuches) und Kriegsverbrechen gegen eine Person (§ 8 Absatz 1 Nummer 1 des Völkerstrafgesetzbuches).

Das sind solche Taten, die mit der Höchststrafe belegt sind und nicht der Verjährung unterliegen – womit bereits das besondere Unrecht und der besondere Inhalt dieser Tatbestände verdeutlicht wird. Der Schutz eines Menschenlebens nimmt in unserer Rechtsordnung den höchsten Rang ein.

Bei diesen Taten ist ein zu Unrecht erfolgter Freispruch – anders als bei Taten im Bereich der unteren und mittleren Kriminalität – schlechthin unerträglich. Bereits die Große Strafrechtskommission des Deutschen Richterbundes stellte im Abschlussbericht der Sitzung vom 26. bis 28. November 2002 zu ihrem Gutachten zum Wiederaufnahmeverfahren unter anderem fest: „Die Kommission sieht es als schwer erträglich an, einen Freispruch bei Mord/Völkermord nicht mehr korrigieren zu können, obwohl nachträglich sichere Beweismittel die Täterschaft einwandfrei festgestellt haben.“
Quelle: https://dserver.bundestag.de/btd/19/303/1930399.pdf


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04.04.2023 um 04:34
Zitat von LentoLento schrieb:Aber ich habe die Überschrift so verstanden, dass es in erster Linie um Mord geht. Manch einer will hier nichtmal von den mehr oder weniger wahrscheinlichen Folgewirkungen dieses Gesetzes sprechen. Aber da dieser Thread erst mit dem neuen Gesetz entstanden ist, dürfte es auch um die Diskussion über das Gesetz und dessen Folgewirkungen gehen.
Nun, Du hast ein grundsätzliches Problem durchaus erkannt, ohne es vielleicht benennen zu können. Es ist ja nicht so, als seien diese Fragen in der Vergangenheit nicht schon diskutiert worden. Immer wieder kommt es im Ergebnis der Diskussion darauf an, ob man den grundsätzlichen Gedanken Radbruchs folgt oder nicht. Bisher haben BGH und BVerG das getan, allerdings in ganz anderen Ausgangspositionen. Auch die zitierte Begründung der Bundesregierung verweist ja auf diese grundsätzlichen Überlegungen. Dabei hat sie, vielleicht unwissentlich, aber ein Problem aufgetan, das vor allem Ralf Dreier bei der letzten grossen Diskussion dieser Frage betont und ausgeführt hat (man lese seine Schrift "Juristische Vergangenheitsbewältigung" dazu).

In Deutschland wurde das Thema besonders akut und erstmalig in der jungen Bundesrepublik heftig diskutiert, als es um Gesetze und Handlungen des III. Reiches ging. Selbst die vehementesten Rechtspositivisten gestanden dabei ein, dass Radbruch auf dem richtigen Weg war, das "extreme Unrecht" dieser Zeit und seiner Gesetze und Verhaltensweisen zu benennen. Das BVerfG folgte dabei nachvollziehbar Radbruch. Der rechtspositive Grundsatz musste da nachgeben, wo es um klares, offensichtliches schwerstes Unrecht ging, wie z.B. bei der Frage der nationalsozialistischen Judengesetze etc.

Dieser relativ klare Konsens wurde aber später in Frage gestellt, als es um die DDR ging. Bei den sogenannten "Mauerschützenprozessen" kam dieses Thema nämlich wieder auf. Auch hier sahen BGH und dann auch BVerfG schwerstes, klares Unrecht, das einem rechtspositivistischen Anspruch die Geltung versagt. Das blieb diesmal aber nicht unwidersprochen, z.B. eben durch Dreier.

Die heutige aktuelle Diskussion ist aber davon weit entfernt, auch wenn man durch die Einbeziehung des sog. Völkerstrafgesetzbuches einen Zusammenhang suggeriert. Man wird sehen, ob sich das BVerfG der Meinung anschliessen wird, dass bei "einfachen" Verurteilungen bzw. Freisprüchen wegen Mord nach § 211 StGB und dem Strafklageverbauch eine "unerträgliche Ungerechtigkeit" im Sinne Radbruchs feststellen lässt, die man sonst bisher eigentlich nur im Zusammenhang mit Unrechtsregimen wie III. Reich oder DDR diskutierte, so dass diese dann ein Durchbrechen der positiven Rechtssicherheit erlaubt.

