@stefanclimbr15 @SCMP77 @Quiron @euroneighbour Ich denke die ganze Diskussion um den "Freispruch 2. Klasse" ist so verwirrend, weil wir auf der einen Seite die Bestimmungen des
http://www.leggeonline.info/leggi/procedurapenale/art530/sentenza_di_assoluzione/ (Codice Procedura Penale kurz CPP) zu den Begründungen für einen Freispruch haben, es auf der anderen Seite die Richter aber nur eine begrenzte Anzahl an vorgegebenen "Formulierungen" für ihren Urteilsspruch zur Verfügung haben. Die "starken" Freisprüche aus Absatz 1 des Art. 530:
Se il fatto non sussiste, se l'imputato non lo ha commesso, se il fatto non costituisce reato o non è previsto dalla legge come reato ovvero se il reato è stato commesso da persona non imputabile o non punibile per un'altra ragione,
werden so auch im Urteilsspruch genannt. So geschehen im Hellmann Urteil. Die beiden Angeklagten wurden im Anklagepunkt des "gestellten Einbruchs" für "nicht schuldig" befunden, weil "il fatto non sussiste" d.h. das "Verbrechen an sich" nicht existiert, der Einbruch als solcher nach Auffassung des Gerichts also ein echter Einbruch war. Dies wurde im entgültigen Urteilsspruch des fünften Senats in 2015 zu "per non aver commesso il fatto" aufgeweicht, der Einbruch war nach Auffassung der Richter zwar gestellt, die Angeklagten haben ihn aber nicht begangen.
Das Problem hier ist, dass in der Urteilsverkündung die "Formel": "per non aver commesso il fatto" (weil sie die Tat nicht begangen haben) sowohl für die "starken" Freisprüche aus Absatz 1, z.B. wegen "erwiesener Unschuld", als auch für die vermeintlich "schwächeren" Freisprüche aus Absatz 2":
è insufficiente o è contraddittoria la prova che il fatto sussiste, che l'imputato lo ha commesso, che il fatto costituisce reato o che il reato è stato commesso da persona imputabile.
in diesem Fall "aus Mangel an Beweisen" verwendet wird.
Ein Unterschied wird nur gemacht, wenn "das Verbrechen nicht existiert", "kein Verbrechen ist" oder der Angeklagte aus anderen Gründen nicht zur Verantwortung gezogen werden kann (Schuldunfähigkeit, Notwehr usw...).
Interessanterweise scheint es selbst in Italien Journalisten zu geben, die dies noch nicht verstanden haben.
Wenn man sich die Fälle Scazzi/Misseri und auch Stasi im Vergleich ansieht, haben Knox und vor allem Sollecito wohl Glück gehabt, dass die Richter des 5. Senats wohl glaubten, dass sie Knox nicht habhaft werden könnten, die USA sie also auch im Falle eines rechtskräftigen Urteils nicht ausliefern würden.
Obwohl der Vertrag eine eindeutige Sprache spricht: Im Fall einer rechtskräftigen Verurteilung hat der ausliefernde Staat keine Möglichkeit den Fall neu zu prüfen, das Urteil allein reicht als Grund für die Auslieferung (im Gegensatz zu Fällen, wo einem vermeintlichen Straftäter erst noch der Prozess gemacht werden soll).
Stasi wurde verurteilt, weil es den Richtern am Kassationhof offensichtlich aufgegangen ist, dass sie im Falle eines Freispruchs ohne Verurteilten, ja ohne einen Verdächtigen darstehen würden, und neue Ermittlungen den Kollegen von Polizei und Staatsanwaltschaft ja wohl nicht zuzumuten seien. Sabrina Misseri und ihre Mutter wurden unter anderem verurteilt, weil so ziemlich jeder Entlastungszeuge der Verteidigung, und wenn ich das richtig verstehe, selbst die Anwälte der Beiden, mittlerweile diverse Klagen wegen "Behinderung der Justiz" am Hals haben.
Interessant ist hier der Gegensatz zum Fall Knox. Hier werden die offensichtlichen Falschaussagen von z.B. Curatolo, Quintavalle und den Ohrenzeugen in Hellmanns Urteil als "menschliches Versagen" also "lässliche Fehler die keine Strafverfolgung nach sich ziehen" gedeutet und sogar Stefanonis offensichtliche Falschaussagen werden weggewischt und die "Nicht-Verwendbarkeit" ihrer Ergebnisse auf die Fehler der Fußsoldaten der Spurensicherung (nicht namentlich genannt) zurückgeführt, anstatt die sogenannten Zeugen ud ganz besonders Stefanoni für ihr Fehlverhalten zur Rechenschaft zu ziehen, oder zumindest aufzuklären, was in diesem Fall "schiefgelaufen" ist.
In diesem Fall wäre ein Verweis an die "Sezione Unite" wünschenswert gewesen, weil es hier ja hauptsächlich um die Grundsatzfrage geht, wo die "Einzelbewertung der Indizien nach
http://www.leggeonline.info/leggi/procedurapenale/art192/valutazione_della_prova/" aufhört, und das Puzzle Spiel nach dem Grundsatz "quae singula non probant, simul unita probant” anzufangen hat.