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7.169 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Bücher, Lesen, Literatur ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

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25.02.2024 um 10:25
Der Geisterzug (Wastl 45)

was45

Ein Band, der wieder auf Action und weniger auf Realität abzielt. Die Goldmasken haben nach einer Spendenaktion für einen Staudamm in Brasilien Unmengen an Münzen in ihrer Burg, die per Rakete und Eisenbahn an den Baustellenort transportiert werden sollen. Es sind so viele, dass sie die Tür des Zimmers, in dem sie gelagert werden, durchbrechen, sich als Münzflut über die Teppen der Burg ergießen und die Goldmasken darin schwimmen (Reminiszenz an den Geldspeicher von Dagobert Duck?).

Die Rakete fliegt nach Buenos Aires, das Geld wird von einer Räuberbande abgefangen und mit einem ferngelenkten Geisterzug, der keine Schienen benötigt, in Richtung Hauptquartier gesteuert. Wastl muss eingreifen und nach viel Action gelingt es, das Geld zu retten und an seinen Bestimmungsort zu bringen. Die Räuberbande wird von der Polizei verhaftet.

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25.02.2024 um 11:59
@parabol

Ich meinte dieses Buch der Gifte


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26.02.2024 um 22:47
Zitat von thunderhawkthunderhawk schrieb:Ich meinte dieses Buch der Gifte
"Spektrum - Die Geheimnisvolle Welt der Gifte" ist eine Zeitschrift, gibts auf Amazon
Die geheminisvolle Welt der Gifte: Wie sie uns schaden - und wann sie lebenswichtig sind (Spektrum Highlights: Unsere besten Themenhefte im Nachdruck) Broschiert



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27.02.2024 um 23:16
Alexander Puschkin - Die Hauptmannstochter

Puschkin-Hauptmannstochter

Dies ist eines der letzten Werke Puschkins aus 1836 und spielt zur Zeit des Pugatschow-Aufstands 1773/74. Pjotr Grinew, ein junger Adeliger (der Vater hat 300 Leibeigene), wird in den Militärdienst eingezogen und sein Vater lässt ihn nicht nach Petersburg, sondern zu einem alten Kameraden in den Raum Orenburg. Dort wird er in einer Festung stationiert. Auf dem Weg dorthin verirrt sein Kutschentross sich in einem Schneesturm und ein Landstreicher führt sie zu einem Landgasthaus. Pjotr beschenkt ihn für diese Hilfe reichlich und es stellt sich schließlich heraus, dass der Landstreicher der Kosaken-Ataman Pugatschow war, der gemeinsam mit Baschkiren einen Aufstand gegen die Zarenherrschaft anführt.

In der Festung verliebt sich Pjotr in die Tochter des Hauptmanns (Marja), die gleichzeitig von einem aggressiven Offizier Schwabrin begehrt wird. Als die Festung von Pugatschow eingenommen wird, lässt Pugatschow Pjotr in Erinnerung an das Geschenk nach Orenburg zu den zaristischen Truppen ziehen, Schwabrin übernimmt das Kommando und hält Marja gefangen.

Mit einem Reitertrupp will Pjotr Marja befreien, was auch mit der Gnade von Pugatschow gelingt. Marja zieht zu seinen Eltern nach Südrussland, Pjotr wird wegen Hochverrat als möglicher Verbündeter Pugatschows angeklagt und eingesperrt. Marja gelingt es in Petersburg, die Begnadigung von Katharina II. zu erlangen, nachdem sie die Geschichte erzählt hat, dass Pjotr einzig sie befreien wollte. Zusätzlich schenkt die Zarin Marja ein Vermögen. So können die beiden heiraten und sich eine Existenz aufbauen.

Letztlich eine ziemlich verkitschte Geschichte.

Nicht Adelige oder Offiziere existieren nur als Hintergrundgeräusche (es muss ja auch eine Menge Soldaten gekämpft haben), einmal wird das von Pugatschows Truppen niedergebrannte Kasan beschrieben. Baschkiren und Kirgisen werden als "halbwilde Stämme" beschrieben, die "in Gehorsam zu halten" seien.

Andererseits wendet sich Puschkin gegen Folter, die zwar abgeschafft sei, aber immer noch bei Verhören angewendet würde. Die Logik ist eigentlich bestechend:
wenn man das Leugnen des Beschuldigten nicht als Beweis seiner Unschuld gelten läßt, um wieviel weniger darf man dann sein Eingeständnis als Beweis seiner Schuld ansehen?
Und Mitgefühl lässt sich bei einem älteren Baschkiren erkennen, dem während des Aufstands von 1741 Nase, Ohren und Zunge abgeschnitten wurden.

In Kontrast lobt Puschkin bzw. der Erzähler, der die Geschichte im Jahr 1836 niederschreibt, die milde Herrschaft Zar Alexanders. Womit letztlich der Roman ein Loblied auf die legitimen Zaren und Zarinnen Russlands ist.


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28.02.2024 um 00:16
Thomas Bernhard - Die Kälte

Bernhard-Kaelte

Ein praktisch ohne Absatz geschriebener Monolog über Thomas Bernhards vermutlich schwierigstes Jahr, als er als 18-Jähriger wegen eines Schattens auf der Lunge in die Lungenheilstätte Grafenhof im Salzburger Land eingeliefert wird. Sehr akribisch beschreibt er die trostlose Situation der dem Tod Geweihten, die unzulängliche medizinische Versorgung der nicht privaten Patienten, die Aggressivität der Patienten und die distanzierte Kälte des medizinischen Personals.
Jeder Patient erhielt von der Kostbarkeit nur eine geringe Menge, die, wie ich später erfahren habe, nutz- und sinnlos gewesen war. Mehr Streptomyzin bekam nur der gespritzt, der es sich selbst aus der Schweiz oder aus Amerika kommen lassen konnte oder der eine gehörige Protektion bei den Ärzten, naturgemäß in erster Linie beim Direktor, dem allgewaltigen Primarius, hatte.
Zu Beginn wünscht sich Bernhard fast positiv zu sein, da er nicht dazugehört, aber immer mehr beginnt er zu beobachten und zu bewerten. Sein Schluss ist der Situation entsprechend, "daß es sich hier tatsächlich um Ausgestoßene, Ausgeschiedene handelte, Entrechtete, Entmündigte."