Für rechtsphilophisch interessierte Juristen jedenfalls ein durchaus spannendes Thema.


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04.04.2023 um 08:58
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Man wird sehen, ob sich das BVerfG der Meinung anschliessen wird, dass bei "einfachen" Verurteilungen bzw. Freisprüchen wegen Mord nach § 211 StGB und dem Strafklageverbauch eine "unerträgliche Ungerechtigkeit" im Sinne Radbruchs feststellen lässt, die man sonst bisher eigentlich nur im Zusammenhang mit Unrechtsregimen wie III. Reich oder DDR diskutierte, so dass diese dann ein Durchbrechen der positiven Rechtssicherheit erlaubt.

Für rechtsphilophisch interessierte Juristen jedenfalls ein durchaus spannendes Thema.
Ja, das stimmt. Heute wird die von dir zitierte „unerträgliche Ungerechtigkeit“ allerdings - neben Mord nach § 211 StGB - vom Gesetzgeber eben auch im Zusammenhang mit Verbrechen nach dem Völkerstrafgesetzbuch gesehen, also mit Verbrechen, wie sie zur Zeit in der Ukraine, in Syrien und sonst an vielen Orten weltweit passieren. Es geht eben nicht mehr um die „allein deutsche“ Diskussion aufgrund historischen deutschen Unrechts, sondern aktuell darum, ob ein Täter, der irgendwo auf der Welt solche Verbrechen begangen hat und der in Deutschland gefasst und am Ende eines Prozesses freigesprochen wird, sich bei neuen starken Beweisen auf den Schutz des Art. 103 (3) GG berufen können soll.

Wer nun grundsätzlich zustimmt, dass bei solchen Verbrechen nach dem Völkerstrafgesetzbuch eine Durchbrechung der positiven Rechtssicherheit möglich ist, kann dann mMn aber kaum noch Argumente dafür haben, dies bei Mord nach § 211 StGB anders zu sehen. Wie gesagt, alle Verbrechen haben gemeinsam, dass es sich um Verbrechen gegen das Leben handelt und dass sie unverjährbar sind.


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04.04.2023 um 09:20
Nachtrag: Und hier wird für mich die Debatte auch ein Stück unehrlich, wenn man der deutschen Öffentlichkeit und dem Gesetzgeber und Angehörigen von Opfern von Kriegsverbrechen in der Ukraine zugesteht, es unerträglich zu finden, wenn den Tätern bei Auftauchen neuer Beweise aus dem Kriegsgebiet wegen Strafklageverbrauchs nicht erneut der Prozess gemacht werden kann, so eine Unerträglichkeit bei Mordopfern iSv § 211 StGB aber anscheinend von vornherein als von anderer Qualität angesehen wird.


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04.04.2023 um 11:26
Zitat von KohlhaasKohlhaas schrieb:Nachtrag: Und hier wird für mich die Debatte auch ein Stück unehrlich, wenn man der deutschen Öffentlichkeit und dem Gesetzgeber und Angehörigen von Opfern von Kriegsverbrechen in der Ukraine zugesteht, es unerträglich zu finden, wenn den Tätern bei Auftauchen neuer Beweise aus dem Kriegsgebiet wegen Strafklageverbrauchs nicht erneut der Prozess gemacht werden kann, so eine Unerträglichkeit bei Mordopfern iSv § 211 StGB aber anscheinend von vornherein als von anderer Qualität angesehen wird.
Von vornherin sicher nicht. Ich habe hier sehr deutlich gemacht, dass man DIFFERENZIEREN muss. Ich hatte sogar gesagt, dass man die Summe der Taten einer Person betrachten muss, weil man es nicht immer mit einer einzelnen Tat zu tun hat (Massenerschießung) sondern vielen Einzelnen


Und sei mal endlich ehrlich, ich glaube nicht, dass Du eine nicht erfolgte Bestrafung bei einem Verbrechen mit 1000 Toten genauso unerträglich empfindest wie bei einem mit einem Toten. Das kannst Du mir nicht weiß machen.


