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Amanda Knox

11.100 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Mord, Medien, Prozess ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Amanda Knox

16.02.2017 um 13:21
Angenehm überrascht bin ich im Nachhinein, dass der Freispruch in Sachen Misshandlungsvorwürfen (Boninsegna) in Rechtskraft erwachsen ist. Damit hatte ich nicht gerechnet. Okay, für so ein Pimperlverfahren brauchten die zu einem Ersturteil allein schon 6 Jahre, aber ich rechnete auf jeden Fall mit einem Einspruch wenn schon nicht vom Staatsanwalt, so doch von den klagenden Polizisten, bloß als reine Verzögerungstaktik. Schließlich trudelten gleichzeitig die Fragen aus Straßburg ein verbunden mit der Frage über die Rechtskraft genau dieses Verfahrens, also auch eine gebotene Gelegenheit die Dinge am EGMR indirekt zu verschleppen. Oder wenn Knoxs angebliches Delikt ein solches war um früher oder später unter "prescrizione" zu fallen, dann wäre sie bei Auslaufen des Verfahrens zwar ebenfalls als unschuldig anzusehen, aber sozusagen ohne "Brief und Siegel". Jetzt hat aber Boninsegna tatsächlich einen Markstein in den Boden gerammt, den die ganze Richterei bis herauf zu den drei Grazien letzten Samstag in Florenz gerne ignorieren wollte, über den noch einiges stolpern wird.


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Amanda Knox

16.02.2017 um 20:36
@euroneighbour
Wer ist Boninsegna?


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Amanda Knox

16.02.2017 um 23:20
@GuardianAngel7
Boninsegna ist der Richter, der im zweiten Calunnia Verfahren gegen Knox (das, dass  StA Mignini wegen Falschbezichtigung der Polize seitens Knox wegen der Aussagen, die sie vor Gericht gemacht hat, eingeleitet hat) letztendlich den Vorsitz hatte. Weshalb der Freispruch seinen Namen trägt... (Archiv-Version vom 15.04.2019)


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Amanda Knox

17.02.2017 um 10:04
@HansM
danke


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Amanda Knox

20.02.2017 um 12:40
Heute ist die Entscheidung des Kassationsgerichts über den Avetrana-Fall, der an Verrücktheit dem Perugia-Fall kaum nachsteht und dem es lediglich an der internationalen Dimension mangelt. Sechseinhalb Jahre lang wurde diese Absurdität bis dato eher einem ausschließlich italienischen "Publikum" (wie das klingt, so als ginge es um Unterhaltung) ebenfalls äußerst erfolgreich verkauft:
http://www.ansa.it/puglia/notizie/2017/02/20/sarah-cassazione-decide-su-ergastolo_6e0e282f-3815-4b4d-8001-5198f0c78591.html

Der Herr im Bild dürfte Sabrina Misseris Anwalt Coppi sein, ein Mentor von Sollecitos Anwältin Bongiorno.


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Amanda Knox

21.02.2017 um 11:23
Lebenslänglich für zwei harmlose Frauen und der Mörder ruft "Ich war's!", wenn das nicht verrückt ist, was dann?
http://www.ansa.it/puglia/notizie/2017/02/21/sarah-cassazione-conferma-ergastoli_f7312dbd-4ce7-483c-b3d6-68020c392e65.html


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Amanda Knox

21.02.2017 um 12:31
@euroneighbour
Du kannst also Italienisch? Ich versteh kein Wort!


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Amanda Knox

21.02.2017 um 12:32
@euroneighbour
Ein Grund mehr Italien soweit zu meiden, wie es nur möglich ist. Leider hat die Bevölkerung nicht diese Wahlmöglichkeit.


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Amanda Knox

21.02.2017 um 12:43
hier das ganze mal auf Deutsch

http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.italien-dem-mord-folgt-der-tv-skandal.0140e7c8-4da1-4a43-9105-a236833ba3a9.html

und @euroneighbour , wieso willst du wissen, dass sie harmlos sind? Du hast so gut wie keine Ahnung von dem Fall, also Ball flach halten!