Nach neun Monaten wird er entlassen, da nie Tuberkolose bei ihm festgestellt werden konnte, jedoch bei der ersten Kontrolle in Salzburg wird eine offene Lungentuberkolose diagnostiziert. Und damit beginnt die Tortur. Ihm wird ein Pneumothorax gelegt (Luft zwischen Zwerchfell und Lunge eingebracht), doch bei einer Neufüllung (immer ohne Narkose), passiert ein Fehler, und nun muss ihm regelmäßig Luft in den Bauchraum eingebracht werden (das Bauchfell wird wieder ohne Narkose durchstochen). Auch wird ihm ein das Zwerchfell steuernder Nerv unterhalb des Schulterblatts lahmgelegt (auch ohne Narkose). Wild ist, als er beschreibt, wie ein junger Arzt in Grafenhof, wohin er wieder eingeliefert wurde, zum ersten Mal Luft in den Bauchraum pumpen muss und sich nicht traut, das Bauchfell in einem Zug zu durchstechen, was zu fürchterlichen Qualen führt.

Letztlich findet Bernhard wieder zu seiner geliebten Musik zurück und singt (illegalerweise) sogar im Kirchenchor des angrenzenden Ortes. Auch zur Literatur findet er wieder. Grafenhof verlässt er auf eigenen Entschluss (er dürfte wohl nicht mehr ansteckend gewesen sein) und geht zurück nach Salzburg, wo mittlerweile seine Mutter 46-jährig an Gebärmutterkrebs (anscheinend ein Jahr zu spät entdeckt) gestorben ist. Auch erfährt er, dass sein Großvater aufgrund einer Fehldiagnose verstorben ist (eine volle Blase wegen einer Blasenverstopfung wurde als Tumor diagnostiziert und dies hatte Nierenversagen mit Blutvergiftung zur Folge).

Als Kaufmannsgehilfe kann er aufgrund seiner Krankheitsgeschichte nicht mehr arbeiten, eine Sängerkarriere wird auch schwer in Angriff zu nehmen sein, auch fühlt er sich nicht mehr in der Lage, überhaupt ein abhängige Arbeitsstelle anzunehmen.
Von jeder Arbeit, von jeder Beschäftigung war ich zutiefst abgestoßen, es ekelte mich vor dem Stumpfsinn der Arbeitenden, der Beschäftigten, die ganze Widerwärtigkeit der Beschäftigten und Arbeitenden sah ich, ihre absolute Sinn- und Zwecklosigkeit.
Nur müsste er dann von der Fürsorgerente leben, aber diese ist extrem niedrig.

Noch immer muss regelmäßig sein Pneumoperitoneum (Luft im Bauchraum) gefüllt werden und einen Termin zögert er so lange raus, dass er während des Eingriffs eine Embolie erleidet und nur Dank der Reaktionsschnelle des Lungenarztes überlebt. Damit endet der Monolog.

Streckenweise ein ziemlich starker Tobak und eigentlich unvorstellbar, was dieser 18-Jährige zu erleiden hatte.


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01.03.2024 um 17:11
Broken Memory: Psychothriller

C. J. Cooke
2018 - 352 Seiten

Du weißt nicht, wer du bist.
Du weißt nicht, wer sie sind.
Aber sie kennen deinen Namen.
Raffiniert, abgründig, manipulativ - Intelligente psychologische Spannung aus der Feder der preisgekrönten irischen Autorin C.J.Cooke, die

Eine Frau erwacht am einsamen Strand einer Insel im Mittelmeer, verletzt und ohne jede Erinnerung. Zum Glück wird sie von vier Freunden, von Beruf Schriftsteller und Autoren, gefunden, die diese Insel als Rückzugsort gewählt haben, um sich in Einsamkeit und karger Abgeschiedenheit ganz dem Bücherschreiben und Schreibprozess widmen zu können. Sie wollen sich um die gestrandete Frau kümmern, bis sie ihr Trauma überwunden hat, ihre Erinnerung zurückgekehrt ist und es ihr gut genug geht, um die Insel zu verlassen. Doch irgendetwas stimmt nicht mit den zwei Männern und zwei Frauen, das kann ihr unfreiwilliger Gast, auch mit Gedächtnisverlust, fühlen: Jeder von ihnen scheint etwas zu verbergen - und: Was wissen sie wirklich über ihren Gast?
Zeitgleich sucht man in London verzweifelt nach einer jungen Mutter und Ehefrau, die am helllichten Tag spurlos verschwunden ist. Ohne Geld und Ausweis, ohne Koffer oder Auto, ohne Flugticket und ohne ihre Kinder. Sie ist spurlos verschwunden. Der Ehemann verzweifelt. Stück für Stück lassen die Ermittlungen die perfekte Fassade von Ehe- und Familienglück bröckeln ..

https://books.google.de/books/about/Broken_Memory.html?id=3EQ-DwAAQBAJ&source=kp_book_description&redir_esc=y

cj


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01.03.2024 um 22:00
Die Wasserpfeife (Wastl 46)