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04.04.2023 um 12:03
@Lento

Es kann sich ja auch um ein Kriegsverbrechen an „nur“ einer einzigen Person nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB handeln.
Völkerstrafgesetzbuch (VStGB)
§ 8 Kriegsverbrechen gegen Personen

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt
1.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person tötet,
So ein Fall ist von § 362 Nr. 5 StPO erfasst, weil § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB in § 362 Nr. 5 eben ausdrücklich zitiert wird.
Zitat von LentoLento schrieb:Du eine nicht erfolgte Bestrafung bei einem Verbrechen mit 1000 Toten genauso unerträglich empfindest wie bei einem mit einem Toten.
Im übrigen: Das Grundgesetz sagt nicht, dass soundsoviel Leben mehr zählen als die Hälfte oder ein Viertel davon.

So eine Debatte ist genau so müßig wie die, als es darum ging, ob ein Gesetz geschaffen werden soll, wonach es möglich sein soll, ein von Terroristen entführtes Flugzeug mit 250 Insassen vorsorglich von der Bundeswehr abzuschießen zu lassen, weil die Terroristen gedroht haben, das Flugzeug in wenigen Minuten über einem vollbesetzten Stadion mit 50.000 Menschen abstürzen zu lassen.


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04.04.2023 um 13:06
@Kohlhaas

Nein, das Grundgesetz ist normalerweise nie so spezifisch, wie Du es hier erwartest. Das Grundgesetz wird erst durch seine Auslegung lebendig. Und das erfolgte auch ganz bewusst, dass man es nicht ständig ändern/erweitern muss. Daher gibt es die einfachrechtlichen Gesetze, die dann immer und immer wieder an die geänderten Umstände angepasst werden. Aber das Grundgesetz, wo es einen 2/3-Mehrheit benötigt um es zu verändern muss man nur sehr selten ändern, meistens langt eine neue Auslegung.

Wenn man nichts im Grundgesetz findet, heißt das daher nicht, das man nicht trotzdem differenzieren muss, denn das macht die Justiz tagtäglich. Bei Mord gibt es leider nur eine Unterscheidung Mord ohne und Mord mit Erkennung der Schwere. Wenn man mehrere Menschen umbringt, landet man relativ rasch bei der Schwere. Du siehst, es gibt unterschiedliche Aufrechnungen und die müssen sein.

Das ist eben das Problem, der Gesetzgeber hat nicht differenziert. Das Wort unerträglich wird der Sache in Wirklichkeit nicht gerecht, weil es rein grammatisch überhaupt keine Steigerung mehr gibt. In der Realität ist es eben nicht egal, ob ich eine Bombe in eine volle Veranstaltung explodieren lasse oder eine einzelne Person ermorde.

Normalerweise differenziert die Justiz bei den meisten Taten. Selbst bei Mord ist das erfolgt (Haustyrannenmord). Der StGB § 211 macht schon heute Probleme, die Richter müssen sich vom Buchstaben des Gesetzes wegbewegen. Die neue Gesetzgebung verschärft dieses Problem weiter. Das BVerfG hatte vor einiger Zeit leider nicht den Gesetzgeber veranlasst diese Problematik bei Mord aus der Welt zu schaffen. Eigentlich ist die Verwendung dieses Begriffs "unerträglcih" nicht zielführend. Die Folgewirkung die das Gesetz hat, kann ebenfalls in manchen Fällen zur Unerträglichkeit führen.

Durch die Verwendung dieses Begriffs der der Bundestagsverhandlung hat sich der Gesetzgeber es extrem einfach gemacht, er hat einfach das „unerträgliche“ der Nichtaufklärung mit dem „unerträglichen“ der Haft Unschuldiger gleichgesetzt. Eine wirklich ehrliche Diskussion wurde auch dort nicht geführt.

Wie gesagt ich versuche eine Differenzierung einzuführen. Du versucht mit eher seltenen Fällen diesen Unterschied zu umgehen, aber er ist einfach vorhanden. Daher DARF und MÜSSEN Kriegsverbrechen mit vielen Toten anders gesehen werden als ein Mord mit „nur“ einem Toten. Und aus meiner Sicht ist die Haft unschuldiger auch „unerträglicher“ (ich komme mir vor wie bei der Farm der Tiere) als ein nicht aufgeklärte Mord, obgleich man relativ sicher ist, wer der Täter ist.


Und wenn in Zukunft nur nach sagt, ich brauche es nur als "unerträglich" zu definieren, dann kann ich alles ändern, naja, dann armes Deutschlabnd.