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Amanda Knox

21.02.2017 um 16:45
Der Avetrana-Fall ist so durchgeknallt, dass er einen eigenen Thread durchaus verdiente.

@Siegessicher
Wie Sabrina überhaupt ins Spiel kam: Am Anfang nach Micheles Geständnis und seiner Verhaftung (irgendwann im Oktober 2010) hatte sein damaliger Anwalt die Idee die alternde Velina Roberta Bruzzone, eine "Kriminologin", als Konsulentin beizuziehen. Die wiederum hatte die glänzende Idee, er möge doch nur seine Tochter beschuldigen, dann käme er mit weniger Strafe davon und für seine Tochter wird sich schon was einfallen lassen. Ab diesem Zeitpunkt ging die Hexenjagd los. Michele widerrief sofort, aber da war es schon zu spät - er wurde sogar freigelassen. Er wechselte wiederholt die Anwälte, weil er einen wollte, der ihn ins Gefängnis bringt statt ihn davor zu bewahren! Komplett absurd. Jetzt ist er auch für "Autocalunnia", also die angeblich falsche Selbstbezichtigung, angeklagt.

Irgendwann war ihnen Sabrina nicht genug und aus welchen Gründen auch immer sperrten sie im Mai 2011 auch ihre Mutter, Micheles Frau Cosima Serrano, ein. Allein die Umstände ihrer Verhaftung waren skandalös: Ort und Zeitpunkt waren soweit veröffentlicht, dass sie unter großer Medienteilnahme mit einem aufgebrachten und spuckenden Pöbel festgenommen wurde. So eine Behandlung verdienten nicht einmal wirkliche Kriminelle wie Provenzano oder Riina.

Während der Verhandlungen gab es eine ausreichende Anzahl an entlastenden Zeugenaussagen. Praktisch alle Zeugen der Verteidigung wurden in der Folge wegen Falschaussage angeklagt! Skandalös!

Das italienische Gesetz schreibt vor, dass Urteilsbegründungen innerhalb von 90 Tagen auszufertigen sind: Beim ersten Verfahren brauchten die Richter 11 Monate, beim zweiten 13 Monate!!

Das italienische Gesetz limitiert die Untersuchungshaft mit 6 (!!!) Jahren. Das allein schon ist für einen entwickelten Rechtsstaat unwürdig! Sabrina hätte also im Oktober 2016 freikommen müssen. Aber nein, irgendeine Ausnahme ist immer zur Hand und so konnte man die Untersuchungshaft weiter erstrecken.


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Amanda Knox

21.02.2017 um 16:48
@SCMP77
Leider, viele Italiener sind mit dem Urteil zufrieden und es fällt ihnen daher gar nicht auf, unter welchen Umständen sie leben. Sie beklagen sich vor allem über die Länge des Verfahrens, weniger über das Ergebnis.


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Amanda Knox

21.02.2017 um 17:44
@euroneighbour
Zitat von euroneighboureuroneighbour schrieb:Leider, viele Italiener sind mit dem Urteil zufrieden und es fällt ihnen daher gar nicht auf, unter welchen Umständen sie leben. Sie beklagen sich vor allem über die Länge des Verfahrens, weniger über das Ergebnis.
Den Eindruck, den ich aus dem Meredith-Kercher Fall gewonnen habe, ist der, daß sich die meisten Italiener nicht mit ihrer Justiz anlegen wollen und sie daher nicht offen zu kritisieren wagen, auch in Fällen, da Kritik offensichtlich mehr als berechtigt wäre. Das weitet sich leider auch auf die Medien aus, die häufig genug mit sinnlosen Verleumdungsklagen in Schach gehalten werden. Das Prinzip heißt hier wegducken und hoffen, daß man nie versehentlich ins Fadenkreuz gerät.

Richter scheinen mir zum großen Teil inkompetent und nicht einmal elementarer Rechtsgrundsätze verpflichtet. Massei mit seiner permanenten Auslegung zu Ungunsten der Angeklagten ("es ist möglich, und daher wahrscheinlich"), oder Nencini mit seiner Farce von Prozess. Pflichtschuldigst die letztlich von Chieffi angeordneten Verurteilung aussprechen, ohne irgendwelche neuen Schuldbeweise gesehen zu haben.