Wastl-46

Wieder ein skurriler Band. Auf einem gehenden Bett nähert sich ein "Türke", der blauen Rauch aus einer Wasserpfeife bläst, der Goldmaskenburg. Der blaue Rauch bringt Dinge und Pflanzen in seine Gewalt. Sein Ziel ist, die versklavten Dinge und Sachen zu befreien. Wastl schafft es nicht, ihn aufzuhalten, so bringt er die Goldmaskenburg in seine Gewalt, lässt das Präsidium auf Stühlen fliegen, legt Ricki, Wastl und Sidonie in Ketten und räumt den Tresor aus (die Geldscheine fliegen ihm entgegen). Selbst Wastl mit seinen Muskelkräften ist dieser Macht nicht gewachsen, schafft es aber, Professor Barabas zu informieren, der den blauen Rauch schließlich analysieren und ein Gegenmittel entwickeln kann, das mit Granaten in die Goldmaskenburg eingebracht wird. Die Dinge und Sachen sind nun wieder leblos, der "Türke" wird festgenommen und in eine "Heilanstalt", wohl ein Irrenhaus, gebracht.


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03.03.2024 um 14:02
Barbara Ellermeier - Hans Scholl

Ellermeier-HScholl

Die junge freie Historikerin Barbara Ellermeier veröffentlichte 2012 eine Biographie über Hans Scholl, den intellektuellen Kopf der Weißen Rose. Sie folgt in ihrem Buch akribisch den vorhandenen Aufzeichnungen und vor allem den Briefen von Hans Scholl. Einstieg ist der Prozess 1937, als Scholl wegen bündischer Betätigung und einem Devisenvergehen angeklagt war, da er mit einer Jugendgruppe nach Schweden und Lappland trampte, jedoch freigesprochen wurde. Wir lernen den resoluten HJ-Scharführer kennen, der sich als junger Erwachsener immer mehr von den NS-Ideologie befreite (noch 1938 hoffte Hans Scholl auf eine "Vergnügungsfahrt" ins annektierte Wien) und Halt in der Gedankenwelt des katholischen Existenzialismus im Umkreis von Carl Muth fand, welche Grundlage dafür wurde, die bekannten Flugblatt- und Graffitiaktionen in München durchzuführen. Lange wurde sich mit der Frage auseinandergesetzt, ob Tyrannenmord von einem christlichen Standpunkt aus gerechtfertigt ist. Für die Flugblatterstellung gewinnen Hans Scholl und Alexander Schmorell den Musikwissenschafter Kurt Huber.

Diese Herangehensweise schafft thematische Ungleichgewichte, welche die Lektüre zum Teil etwas langatmig gestalten. So werden über viele Seite Briefwechsel mit den verschiedensten Freundinnen wiedergegeben, während die ersten vier Flugblätter, die an Intellektuelle versendet wurden, nur auf einer Seite referiert werden.

Wendepunkt in Hans Scholls Leben war vermutlich die Immatrikulation an die Universität München, wo er Medizin studierte. Den Frankreichfeldzug musste er als Sanitätsoffizier mitmachen, von dort berichtet er über die vielen stinkenden Leichen französischer Soldaten in einem Fluss, dennoch fraternisierte er, fuhr ohne Genehmigung ins nahe Paris, kaufte ein, um Lebensmittel nach Ulm zu schicken, lernte Französisch, hatte einen französischen "Burschen" (Diener), schreibt über "Erdbeerbowle, Sekt, gebratene Hühner, Spanferkel, gebratene Enten, Weine und Schnäpse". Der Frankreichfeldzug als bewaffnete Touristenfahrt. Dennoch ist seine Arbeit im Lazarett in Versaille so belastend, dass er nicht mehr von einer "Läuterung" durch den Krieg berichtet, sondern über Elend, Überarbeitung, Erschöpfung, Wahnsinn. Doch was ist die andere Seite?
»Paris ist unglaublich vielseitig. Langeweile unmöglich.« Ins Rodin-Museum fährt er zum Fotografieren,
»eine einigermaßen dankbare Beschäftigung«, dann hört er Carmen in der Pariser Oper, besucht das Théâtre de la Madeleine.

Mindestens einmal pro Woche fährt Hans Scholl nach Paris. Das sei zwar verboten, »aber ich finde immer wieder ein Mauseloch«. Tennis, Schwimmen, Radiohören. Radeln durch die Parks von Versailles - seine Tage sind ausgefüllt, wenn auch nicht mit richtiger Arbeit.
Zurück in München studiert er ab 1941 in einer kasernierten Studentenkompanie, mietet sich jedoch bald Zimmer an, um dem Massenschlafsaal - ohne Erlaubnis - entkommen zu können. Seine Schwester Sophie ist zeitgleich zum Reichsarbeitsdienst nördlich des Bodensees eingezogen. In Kontakt zu der Ärzteschaft lernt er von der Euthansieaktion T4.
Sogar in den Mathematikbüchern stehen Schulaufgaben wie: »Der Bau einer Irrenanstalt erfordert 6 Millionen Reichsmark. Wieviele Siedlungshäuser zu je 15 000 Reichsmark hätte man dafür bauen können?« Und: »Nach vorsichtiger Schätzung sind in Deutschland 300 000 Geisteskranke, Epileptiker usw. in Anstaltspflege. Was kosten diese jährlich insgesamt bei einem Satz von RM 4, - ?«
Von einer Freundin, deren Mutter aus dem Elsass stammt, lernt Hans, dass auch die deutschsprachige elsässische Bevölkerung nicht in ihrer Gesamtheit die Vereinigung mit dem Deutschen Reich begrüßt:
Säuschwowa, Sauschwaben, werden die Deutschen dort genannt, weil sie zahlreiche Restriktionen vorgegeben haben, unter anderem dürfen die Elsässer keine Baskenmützen mehr tragen und kein Französisch sprechen.