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Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

04.04.2023 um 16:58
Zitat von LentoLento schrieb: Bei Mord gibt es leider nur eine Unterscheidung Mord ohne und Mord mit Erkennung der Schwere. Wenn man mehrere Menschen umbringt, landet man relativ rasch bei der Schwere. Du siehst, es gibt unterschiedliche Aufrechnungen und die müssen sein.
Also im § 211 StGB gibt es eine derartige Unterscheidung nicht. Da steht nur:
Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

Nun wissen wir, dass lebenslang nicht bis zum Tode bedeuten darf. Weshalb es bei der Schwere der Schuld nur darum geht, wann darf die lebenslange Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden.

Und der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es auch noch die Sicherungsverwahrung gibt. Aber auch die ist keine Unterscheidung bei Mord.


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04.04.2023 um 17:35
Zitat von emzemz schrieb:Also im § 211 StGB gibt es eine derartige Unterscheidung nicht. Da steht nur:
Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.
Eben, dort steht es nicht und deshalb ist es auch problematisch und dieses Gesetz muss laut BVerfG von den Gerichten ausgelegt werden.

Daher hat der große Senat doch Ausnahmen "gestattet", weil die Anwendung dieses Gesetzes Unverhältnismäßigkeit sein kann.

Hier das entsprechende Urteil des BGH (Familientyrannenmord):

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=26147&pos=0&anz=1

Die Folge dieser Rechtsprechung ist dann in speziellen Fällen eine nicht mehr lebenslängliche Freiheitsstrafe, obgleich in Wirklichkeit mindestens ein Mordmerkmal des Gesetzes voll und ganz erfüllt ist (Heimtücke).


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04.04.2023 um 17:42
Zitat von emzemz schrieb:Nun wissen wir, dass lebenslang nicht bis zum Tode bedeuten darf. Weshalb es bei der Schwere der Schuld nur darum geht, wann darf die lebenslange Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden.
Auch das ist schon eine Hintertür, die verschiedenen Taten bei der Strafe zu differenzieren. Nur der Schuldspruch lautet lebenslänglcih. Hier geht dann natürlich auch noch mehr ein wie die Prävention. Die hat bei der Feststellung der Schwere einen erheblichen Einfluss, da gelten dann die gleichen Regeln, wie bei der Entlassung aus der Sicherungsverwahrung.


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04.04.2023 um 17:57
@Lento

Auch das ist kein Differenzierungsgrund. Nach §§ 7, 8 Abs.1 VStGB werden Völkermord und Kriegsverbrechen gegen eine Person ebenfalls mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

Da das VStGB Teil des deutschen Strafrechts ist und bei diesen Verfahren die StPO voll gilt, kommt bei Vorliegen der entsprechenden auch Sicherungsverwahrung in Betracht, ein Täter kann auch für schuldunfähig befunden werden und in der Forensik landen, halt alles wie bei Mord nach § 211 StGB auch.

Für die Strafvollstreckung gelten für alle Tätergruppen die gleichen Vorschriften und Grundsätze.


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04.04.2023 um 18:52
@Kohlhaas

Denk mal etwas nach, man kann einen Menschen eben nur max. zu einem lebenslänglich verurteilen. Die Schwere der Tat bzw. das durch die Tat entstanden Unrecht kann trotzdem unterschiedlich sein. In den USA wird genau das beim Strafmaß berücksichtigt, deshalb kommen dort horrende Größen zu Stand. Ich bin mir sicher, das weißt Du ganz genau.

Du kannst daher die Strafe daher nicht als Maß für das Unrecht hernehmen, was ein Täter in die Welt gesetzt hat. So einfach ist das in Wirklichkeit.

So diese Diskussion ist mir aber nun zu dumm. Wenn Du die vielen Toten in der Nazi-Zeit, die ein einzelner Täter dort auf dem gewissen hat, mit einem einzelnen Mord gleichsetzt, dann ist das eine klare Relativierung. Und das wollen wir doch nicht oder? Ähnliches gilt natürlich auch für Kriegsverbrechen etc.. Und genau um die Stärke der Erträglichkeit eines Unrechts geht es hier.

So Schluss, Ende bzgl. dieser unsäglichen Diskussion. Mehr ist da nun wirklich nicht zu sagen!


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04.04.2023 um 19:00
Zitat von LentoLento schrieb:Die Folge dieser Rechtsprechung ist dann in speziellen Fällen eine nicht mehr lebenslängliche Freiheitsstrafe, obgleich in Wirklichkeit mindestens ein Mordmerkmal des Gesetzes voll und ganz erfüllt ist (Heimtücke).
Wenn § 35 StGB (entschuldigender Notstand) zur Anwendung gekommen sein sollte, sind wir aber nicht mehr im Bereich Mord unterwegs.