Ich nehme auch Hellmann und Zanetti nicht aus, die zwar aus eigener Erkenntnis das richtige getan haben, nämlich einen Freispruch in der Mordsache zu verkünden, offensichtlich aber zur Besänftigung der Staatsanwaltschaft denen einen Trostpreis gewähren, die Verurteilung in Sachen Lumumba. Diese war unlogisch, damit war das Gesamturteil angreifbar, was prompt von Chieffi genutzt wurde.

Und bei Marasca/Bruno bin ich mir immer noch nicht sicher. Sie haben zwar das richtige getan, die Verurteilungen aufgehoben, ob es aber aus den richtigen Gründen war (offensichtliche Unschuld), bleibt unklar. Das ganze war eher Schadensbegrenzung für die Justiz an sich. Zu sehr versuchen sie in ihrer Urteilsbegründung, Gerichte und Staatsanwälte von jeglicher Verantwortung für die sinnlose Strafverfolgung zweier offensichtlicher Unschuldiger freizusprechen.

@Siegessicher
Zitat von SiegessicherSiegessicher schrieb:und @euroneighbour , wieso willst du wissen, dass sie harmlos sind? Du hast so gut wie keine Ahnung von dem Fall, also Ball flach halten
Das ist zu peinlich. @euroneighbour hat sich erkennbar mit dem Fall Sarah Scazzi befasst und beherrscht auch Italienisch, wie mir scheint, so daß er den Inhalt aktueller Berichte zumindest versteht. Du dagegen willst ihm Kenntnisse über den Fall absprechen und zitierst deinerseits einen über sechs Jahre alten Artikel.

Und wozu? Um als Ehrenretter der italienischen Justiz gegenüber angeblich ungerechtfertigter Kritik aufzutreten, oder was?


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Amanda Knox

21.02.2017 um 19:10
@Quiron
Ich persönlich glaube, dass der Freispruch im Kercher-Fall nur daher kam, da ein Schuldspruch zu stärkeren Auseinandersetzungen mit den USA geführt hätte.

Frau Knox hätte gute Karten gehabt, dass dem Auslieferungsantrag von Italien nicht stattgegeben worden wäre. Auch war klar, dass Frau Knox und dann sicherlich auch Herr Sollecito vor den EGMR gezogen wäre.

Diese dann sehr zeitnahe Auseinandersetzung mit den USA hätte weiter dazu geführt, dass Italien vor aller Welt vorgeführt worden wäre. So hat man das Verfahren beendet - aber natürlich so, dass möglichst viel Dreck an den Angeklagten hängen bleibt. Bzgl. der Verleumdung hat der oberste Gerichtshof dabei auch schon angekündigt, dass sie sich an ein EGMR-Urteil nicht halten werden bzw. alles tun werden das Verleumdungsurteil aufrecht zu erhalten.

An diesem Punkt wird es auch nicht zu einer Auseinandersetzung mit den USA kommen, da ein Auslieferungsantrag hier nicht mehr gestellt werden kann, weil die Strafe schon verbüßt ist, daher hat der oberste Gerichtshof fast freies Spiel.

Sicherlich gibt es den EGMR, aber durch seine extrem langen Verfahrensdauern ist deren Schutz in keiner Weise effektiv. Um einen effektiven Rechtsschutz erbringen können, müsste der EGMR deutlich besser ausgestattet sein, aber das ist von den beteiligten Ländern nicht gewollt.

Ich glaube, wenn Frau Knox bzgl. der Verleumdungsanklage nicht klein beigeben wird, wird der Fall in 20 Jahren noch nicht abgeschlossen sein. Das sind extremste psychische Belastungen  und Italien wird da sicherlich am längeren Hebel sitzen. Das Problem ist eben, dass der EGMR nicht die Befugnis hat, ein Verfahren insgesamt zu beenden. Das ist aus meiner Sicht ein konzeptioneller Fehler dieser Einrichtung.