In den abgelegenen Tälern des Elsass treffen sie [Hans Scholl und seine Freundin Rose] auf einheimische Bergbauern, die ihr ganzes Leben lang französisch gesprochen haben; nun sollen sie Deutsch lernen.
Immer mehr hält Hans Scholl den Krieg für nutzlos und beginnt, alles Militärische abzulehnen.

Nach dem Überfall auf die Sowjetunion machen bereits früh Gerüchte die Runde, dass Juden massenhaft ermordet werden. So berichtet ein Freund aus der Jugendzeit seiner Mutter Lina aus der Gegend von Riga:
Im lettischen Dünaburg hätten sie Juden umgebracht, vierzehn ewige Tage lang: »Die Erwachsenen männl. und weibl. wurden alle erschossen, die Kinder bekamen Spritzen. Die Juden (...] hätten geschrieen, bes. die jungen Mädchen.«
Dass von den 116 aus Ulm nach Riga verschleppten Juden nur vier überleben, davon scheinen sie keine Information zu haben. Dennoch hat der Vater eine Ahnung von dem, was sein könnte:
Dass dies für die jüdischen Mitbürger einen Abtransport in den Tod bedeutet, scheint dem Vater klar zu sein: »Im Osten haben sie, wie man sagt, keine Wohnung, keine Betten und kein Essen. Und das jetzt zu Beginn des grausigen russischen Winters! Wie lange dauert solcher Schrecken noch?«
Auch aus Österreich wird von Unmut gegen die Hetzjagd gegen Juden berichtet:
Die Euphorie hat sich nicht halten können: Bayerische Jugendliche, die fast zur selben Zeit wie die beiden Medizinstudenten in der ›Ostmark‹ unterwegs sind, berichten von Unzufriedenheit, von Resignation. Manch einem gehen die Reformen nicht weit genug, andere betonen, wie viel besser es ihnen vor dem ›Anschluss‹ und vor dem Krieg ging.
Unumwunden geben Einzelne zu, wie viel mehr sie verdienten, als sie noch für die Juden arbeiten durften.
Da Ende Januar 1942 während einer Versammlung der Studentenkompanie ein Vorgesetzter ausgepfiffen wird, wird diese schließlich Ende Juli als Sanitäter an die Ostfront geschickt, so auch Hans Scholl. Gleichzeitig bekommt sein Vater, der eine selbständige Treuhandschaft führt, Probleme mit der Gestapo, da er gegenenüber einer Büroangestellten äußerte, "Hitler sei die ärgste Gottesgeißel, die seit Cäsar, Napoleon und anderen die Welt heimgesucht habe."

Die in der ersten Hälfte 1942 veranstalteten Leseabende mit namhaften Professoren christlichen Umfelds führten schließlich zu den ersten vier Flugblättern, die an etwa 100 Intellektuelle ausgesandt wurden. Verfasst haben sie Hans Scholl und sein halbrussischer Freund Alexander Schmorell. In ihnen sind bereits die Verbrechen an Juden und Polen angeführt, es wird ein Recht auf Widerstand konstatiert und zum Umsturz der Regierung aufgerufen. Adressaten sind Schriftsteller, Professoren, Buchhändler und Ärzte in München und Umgebung.

Während des Lazaretteinsatzes in Gschatsk, dem heutigen Gagarin, scheinen Alexander Schmorell (er spricht fließend Russisch) und Hans Scholl auch Kontakt zur einheimischen Bevölkerung aufgenommen zu haben, vor allem zu "Bauern und Fischern", verbringen verbotenerweise Abende bei Gesang und Wodka mit ihnen.
»Dort haben wir einige Gläschen Wodka getrunken«, berichtet Hans Scholl später, »und russische Lieder gesungen, als ob um uns her tiefster Friede wäre.«
In Wirklichkeit war die Front nur etwa 60 Kilometer entfernt. Laut Hans Scholls Russlandtagebuch erfährt er von der viermonatigen Gefängnisstrafe seines Vaters wegen der Gottesgeißel-Aussage. Sophie, die nun den Kriegsarbeitsdienst in einer Ulmer Rüstungsfabrik ableisten muss, freundet sich mit russischen Zwangsarbeiterinnen an. Im November wird die Sanitätskompanie zurückberufen, gerade rechtzeitig, um noch zurückkommen zu können.

Dass auch von der Front ungeschönte Informationen nach Deutschland kommen können, zeigen die Feldpostbriefe des Freunds von Sophie, Fritz Hartnagel.
Durch die Briefe, die ihr der Freund von der Ostfront schreibt, hat sie das Gesicht des Krieges kennengelernt. Sie liest von Flugabwehr und MG-Feuer, von tausend Verwundeten an einem einzigen Tag. Sie liest von der Hungersnot in der Ukraine. Von einem Bauern, dessen eines Kind verhungert und dessen anderes Kind beim Streit um ein Stück Brot erschossen worden ist. Sie liest von Gefangenen am Wegesrand, zusammengebrochen vor Erschöpfung und Hunger, erschossen von denen, die sie bewachen sollten.
Und von seinem Kommandeur informiert Hartnagel:
Mit »zynischer Kaltschnäuzigkeit« berichtet er von der Abschlachtung sämtlicher Juden im besetzten Russland.
... sie erfährt von den ausgeplünderten Gärten, von dem restlos abgeschlachteten Viehbestand ... Sie erfährt von der Trostlosigkeit in Stalingrad, wo Fritz Hartnagel vergeblich versucht, Feuerholz für den Winter zu beschaffen; stattdessen hat er Tausende von Flüchtlingen gesehen, ohne Unterkunft, ohne Essen.
Fritz Hartnagel schafft es mit dem letzten Flieger aus Stalingrad zu entkommen, in Polen (nach Deutschland dürfen Stalingradkämpfer nicht) werden ihm drei erforene Finger der linken Hand amputiert.

