http://www.echo-online.de/region/suedhessen/Prozess-im-Torso-Fall-eroeffnet-Der-Angeklagte-schweigt;art24719,4081457 (Archiv-Version vom 06.07.2013)Prozess im „Torso-Fall“ eröffnet: Der Angeklagte schweigt
Justiz – Prozess gegen 56 Jahre alten Mann aus Büttelborn wegen Totschlags vor dem Landgericht DarmstadtSÜDHESSEN.
Dem 56 Jahre alten Büttelborner wird vorgeworfen, im September 2012 seinen 48 Jahre alten Mitbewohner umgebracht und anschließend Kopf und Beine des Leichnams abgetrennt zu haben. Den Torso soll er in die Nähe der Burg Frankenstein bei Mühltal im Landkreis Darmstadt-Dieburg gebracht und mit Benzin in Brand gesteckt haben. Kopf und Beine der Leiche fehlen bis heute.
Auch am ersten Verhandlungstag blieb der Angeklagte stumm. Er verneinte die Frage zu Beginn, ob er Angaben machen wolle. Zehn Zeugen wurden im Verlauf des Sitzungstages gehört, darunter der Polizist, der die Ermittlungen in dem Fall geleitet hatte, die Vermieterin des Angeklagten und des Opfers sowie ein Fahrlehrer und seine Schülerin, die am Tattag ein Feuer am Frankenstein gesehen haben wollen.
Aus mehren Zeugenaussagen ging indes hervor, dass der Angeklagte und der Tote nicht nur Mitbewohner waren, sondern eine sexuelle Beziehung gepflegt hatten.
Ein Freund schützt den Angeklagten
Ein Freund des Angeklagten äußerte sich im Zeugenstand zudem widersprüchlich. Zunächst verneinte er zum Beispiel auf mehrmalige Nachfrage, telefonisch mit dem Angeklagten unter anderem über einen bestimmten Überweisungsträger gesprochen zu haben. Anschließend wurde er mit Aufnahmen aus einer Abhöraktion des Telefons des heutigen Angeklagten konfrontiert, die das Gegenteil beweisen. Daraufhin verstummte der Zeuge. Für Staatsanwalt Sebastian Zwiebel spricht dieses Verhalten für die Täterschaft des Angeklagten: „Es war offensichtlich, dass der Zeuge für ihn gelogen hat.“
Der weitere Verlauf der Verhandlung, für die sieben Sitzungstage in den kommenden zwei Wochen angesetzt sind, hängt laut Staatsanwalt Zwiebel maßgeblich davon ab, ob sich der Angeklagte doch noch äußert und, „wenn ja, was er sagt“. Die vorerst letzte Sitzung ist am 18. Juli. „Der Prozess könnte aber verlängert werden“, meint Zwiebel, „denn noch ist alles offen“.
Zum Verbleib von Kopf und Beinen des Toten gibt es nach wie vor keine Hinweise, weshalb derzeit nicht ermittelt wird.
Den verbrannten Torso des Opfers hatten Spaziergänger am Abend des 13. September vergangenen Jahres am Fuß der Burg Frankenstein bei Mühltal gefunden. Den Pilzsammlern war ein seltsam verpackter Gegenstand an dem Waldweg aufgefallen. Die Polizei entdeckte daraufhin den menschlichen Torso, der dort schon vor einiger Zeit abgelegt worden war. Nur wenige Meter von einer schmalen Straße entfernt, am Rande eines Forstwegs, lag der verpackte Leichnam.
Tätowierungen klären Identität des Opfers auf
Auf der Suche nach der Identität des Verstorbenen tappten die Ermittler zunächst im Dunkeln. Sicher war anfangs lediglich, dass es sich bei der Leiche um einen Mann handelte. Auffällige Tätowierungen auf Armen, Brust und Rücken halfen, den Toten gut drei Wochen nach dem Fund zu identifizieren.
Ein Hinweis aus der Bevölkerung hatte die Ermittler darauf gebracht, dass es sich bei ihm um den 48 Jahre alten Südhessen handelte, der zuletzt im Büttelborner Ortsteil Klein-Gerau (Kreis Groß-Gerau) gewohnt hat. Fingerabdrücke und Gentests hatten die Identität bestätigt.
Der 56 Jahre alte frühere Mitbewohner des Opfers geriet ins Visier der Ermittler, weil er widersprüchliche Aussagen machte, beteuerte aber, nichts mit der Tat zu tun zu haben. Nach umfangreichen Auswertungen der am Fundort gesicherten DNS-Spuren durch das Landeskriminalamt Wiesbaden führte die Spur knapp vier Monate nach der Tat jedoch erneut zu dem Angeklagten. Er wurde am 10. Januar in seiner Büttelborner Wohnung festgenommen und sitzt seitdem in Untersuchungshaft.
„Dem Angeklagten droht eine Freiheitsstrafe zwischen fünf und 15 Jahren“, sagt der stellvertretende Sprecher der Staatsanwaltschaft, Noah Krüger. In besonders schweren Fällen sehe der Gesetzgeber eine lebenslange Strafe vor, dafür spreche aber derzeit nichts.
Die Anklage laute auf Totschlag und nicht auf Mord, weil man so gut wie nichts über den Tathergang wisse. Der Angeklagte habe sich seit seiner Festnahme mit keinem Wort zur Tat geäußert.
Keine Rückschlüsse auf Tathergang
Zudem sei der gefundene Körper vollständig verbrannt gewesen und lasse deshalb keine Rückschlüsse auf den Ablauf des Verbrechens zu. Lediglich der Tatzeitraum habe dank der Obduktion etwas eingegrenzt werden können. Auch über den Anlass des Delikts ließe sich nur spekulieren.
„In diesem Fall greift der juristische Grundsatz, dass im Zweifel für den Angeklagten entschieden wird“, erläutert Staatsanwalt Krüger. Weil es keine Indizien für Mord gebe, habe die Staatsanwaltschaft „die mildere Variante Totschlag“ gewählt.