Aber vielleicht greift ja in einem solchen Fall zu Gunsten von Frau Knox die Verjährung, daher an die Italien-Kenner, wie lang ist die für Verleumdung? Schließlich schein es da andere Regeln zu geben, dass die Verjährung nicht unbedingt durch laufende Verfahren gehemmt wird. Kennt sich da jemand aus?

Der inzwischen rechtkräftige Freispruch vom Januar letzen Jahres lässt auch nicht hoffen. Ein Schuldspruch hätte hier ebenfalls zu einem Auslieferungsverfahren geführt, ich vermute, dass das mit eine Überlegung war, hier mal ausnahmsweise Recht zu sprechen-

Die Verweigerung der Entschädigung von Herrn Sollecito ist wieder auf der üblichen Linie und war - im Nachhinein – auch nichts Besonderes. Herr Sollecito wird vermutlich als Nestbeschmutzer angesehen.  Eine Rechtsstaat sollte aber über solchen Dingen stehen, aber der Fall Kercher und vermutlich das heute abgeschlossene Verfahren zeigt, dass Italien nicht zu diesen gehört.


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Amanda Knox

21.02.2017 um 20:21
@SCMP77
Amanda Knox hat "in Italien" keine Verfahren im Laufen, alle Entscheidungen sind rechtskräftig. Freispruch bei der Mordanklage, Freispruch bei der angeblichen Verleumdung der Polizei und Verurteilung zu drei Jahren Haft wegen Falschbeschuldigung von Patrick Lumumba. (Übrigens möchte ich wissen, ob in Italien überhaupt welche bzw. wieviele wegen "Calunnia" eine Strafe abgesessen haben, Strafen unter drei Jahren werden normalerweise nicht mit Arrest verhängt, daher wäre es für so was gesetzt den Fall wahrscheinlich nie zu einem Auslieferungsverfahren gekommen).

Ihr anhängiges Verfahren hat sie nicht mehr in Italien, sondern in Straßburg vor dem EGMR, um eben das Lumumba-Urteil als menschenrechtswidrig anerkennen zu lassen. Sie zitierte §3 - Verbot von Folter, das schließt herabwürdigende Behandlung mit ein, §6 - unfaires Verfahren, weil kein Anwalt und kein ordentlicher Übersetzer beim Verhör anwesend waren, sowie §8 - Verletzung der Privatsphäre, weil ihr Tagebuch mit den HIV-Unterstellungen an die Öffentlichkeit gelangte. Und die erste Hürde wurde genommen, ihr Fall wird gehört werden und wurde mit Italien "kommuniziert". Dabei ist die Rechtskraft im letzten Verfahren der Polizei gegen sie natürlich äußerst hilfreich! Denn irgendwie haben die Richter von diesem Verfahren Wind bekommen und stellten unter anderem die Frage, ob das damals recht frische Urteil in Rechtskraft erwächst.

http://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-163098


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Amanda Knox

21.02.2017 um 21:30
@SCMP77
Zitat von SCMP77SCMP77 schrieb:Bzgl. der Verleumdung hat der oberste Gerichtshof dabei auch schon angekündigt, dass sie sich an ein EGMR-Urteil nicht halten werden bzw. alles tun werden das Verleumdungsurteil aufrecht zu erhalten.
Das ist doch wohl wie das Pfeifen im Walde. Sie können doch nicht ernsthaft annehmen, sie würden damit den EGMR beeindrucken. Wenn der zu Gunsten von Amanda Knox urteilt und Verstöße gegen die Paragraphen 3, 6 und/oder 8 festsstellt, wird Italien kaum darum herumkommen, die Sache neu zu verhandeln. Andernfalls würden sie vor aller Welt als bewusste Menschenrechtsverletzer dastehen.
 
In einem neuen Verfahren haben sie gegen Frau Knox nicht mehr vorzubringen als bisher, ganz im Gegenteil nach dem Boninsegna-Urteil. Oder glaubt im Ernst jemand, plötzlich würden die Mitschnitte des illegalen Verhörs auftauchen, die die Version der Polizei bestätigen?