Zurück in Deutschland entschließt Hans Scholl sich, dass die Flugblattaktion weitergeführt werden soll, indem die breite Masse der Bevölkerung und nicht nur ein intellektueller Kreis adressiert wird. Es werden Geldgeber organisiert, damit eine Druckmaschine, Papier, Kuverts und Briefmarken gekauft werden können.

Was ist das Ziel? Überliefert sind Ideen von einem föderalistischen Deutschland, einer Württembergischen Regierung, dem Buchprüfer Eugen Grimminger (Geldgeber) wird ein Posten in dieser angeboten. Dieser Gedanke wird nicht weitergeführt, es wird auf britischen Einfluss gehofft und Hans Scholl spricht davon, dass er nach der Niederlage des Verbrecherregimes eine freie Zeitung gründen will. Hans Scholl soll nun Aufputschmittel nehmen und seiner neuen Freundin Gisela Schertling (einer überzeugten Nationalsozialistin) soll er Morphium gespritzt haben (um sie gefügig zu machen?).

Dass sich sein Wille zu einem christlichen Widerstand auch darauf gründet, den Kommunisten nach Kriegsende nicht das Widerstandsmonopol zu überlassen, ist überliefert.
»Wenn nicht auch von christlicher Seite ein starkes Gegengewicht da ist, könnten die nachher ihren Kopf erheben und sagen: Wir haben uns gewehrt, und nun sind wir es, die wollen ...« Damit blitzt auf, was Hans Scholl zu seinen Aktionen antreibt: Wer später mitgestalten will in Deutschland, der muss jetzt dafür den Grundstein legen.
Die Informationen über den Massenmord an den Juden in Osteuropa werden immer detaillierter und stammen von Menschen, die nicht involviert sind wie dem Architekten Manfred Eickemeyer, der immer wieder ins Generalgouvernement reiste. Dieser berichtete eines Abends "von den Vernichtungslagern und der Vergasung von Menschen".

Im Februar 1943 wurden die Flugblätter fünf und sechs verbreitet, in der Nacht vom 3. auf 4. Februar tauchten Graffiti (Schablonenmalereien) mit den Slogans "Nieder mit Hitler" und "Freiheit" in München auf. Selbst die Parteizentrale wird mit einer Parole beschmiert.

Doch sind Sophie (die Logistikerin) und Hans Scholl unvorsichtig, mit den Regeln der Konspiration kaum vertraut. Und warum die beiden am 18. Februar nochmal zurück in den Lichthof der Eingangshalle der Münchner Universität sind, um die letzten Flugblätter zu verstreuen und bei Entdeckung durch den Hausmeister nicht geflohen sind, geht auch aus den Beschreibungen von Ellermeier nicht hervor. Der Volksgerichtshof unter Roland Freisler arbeitete schnell. Am 22. Februar wurden Hans und Sophie Scholl wie Christoph Probst (Vater von drei Kindern) zum Tode verurteilt und hingerichtet, die gesetzlich vorgeschriebene Frist für ein Gnadengesuch am nächsten Morgen um 9 Uhr wurde nicht abgewartet.

Auch Alexander Schmorell wurde des weiteren auf seiner Flucht aufgegriffen, verurteilt und hingerichtet, wie auch der Mitautor Professor Huber. Robert und Lina Scholl (Eltern) wurden in Sippenhaft genommen, der Vater schließlich wegen Feindsenderhörens ins Gefängnis von Kislau eingewiesen. Dennoch war es noch möglich, in einem angemieteten Gartenhaus eine Adressliste mit über 1000 Adressen, die Sophie in ihrer Wäsche versteckt hatte, zu verbrennen, bevor die Gestapo sie in die Hände bekam.


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03.03.2024 um 15:14
Die Apfeldiebe (Wastl 47)

Wastl-47

Das Thema Hunger in Afrika und die ungleiche Verteilung von Lebensmitteln wird in diesem Band wieder aufgegriffen. Drohnen in Drachendesign mit großen Mäulern, Hörnern und Düsenantrieb machen sich über die Obstbäume der Goldmaskenburg her. Wastl verfolgt sie und stößt auf ein fliegendes Wikingerschiff, das aus einem norwegischen Museum gestohlen wurde. Sie verfolgen es bis nach Afrika, wo sie im Hauptquartier auf einen Professor Rosarius treffen, der diese Drohnen entwickelt hat. Das Obst und Gemüse, das in Europa gesammelt wurde, soll über Dörfer mit Hungernden verteilt werden. Wastl und Ricki beteiligen sich mit ihrem fliegenden Motorrad Bumsi an dieser Aktion.


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03.03.2024 um 15:46
Zitat von NarrenschifferNarrenschiffer schrieb:Die Apfeldiebe (Wastl 47)
Wowww... denn Wastl gibts noch immer? Den hab ich doch in den 60'er als Kind gelesen und geliebt.