Nur weil bei einer irgendwie gearteten Tat Heimtücke eine Rolle gespielt hat, wird daraus kein Mord. Dazu müsste Totschlag vorliegen.


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04.04.2023 um 20:17
@emz

Das Gesetz heißt:
Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit eine rechtswidrige Tat begeht, um die Gefahr von sich, einem Angehörigen oder einer anderen ihm nahestehenden Person abzuwenden, handelt ohne Schuld.
"Nicht anders abwehrbar?". Ich denke, man sollte sich nichs vormachen, natürlich wäre sie abwendbar, es gibt Frauenhäuser etc.. Und Gegenwärtig ist eben auch sehr zweifelhaft, bzw. bei dem fall nicht gegeben.

Denn normalerweise darf nur zwischen der rechtswidrigen Tat und dem, "Notstand" ein sehr kurzer Zeitraum liegen. Beides war in Wirklichkeit nicht gegeben, daher hatte das LG die Frau wegen Mordes verurteilt.

Aber der BGH wollte eben einfach, dass man hier auch bei Mord differenziert und hat diese Krücke geschaffen, so eben, wie es das BVerfG bei der Anwendung des §211 es als erforderlich gesehen hat. Dass dann der BGH andere Gesetze extrem weit auslegen muss, genaugenommen ebvenfalls gegen den Buchstaben dwesist dann natürlich dei Folge. Man muss eben schon gut begründen, wenn man sich vom Buchstaben des Gesetzes wegbewegen will.

Der BGH hat die sogenannte Rechtsfolgenlösung damit geschaffen.

Wikipedia: Rechtsfolgenlösung


Aber wir sind hier doch sehr abgeschweift, genaugenommen ging es um Fage, ob man die Lebensstrafe als Begründung hernehmen kann, dass man bei Taten die unter §211 fallen sowie Kriegsverchen deshalb nicht mehr differenzieren muss. In Wirklichkeit ist eine Differenierungnotwendigkeit offensichtlich. Dass sie sich im Strafgmaß nicht ausdrückt, hat andere Gründe (man kann in D nicht zweimal lebenslänglich bekommen).


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04.04.2023 um 22:19
@Lento

Hast du gelesen, was dieser Frau an Misshandlungen angetan wurde?
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=26147&pos=0&anz=1

Deine Einschätzung ...
Zitat von LentoLento schrieb:"Nicht anders abwehrbar?". Ich denke, man sollte sich nichs vormachen, natürlich wäre sie abwendbar, es gibt Frauenhäuser etc..
... ist verächtlich, geschmacklos ...
Eine Trennung von M. F. meinte sie auch mit Hilfe staatlicher oder karitativer Einrichtungen nicht bewerkstelligen zu können. Für diesen Fall hatte er ihr - nachdem sie aus dem Frauenhaus zurückgekehrt war - wiederholt angedroht, daß er den Töchtern etwas antun würde. Auch sie selbst könne er jederzeit ausfindig machen. Selbst wenn er ins Gefängnis käme, sei sie nicht vor ihm sicher. Er werde schließlich irgendwann "wieder herauskommen". Überdies könne er auch aus dem Gefängnis heraus seine Freunde aus den Rockergruppen beauftragen, ihr etwas anzutun. Die Angeklagte nahm diese Drohungen ernst. Tatsächlich waren M. F. und die Rockergruppen, denen er angehörte, gerichtsbekannt äußerst gewalttätig.