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Amanda Knox

21.02.2017 um 21:58
Zitat von QuironQuiron schrieb:Das ist doch wohl wie das Pfeifen im Walde. Sie können doch nicht ernsthaft annehmen, sie würden damit den EGMR beeindrucken. Wenn der zu Gunsten von Amanda Knox urteilt und Verstöße gegen die Paragraphen 3, 6 und/oder 8 festsstellt, wird Italien kaum darum herumkommen, die Sache neu zu verhandeln. Andernfalls würden sie vor aller Welt als bewusste Menschenrechtsverletzer dastehen.
Klar wird sie neu verhandelt, nur mit welchem Ergebnis? Ich schätze, das, welches der oberste Gerichtshof schon angekündigt hat, da wird dann ein Gericht ganz versehentlich wieder mal als "Anweisung" missverstehen. Wir wissen doch an Chieffi/Nencini/Massei und nun das jüngste Urteil bzgl. der Entschädigungszahlung Sollecitos zeigt uns doch, wie es dort läuft.

Das da nun plötzlich anders laufen wird, glaube ich nicht.


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Amanda Knox

22.02.2017 um 14:30
@SCMP77

Ich persönlich glaube, dass der Freispruch im Kercher-Fall nur daher kam, da ein Schuldspruch zu stärkeren Auseinandersetzungen mit den USA geführt hätte.


Ich sehe es anders. Ich vermute stark, dass das Marasca Urteil aus echter Empörung kam, sonst hätte das Gericht die Sache auch mit einem Freispruch nur zweiter Klasse beenden können, zudem scheinen mir die im entsprechenden Urteil, respektive dessen Begründung, enthaltenen Rügen für italienische Verhältnisse doch sehr scharf und deutlich.
Was das EGMR - Verfahren betrifft, befürchte ich mittlerweile auch, dass es sich über ein erstes Urteil hinaus ziehen kann - es hängt aber auch davon ab wie scharf das Gericht rügt und wie explizit die Verstöße festgestellt werden. Wenn es Wellen schlägt, wenn Öffentlichkeit hergestellt ist, muss der oberste Gerichtshof handeln - sonst verliert man auch den Rest Gesicht der noch übrig ist. Vermutlich eh nur noch ne Wimper.


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Amanda Knox

22.02.2017 um 16:26
@stefanclimbr15
Leider war der Freispruch nur zweiter Klasse, wobei es schon die Arbeit der Ermittler extremst gerügt hat und hatte behauptet, dass - hätten diese ausreichend sorgfältig gearbeitet hätten - die Schuld oder auch Unschuld hätte erwiesen werden können.

Trotzdem hätte das Gericht das Verfahren eigentlich nochmal zurückverweisen müssen, den es sagte auch an anderer Stelle, dass für die Feststellung der Unschuld die niederen Gerichte zuständig wären. Sicherlich gab es einen Antrag von Herrn Sollecito, der darauf hinaus lief, dass das Verfahren mittlerweile lange genug gedauert hätte und man wohl auch mit einem Freispruch nur 2. Klasse einverstanden gewesen wäre. Man war - verständlicherweise - der Prozesse müde geworden, weil dieses ständige hoffen/entäuscht werden, in Wirklichkeit psychische Folter darstellt. Da ist man zum Schluss auch nur mit einem Freispruch zweiter Klasse zufrieden.

Ja ich gebe Dir recht, rein theoretisch hätte der EGMR schon etwas mehr Einfluss, wenn er sich etwas mehr mit diesem Verfahren auseinander setzen würde und schon gewisse Dinge vorweg nimmt. Ich hoffe, dass Frau Knox iher Beschwerde auch mit dem Marasca-Bruno-Urteil ergänzt hat. Die Beschwerde kann man wohl beim EGMR bis kurz vor der Verhandlung noch ergänzen. Eigentlich müsste das eigentlich die Richter des EGMR schon verärgern, wenn man so etwas liest. Denn der oberste Gerichtshof behauptet da etwas, was noch überhaupt nicht von einem Tatsachengericht festgestellt wurde, den Parteien wurde zu diesem Thema nir rechtliches Gehör gewährt. Eigentlich darf dann so etwas erst gar nicht im Urteil auftauchen, weil - das zu behaupten - vollkommen die Grundlage fehlt.