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04.03.2024 um 12:12
Zitat von NarrenschifferNarrenschiffer schrieb:Barbara Ellermeier - Hans Scholl
Ich habe mal ein Buch über den Widerstand im Nationalsozialismus gelesen - auffällig war dass das sehr unterschiedliche Leute mit sehr unterschiedlichem Hintergrund waren; es gab auch eine Reihe Attentate gegen Hitler. Hitler war allerdings sehr gut geschützt und im Krieg mied er öffentliche Auftritte und war häufig in der Wolfsschanze.
Auffällig ist auch, dass in der Bundesrepublik der Widerstand gegen Hitler eine relativ geringe Rolle spielt (mal abgesehen von den Scholl Geschwistern). Oskar Schindler wurde erst durch Spielbergs Film der breiten Öffentlichkeit bekannt, Stauffenberg ist bis heute umstritten, der Film von Tom Cruise über Stauffenberg wurde stark kritisiert.


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Strugazki - Es ist schwer ein Gott zu sein

Das beste Buch der Strugazkis, das einzige wirklich gute

Eine sehr modern wirkende Mischung aus Sci-Fi und Fantasy

91JIhf9DwL. AC UL210 SR210210


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04.03.2024 um 13:52
Zitat von parabolparabol schrieb am 24.02.2024:Traditionell sind doch Frauen (häufig) religiöser als Männer.
Hm, ich denke nicht, dass das auf den Islam zutrifft.


Zuletzt habe ich dieses Buch gelesen (Kindle unlimited):

The Flatmate
Gemma Rogers

123221970

https://www.goodreads.com/book/show/123221970-the-flatmate

Klappentext:
It was surreal returning to work after a five-month enforced sabbatical following the suspicious death of my best friend Livvy at a work event. I was grateful for the time away to grieve and had slotted straight back in work But a surprise awaited my return. Amanda Dowd, Livvy’s replacement, was firmly entrenched as my new flatmate in the company apartment. Something didn’t feel right, I felt on edge. But everyone seemed to love Amanda. Even my ex-Jayden was blinded by her outgoing personality and model looks. Yet her desperation to become friends felt unnatural. When I began to receive calls, photos and presents supposedly from Livvy, I became spooked… someone was targeting me, watching me. With my job, home and life on the line, I had to find out who was doing this to me. I knew I hadn’t caused Livvy’s death; I still believed it was no accident. Someone else was guilty and I had to find out who before I was next...
Ria kommt nach fünf Monaten Auszeit nach dem Tod ihrer besten Freundin und Arbeitskollegin Livvy wieder nach Großbritannien zurück und kehrt an ihren Arbeitsplatz in einer Werbeagentur zurück. Livvy starb nach einer Firmenfeier, als Mitarbeiter zusammen noch in einen Club gingen. Livvy hatte Ketamin im Blut, als sie auf dem WC unglücklich stürzte, sich den Kopf anschlug und letzenslich einer Gehirnblutung erlag. Ria fand sie tot in der Toilette, obwohl sie noch die Rettung anrief, kam bereits jede Hilfe für Livvy zu spät. Livvy war immer total gegen Drogenkonsum und hat nie welche genommen, daher glaubt Ria, dass ihr das Ketamin ins Getränk gegeben wurde. Das kann eigentlich nur einer von jeden Kollegen getan haben, nur wer? Die Ermittlungen ergeben, dass Livvys Tod ein Unfall war, aber weder Livvys Eltern, noch Ria glauben daran. Das führt dazu, dass Ria am Arbeitsplatz Beschuldigungen ausspricht und einen Zusammenbruch erleidet. Ihr Chef gibt ihr eine Auszeit.

Als sie wieder zurückkommt, bekommt sie plötzlich Nachrichten und Anrufe von Livvy und sogar Rosen von ihr geschickt. Livvys Platz wurde neu besetzt und Ria muss sich auch die Firmenwohnung mit der neuen Kollegin Amanda teilen. Amanda scheint auf den ersten Blick nett, aber Ria traut ihr von Anfang an nicht. Wer treibt hier ein böses Spiel mit Ria und warum?

Wer hinter den Anrufen und Nachrichten steckt, ist sehr bald klar, nur das Motiv kommt erst im Laufe der Handlung heraus. Allerdings erschließt sich mir bis zum Ende nicht, warum Ria das Ziel ist und das wird auch nicht plausibel erklärt. Ria war nämlich zu dem Zeitpunkt, an der alles seinen Ursprung nahm, noch gar nicht in der Werbeagentur beschäftigt und kannte die fragliche Person gar nicht.

Fragwürdig fand ich auch, dass diese Person dann keine Gerechtigkeit erlangt, denn jene Personen, die die Auslöser für das Ganze waren, werden nicht zur Verantwortung gezogen.


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04.03.2024 um 21:26
Thomas Bernhard - Ein Kind

Bernhard-Ein Kind

Der fünfte und letzte Teil von Thomas Bernhards Autobiographie geht zurück in die früheste Kindheit. Der Einstieg ist ein Ausreißversuch des Achtjährigen aus Traunstein in Bayern mit einem Steyrer Waffenrad nach Salzburg zu einer Großtante, deren Adresse er gar nicht weiß. Er kommt weit, bis die Kette reißt und er stürzt. Nach einem Gewitter bringen ihn Dorfjugendliche zurück nach Traunstein, wo er aus Angst vor der Mutter zu seinem Großvater nach Ettendorf läuft. Es war die Angst vor seiner Mutter mit dem Ochsenziemer und den ewigen Beschimpfungen, er sei ein Nichtsnutz wie der davongelaufene Vater.

Bernhard kam 1931 in Holland zur Welt und lebte danach viele Jahre bei seinem schriftstellerischen Großvater in Wien, dessen Frau durch Diensttätigkeiten das Überleben sicherte. Die Wohnorte danach bestimmten die Arbeitsstellen seines Stiefvaters. Ab 1935 war es Seekirchen am Wallersee (Salzburg Land) und schließlich ab 1937 Traunstein in Bayern, da seine Familie in Österreich keine Arbeitsmöglichkeit, keine "Überlebenschance" hatte. Sein Schwiegervater, den Bernhard durchgehend "Vormund" nennt, arbeitet als Friseur in Traunstein. Sein Großvater zog mit seiner Frau in einen Bauernhof am Ortsrand nach Ettendorf.