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05.04.2023 um 03:04
@emz
Lento beschreibt hier völlig korrekt die damalige juristische Situation und Diskussion. Es geht dabei nicht darum, wie man die Täterin hier einschätzt, die Grausamkeit der Tat und so weiter. Das ist ja gerade das Problem, was von Nicht-Juristen sehr oft nicht verstanden wird: Gesetze gelten allgemein, und wenn es um deren Geltung geht, wie in Verfahren vor den obersten Gerichten, soll es in der Regel eben gerade nicht um den Einzelfall gehen, sondern um die Frage, wie und ob man generell diese Gesetze auslegen und anwenden soll. Ab und zu mal stellt sich dann heraus, dass im modernen Empfinden der Gesellschaft bestimmte Gesetze nicht mehr in der Weise akzeptiert werden wie vorher, dann gibt es zwei Möglichkeiten: entweder der Gesetzgeber reagiert und ändert sie, oder die obersten Gerichte reagieren und ändern Auslegung und Anwendung. Im Beispiel @Lento s ist das so geschehen: der viele Jahre lang existierende Mordparagraph erschien dem BGH zu starr um den immer mal - und damit nicht komplett einzelnen - Haustyrannenmord adäquat abzudecken. Und im Thema das Threads geht es um einen dritten Sonderfall: wenn es um Verfassungsrechte geht, welche der Gesetzgeber einschränken will, spricht eben das Bundesverfassungsgericht auch noch das letzte Wort. In all diesen Szenarien geht es aber um mehr als einen Einzelfall.

@Lento eine geschmacklose Haltung vorzuwerfen geht nun wirklich zu weit.

Das ist leider das Problem dieser Diskussion, es geht mehr und mehr nur noch um Ideologie. Schon die relativ unsinnige Vermischung mit irgendwelchen Kriegsverbrechen in der Ukraine zeigt das, die ganz und gar nicht Thema sind.

Ich hab versucht, die rechtsphilosophische Historie der Diskussion, wie sie eben unter Juristen geführt wird, zu benennen, aber mir ist klar: Politik und Strasse fordern endlich mehr Bestrafung, da müssen solche Überlegungen eben weichen.

Ich werde nun auch eher als stummer Zuschauer warten, was das BVerfG nun dazu meinen wird.


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05.04.2023 um 08:53
Da bin ich aber überhaupt nicht deiner Meinung, lieber @Rick_Blaine

Bei dem von @Lento eingeführten Fall haben wir die Pressemitteilung zu einer Revision vorliegen. Nur hat der § 35 StGB rein gar nichts mit dem Fall von Möhlmann zu tun. Wie dieser Fall ausgegangen ist, weiß keiner und es scheint auch nicht zu interessieren und so bleibt letztendlich die Aussage übrig, dass die Frau selber Schuld ist, sie hätte ja gehen können. Der Fall ist zwar im Zusammenhang mit dem Fall von Möhlmann völlig OT, dennoch kann ich so eine Äußerung nicht unwidersprochen stehen lassen, denn ich empfinde sie geschmacklos und menschenverachtend. Das möchte ich doch strikt getrennt halten und nicht weiter vertiefen.


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05.04.2023 um 10:15
@emz

Definitiv ist es so gewesen, sie hätte gehen können und die Hilfen des Staates in Anspruch nehmen können und es gibt schon recht viel Hilfen.

Sie ist diesen Weg aus rein subjektiven Gründen gegangen, ein Muss sieht auch das Gericht nicht.

Diese subjektiven Gründe gibt es sehr häufig bei einem Mordfall, solange es um reine "Heimtücke" ist das nicht ganz selten der Fall. Der Täter sieht subjektiv keinen anderen Ausweg, die andere Möglichkleit sieht er entweder nicht oder birgt für ihn zu viele Nachteile, die er nicht eingehen will.

Ich persönlich habe sogar in diesen Fällen auch ein "Verständnis" für die Täter, denn ich weiß nicht, wie ich persönlich in der gleichen Situation gehandelt hätte. Ich bin froh, dass ich bisher in eine solche Situation nicht gekommen bin und ich hoffe, dass ich in sie nie kommen werde..

Aber rein vom Buchstaben des Gesetzes hätte man die Frau wegen Mordes verurteilen müssen.

Aber dieses Thema hast Du letzlich @Kohlhaas zu verdanken, ich wurde da leider auf Abwege geführt. Fakt ist, der Gesetzgeber macht nur scheinbar keinen Unterschied, weil wir hier in D eben Strafen summarisch sehen. Wir berücksichtigen, dass auch ein Täter nur ein Leben hat und nur eine begrenzte Lebenszeit. Wären wir in den USA würden wir das viel einfacher erkennnen. Ja, irgendwie hatte ich den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen, aber bei Taten muss man natürlich differenzieren, auch wenn es nicht beim Strafmaß in Erscheinung tritt. Aber auch in den USA wird das so gehandhabt, dass manchmal Täter - trotz mehrfacher lebenslänglicher Strafe - doch früher rauskommen. Ein sehr bekannter Täter lebt heute wieder in D und macht viel Wirbel, ich denke Du weißt sicher, wen ich meine.