Es ist eben die Frage, ob der EGMR die Herausforderung des obersten Gerichthofs annimmt und hier etwas deutlicher wird. Das Problem ist aber, dass der EGMR auch nie ganz losgelöst ist. Die EMRK kann von einem Land aufgekündigt werden, was in England schon angedroht wurde. Leider ist auch dieses Feld nicht ganz frei von Politik und damit wird es ein Land nie zu sehr vorführen.


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Amanda Knox

23.02.2017 um 11:13
@SCMP77

Ich stimme dir in vielem zu, besonders in der Analyse des Verhaltens des Obersten Berufungsgerichts. 

Aber, obschon ich kein Jurist bin, doch der Hinweis: Rein juristisch war der endgültige Freispruch 2015 durchaus, soweit es den Mordvorwurf betraf, ein Freispruch erster Klasse. Im Italienischen Rechtssystem kann ein Gericht einen Freispruch aus sieben verschiedenen Begründungen fällen. 

Das Urteil kann demnach nicht schuldig lauten weil: 

l'imputato non lo ha commesso;  (der Angeklagte die Tat nicht begangen hat) 
il fatto non sussiste; (Mangel an Beweisen) 
il fatto non costituisce reato; e   (Die Tat nicht vollendet wurde) 
il fatto non è previsto dalla legge come reato. (die Tat nach dem Gesetz kein Verbrechen darstellt) 
difetta l'imputabilità e la punibilità dell'imputato:  (Die Tat nicht strafbar oder der Angeklagte rechtlich nicht schuldfähig ist) 
il reato è stato commesso da persona non imputabile; (Die Tat von einer Person begangen wurde, die nicht verantwortlich ist) 
il reato è stato commesso da persona non punibile. (Die Tat von einer Person begangen wurde, die nicht strafmündig ist) 

(Ich hoffe ich hab das einigermaßen richtig übersetzt)

Der Freispruch wegen des Kercher-Mordes erging wegen  l'imputato non lo ha commesso  so ist es auch auf der letzten Seite des Urteils nachzulesen. Ein stärkere formaljuristische Feststellung von Unschuld kennt das italienische Rechtssystem gar nicht. Man mag sich mit Recht wünschen, dass in diesem Verdikt auch das Calunnia –Urteil mitaufgehoben worden, und die tatsächliche Unschuld noch schärfer herausgestellt worden und nicht so mäandernd argumentiert worden wäre, aber vom rechtlichen Ergebnis her war es das Maximum.
 
Wichtig vor allem deswegen, weil ja von schlecht informierter, Vogt-isierter oder einfach Guilter-Seite häufig die Falsch-Behauptung auftaucht, der Freispruch sei wegen einer Technikalität oder „Mangel an Beweisen“ erfolgt. Wir, die wir die Tatsachen besser kennen, sollten daher vermeiden unabsichtlich solchen Irrmeinungen eine scheinbare Legitimation zu geben.


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Amanda Knox

23.02.2017 um 23:07
@stefanclimbr15 @SCMP77 @Quiron @euroneighbour

Ich denke die ganze Diskussion um den "Freispruch 2. Klasse" ist so verwirrend, weil wir auf der einen Seite die Bestimmungen des http://www.leggeonline.info/leggi/procedurapenale/art530/sentenza_di_assoluzione/ (Codice Procedura Penale kurz CPP) zu den Begründungen für einen Freispruch haben, es auf der anderen Seite die Richter aber nur eine begrenzte Anzahl an vorgegebenen "Formulierungen" für ihren Urteilsspruch zur Verfügung haben. Die "starken" Freisprüche aus Absatz 1 des Art. 530:
Se il fatto non sussiste, se l'imputato non lo ha commesso, se il fatto non costituisce reato o non è previsto dalla legge come reato ovvero se il reato è stato commesso da persona non imputabile o non punibile per un'altra ragione,
werden so auch im Urteilsspruch genannt. So geschehen im Hellmann Urteil. Die beiden Angeklagten wurden im Anklagepunkt des "gestellten Einbruchs" für "nicht schuldig" befunden, weil "il fatto non sussiste" d.h. das "Verbrechen an sich" nicht existiert, der Einbruch als solcher nach Auffassung des Gerichts also ein echter Einbruch war. Dies wurde im entgültigen Urteilsspruch des fünften Senats in 2015 zu "per non aver commesso il fatto" aufgeweicht, der Einbruch war nach Auffassung der Richter zwar gestellt, die Angeklagten haben ihn aber nicht begangen.