In Seekirchen freundete er sich mit Bauernkindern an, in Ettendorf mit dem Sohn des Bauern, bei dem die Großeltern lebten und der in den folgenden Jahrzehnten dem Wahnsinn verfiel, wie Bernhard schildert. Ansonsten war er in Traunstein ein armes Ausländerkind.
Als Esterreicher hatte ich es schwer, mich zu behaupten. Ich war dem Spott meiner Mitschüler vollkommen ausgeliefert. Die Bürgersöhne in ihren teuren Kleidern straften mich, ohne daß ich wußte, wofür, mit Verachtung. Die Lehrer halfen mir nicht, im Gegenteil, sie nahmen mich gleich zum Anlaß für ihre Wutausbrüche. Ich war so hilflos, wie ich niemals vorher gewesen war. Zitternd ging ich in die Schule hinein, weinend trat ich wieder heraus.
Ja, er schreibt wirklich "Esterreicher".

Seine Schulleistungen verfielen ab dem zweiten Schuljahr nach einem Lehrerwechsel, nur im Laufen war er der Beste und erhielt mehrere Preise. Von seinem Großvater übernahm er die Verachtung für die Katholische Kirche, den Nationalsozialismus und die Schule.
Die katholische Kirche war ihm eine ganz gemeine Massenbewegung, nicht mehr als ein völkerverdummender und völkerausnützender Verein zur unaufhörlichen Eintreibung des größten aller denkbaren Vermögen, die Kirche verkaufte in seinen Augen skrupellos etwas, das es nicht gibt, nämlich den lieben, gleichzeitig auch noch den bösen Gott, und beutet weltweit selbst die Ärmsten der Armen millionenfach aus nur zu dem Zwecke der unaufhörlichen Vergrößerung ihres Besitzes, den sie in gigantischen Industrien und in unendlichen Bergen von Gold und in ebenso unendlichen Stößen von Aktien in beinahe allen Bankhäusern der Welt fundiert hat. Jeder Mensch, der etwas verkauft, das es nicht gibt, wird angeklagt und verurteilt, sagte mein Großvater, die Kirche verkauft Gott und den Heiligen Geist seit Jahrtausenden in aller Öffentlichkeit völlig ungestraft. Und ihre Ausbeuter, mein Kind, und also Drahtzieher, wohnen außerdem in fürstlichen Palästen. Die Kardinäle und Erzbischöfe sind nichts anderes als skrupellose Geldeintreiber für nichts.
Die Schulen überhaupt und die Volksschulen im besonderen seien grauenhafte, schon den jungen Menschen in seinen Ansätzen zerstörende Institutionen. Die Schule an sich sei der Mörder des Kindes. Und in diesen deutschen Schulen sei überhaupt die Dummheit die Regel und der Ungeist der treibende. Da es nun aber einmal Pflicht sei, die Schule zu besuchen, müsse man seine Kinder hinschicken, auch wenn man wisse, man schicke sie ins Verderben. Die Lehrer sind die Zugrunderichter, sagte mein Großvater.
Lehrer seien nichts anderes als Verzieher, Verstörer, Vernichter. Wir schicken unsere Kinder in die Schule, damit sie so widerwärtig werden wie die Erwachsenen, denen wir tagtäglich auf der Staße begegnen. Dem Abschaum.
Über die Misshandlungen, die er in der Schule erdulden musste:
Ich mußte jetzt sehr oft vor dem Lehrerpult Aufstellung nehmen, damit mir der Lehrer mit dem Stock auf die Hand schlagen konnte. Ich hatte meistens geschwollene Hände. Zuhause sagte ich von meinem Mißgeschick nichts. Ich haßte den Lehrer mit der gleichen Intensität, mit welcher ich die Lehrerin, seine Vorgängerin, geliebt hatte.
Beinahe surreal ist die Beschreibung der Rede des Gauleiters bei einem Kreistag in Traunstein.
Ich sehe noch, wie der Gauleiter Giesler das Podium besteigt und zu schreien beginnt. Ich verstand kein Wort, denn die Lautsprecher, die um den ganzen Platz aufgestellt waren, um Gieslers Rede zu übertragen, übertrugen nur ein gewaltiges Gekrächze. Plötzlich fiel der Gauleiter Giesler in sich zusammen und verschwand wie eine ockerfarbene Puppe hinter dem Rednerpult. In der Menge verbreitete sich sofort, daß den Gauleiter Giesler der Herzschlag getroffen habe.
Bernhard schreibt zwar, dass am Abend noch der Tod von Giesler im Radio verkündet worden sei, was aber nicht stimmen kann. Giesler verstarb im Mai 1945 nach zwei Suizidversuchen.