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05.04.2023 um 10:24
@Lento

Der Fall ist hier völlig OT
Ich gedenke nicht, deinen Beitrag überhaupt zu lesen.


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05.04.2023 um 11:38
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Schon die relativ unsinnige Vermischung mit irgendwelchen Kriegsverbrechen in der Ukraine zeigt das, die ganz und gar nicht Thema sind.
Hier widerspreche ich entschieden. Selbstverständlich sind Kriegsverbrechen gegen eine Person, Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach dem Völkerstrafgesetzbuch, so wie sie in der Neuregelung mach § 362 Nr. 5 StPO genannt sind, und zwar mit § 211 StGB in einer gemeinsamen Aufzählung, auch gemeinsam zu betrachten, was die Rechtsfolgen betrifft, die der Gesetzgeber dafür nun mal vorgesehen hat.

Die vom Gesetzgeber damit gemeinten Kriegsverbrechen betreffen selbstverständlich die, zu deren Verfolgung sich Deutschland in internationalen Verträgen verpflichtet hat. Dafür ist 2002 in Deutschland das Völkerstrafgesetzbuch geschaffen worden. Es sind damit alle Verbrechen dieser Art gemeint die weltweit irgendwo geschehen. Man lasse sich das vomBundesjustizminister erklären, dessen gut verständliche Seite ich schon mal verlinkt hatte.

https://www.bmj.de/SharedDocs/Artikel/DE/2022/1019_Kriegsverbrechen.html (Archiv-Version vom 09.03.2023)

Mir ist schon klar, warum manche sich weigern, sich mit diesen Kriegsverbrechen weiter zu befassen. Denn dann müssten sie den argumentativen Offenbarungseid leisten.

Wer nämlich bei Auftauchen neuer starker Beweise die Wiederaufnahme des Verfahrens zuungunsten eines vom Mord (§211 StGB) Freigesprochenen ablehnt, müsste das konsequenterweise dann auch ablehnen, wenn in Deutschland jemand freigesprochen wurde, der angeklagt war, Kriegsverbrechen gegen eine Person, beispielsweise in der Ukraine, begangen zu haben.

Da so etwas aber, gerade was etwa die Ukraine betrifft, momentan kaum sehr populär wäre, werden nun argumentativ allerlei fast schon bemitleidenswerte Verrenkungen gemacht, um irgendwelche angeblichen Unterschiede zwischen den in § 362 Nr. 5 StPO genannten Verbrechen zu finden, die es rechtfertigen sollen eine Wiederaufnahme zuungunsten eines Freigesprochenen bei Kriegsverbrechen zu ermöglichen, bei Mord aber nicht. Da zappelt man dann im eigenen Netz, wenn man krampfhaft nach solchen Unterschieden sucht.

@Lento versucht es u.a. beispielsweise damit, zu vertreten, die in § 362 Nr. 5 genannten Verstöße gegen das Völkerstrafgesetzbuch beträfen quasi nur Nazi-Kriegsverbrechen, und bei denen sei die Wiederaufnahme gerechtfertigt, weil die Freisprüche dieser Leute sowieso alle durch eine von NS-Richtern durchsetzten Justiz erfolgt seien. Das ist natürlich Unsinn.

Abgesehen davon, dass derlei sachlich/historisch falsch ist und Nazi-Kriegsverbrecher inzwischen faktisch ausgestorben sind , sind natürlich in § 362 Nr. 5 StPO hauptsächlich heutige Kriegsverbrechen nach dem VStGB gemeint. Dafür reicht es. den Gesetzestext zu lesen und dazu endlich mal die Seite des BMJ anzuklicken, da gehen einem dann schon einige Kronleuchter auf.

Dann versucht @Lento es mit der Mathematik. Wiederaufnahme zuungunsten des Freigesprochenen bei Mord sei ungerecht, weil (jedenfalls in den meisten Mordfällen) schließlich nur eine Person das Leben verloren habe, bei Völkermord viele Personen. Auch das ist nicht überzeugend. Wie der Gesetzestext schon sagt, kann ein Kriegsverbrechen nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB nämlich schon dann vorliegen, wenn „nur“ eine Person betroffen ist. Außerdem ist mir nicht bekannt, dass das Grundgesetz und der deutsche Gesetzgeber den Schutz und die Bewertung von Leben von der Quantität abhängig machen.


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