Das Problem hier ist, dass in der Urteilsverkündung die "Formel": "per non aver commesso il fatto" (weil sie die Tat nicht begangen haben) sowohl für die "starken" Freisprüche aus Absatz 1, z.B. wegen "erwiesener Unschuld", als auch für die vermeintlich "schwächeren" Freisprüche aus Absatz 2":
è insufficiente o è contraddittoria la prova che il fatto sussiste, che l'imputato lo ha commesso, che il fatto costituisce reato o che il reato è stato commesso da persona imputabile.
in diesem Fall "aus Mangel an Beweisen" verwendet wird.

Ein Unterschied wird nur gemacht, wenn "das Verbrechen nicht existiert", "kein Verbrechen ist" oder der Angeklagte aus anderen Gründen nicht zur Verantwortung gezogen werden kann (Schuldunfähigkeit, Notwehr usw...).
Interessanterweise scheint es selbst in Italien Journalisten zu geben, die dies noch nicht verstanden haben.

Wenn man sich die Fälle Scazzi/Misseri und auch Stasi im Vergleich ansieht, haben Knox und vor allem Sollecito wohl Glück gehabt, dass die Richter des 5. Senats wohl glaubten, dass sie Knox nicht habhaft werden könnten, die USA sie also auch im Falle eines rechtskräftigen Urteils nicht ausliefern würden.
Obwohl der Vertrag eine eindeutige Sprache spricht: Im Fall einer rechtskräftigen Verurteilung hat der ausliefernde Staat keine Möglichkeit den Fall neu zu prüfen, das Urteil allein reicht als Grund für die Auslieferung (im Gegensatz zu Fällen, wo einem vermeintlichen Straftäter erst noch der Prozess gemacht werden soll).

Stasi wurde verurteilt, weil es den Richtern am Kassationhof offensichtlich aufgegangen ist, dass sie im Falle eines Freispruchs ohne Verurteilten, ja ohne einen Verdächtigen darstehen würden, und neue Ermittlungen den Kollegen von Polizei und Staatsanwaltschaft ja wohl nicht zuzumuten seien. Sabrina Misseri und ihre Mutter wurden unter anderem verurteilt, weil so ziemlich jeder Entlastungszeuge der Verteidigung, und wenn ich das richtig verstehe, selbst die Anwälte der Beiden, mittlerweile diverse Klagen wegen "Behinderung der Justiz" am Hals haben.

Interessant ist hier der Gegensatz zum Fall Knox. Hier werden die offensichtlichen Falschaussagen von z.B. Curatolo, Quintavalle und den Ohrenzeugen in Hellmanns Urteil als "menschliches Versagen" also "lässliche Fehler die keine Strafverfolgung nach sich ziehen" gedeutet und sogar Stefanonis offensichtliche Falschaussagen werden weggewischt und die "Nicht-Verwendbarkeit" ihrer Ergebnisse auf die Fehler der Fußsoldaten der Spurensicherung (nicht namentlich genannt) zurückgeführt, anstatt die sogenannten Zeugen ud ganz besonders Stefanoni für ihr Fehlverhalten zur Rechenschaft zu ziehen, oder zumindest aufzuklären, was in diesem Fall "schiefgelaufen" ist.

In diesem Fall wäre ein Verweis an die "Sezione Unite" wünschenswert gewesen, weil es hier ja hauptsächlich um die Grundsatzfrage geht, wo die "Einzelbewertung der Indizien nach http://www.leggeonline.info/leggi/procedurapenale/art192/valutazione_della_prova/" aufhört, und das Puzzle Spiel nach dem Grundsatz "quae singula non probant, simul unita probant” anzufangen hat.


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