Alle Buben mussten dem Jungvolk beitreten. In der Rückschau schreibt Bernhard:
Auf diesem Kreistag war ich noch nicht Mitglied des sogenannten Jungvolks, einer Vorstufe der sogenannten Hitlerjugend. Kurz darauf war ich es. Ungefragt mußte ich eines Tages im Hof der Realschule, die gleich neben dem Gefängnis liegt, mit einer Reihe von Gleichaltrigen vor einem sogenannten Fahnleinführer antreten.
Das Jungvolk war mir noch entsetzlicher als die Schule. Ich hatte es bald satt, immer die gleichen stupiden Lieder zu singen, immer dieselben Gassen mit Marschschritt und lautem Geschrei zu durchqueren. Die sogenannte Wehrertüchtigung haßte ich, ich war für das Kriegsspiel ungeeignet.
Das einzige, das mir am Jungvolk imponierte, war eine braune, absolut regensichere Pelerine.
Von Politik verstand ich noch nichts, mir ging nur alles, was mit dem Jungvolk zusammenhing, gegen den Strich.
Da er Bettnässer war, wird er schließlich zur "Erholung" nach Saalfeld in Thüringen geschickt, in ein Heim, das eigentlich ein Erziehungsheim für Schwererziehbare war. Die Eltern dachten, es ginge ins nahe Saalfelden nach Salzburg. Das Leben im Heim war bedrückend, wegen seines Bettnässens war er Außenseiter, nur einer war ihm nahe, ein an Rachitis erkranktes Kind, das einkotete. Berührend wie erniedrigend fand er, wie sich alle bei der Hinfahrt um den armen Österreicher ohne Jausenbrote kümmerten und ihm von ihren Brotstullen abgaben, sodass er am Ende mehr zu essen hatte als jeder andere.

Bei dem ehemaligen Erziehungsheim, das bei einem Besuch Bernhards in den 1970er Jahren auch in der DDR als solches weitergeführt wurde, wird heutzutage an diesen österreichischen Schriftsteller erinnert. Nachzulesen auf der Hompage Literaturland Thüringen.

Am Ende der Traunsteiner Zeit und auch des Krieges wollte sein Großvater ihn in eine Handelsakademie in Passau einschreiben lassen, Bernhard bestand die Aufnahmeprüfung auch mit Auszeichnung, da jedoch sein Großvater die Stadt abstoßend fand, entschied er sich für Salzburg. Womit wir wieder beim ersten Band der Autobiographie wären: Die Ursache.


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04.03.2024 um 22:25
Der Club der Muskelprotze (Wastl 48)

Wastl-48

Diesmal wieder eine etwas magere Geschichte. Ein Kraftmännerclub mit schwarzen Masken aus den USA, deren Mitglieder für Filmproduktionsgesellschaften als Stuntmänner arbeiten, wollen eine mögliche Konkurrenz aus dem Weg räumen: Wastl. Daher stürmen sie die Goldmaskenburg, haben aber keine Chance gegen Wastl. Die Konklusio: Wastl wird sie ausbilden, sie würden aber keine Möglichkeit haben, wie er zu werden, da Wastl seine Kräfte auch geerbt hat.


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10.03.2024 um 07:40
Der Pfad

Von Megan Miranda · 2023



Ein gefährlicher Pfad in den Bergen. Sieben verschwundene Menschen. Ein Dorf, das sich in Schweigen hüllt.

Ein abgeschiedenes Dorf im Schatten mächtiger Berggipfel: Seit zehn Jahren lebt Abby in Cutter’s Pass, North Carolina. Längst fühlt sie sich heimisch, obwohl der eigentlich so idyllische Ort ein düsteres Geheimnis hütet – seit Jahren verschwinden hier Wanderer spurlos im Gebirge. Als wäre der Ort verflucht. Dann taucht in einer stürmischen Gewitternacht plötzlich ein Fremder in Cutter’s Pass auf: Trey West ist gekommen, um herauszufinden, was damals mit seinem Bruder geschah. Denn auch er kehrte von jenem berüchtigten Pfad in die Wildnis niemals zurück. Je tiefer sich Abby in Treys Recherchen hineinziehen lässt, desto deutlicher merkt sie, wie die Dorfbewohner zusammenrücke...

https://www.google.de/books/edition/Der_Pfad/3BS3EAAAQBAJ?hl=de&gbpv=0

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11.03.2024 um 00:27
Tristram Hunt - Marx's General

Hunt-General

Tristram Hunt ist britischer Historiker mit Abschluss in Cambridge, derzeit Direktor des Victoria and Albert Museum in London und war in den 2010er Jahren aktiv in der Labour Party tätig. Den Parteivorsitz hat er gegen Jeremy Corbyn verloren. Seine Biographie über Friedrich Engels wurde 2009 veröffentlicht.

Für dieses Werk recherchierte Hunt auch in Russland und er besuchte die Stadt Engels an der Wolga. Kernfrage ist, ob Engels für die diktatorische, blutige Umsetzung der kommunistischen Idee im 20. Jahrhundert mit verantwortlich gemacht werden kann.

Engels wird als Textil-Magnat, Liebhaber einer extravaganten Lebensführung und Frauenverehrer vorgestellt. Auch seine dunklen Seiten werden nicht verschwiegen. So ist er über die Jahrzehnte einer, der Denker oder Parteigenossen mit unterschiedlichen Auffassungen bzw. Konkurrenten um Einfluss persönlich unter der Gürtellinie angegriffen hat. Als er 1846 die Frau von Moses Hess zur Flucht nach Paris verholfen hat, ist er bewusst ein Verhältnis mit ihr eingegangen, um Hess hörnen zu können. Bis heute ist die Frage offen, ob er sie gegen ihren Willen gezwungen hat. Seine Lebenslust zeigt sich auch an den vielen Feiern, die es in seinem Haus gab, der Liebe für Bier und guten Wein sowie seine "Urlaube" während der 1848/49er Revolution, als er durch Burgund wanderte (bei Wein, Weib und Gesang mehr oder weniger wörtlich) und bei einem Arbeitstrip 1888 in die USA, als er nicht wie geplant Industriegebiete aufsuchte, sondern die Niagarafälle und Südostkanada (er war "Tourist"). Eine andere Reise öffnete ihm die Augen, als er 1856 mit seiner irischen Lebesgefährtin nach Irland reiste und er die Auswirkungen der Hungerskatastrophe vor einigen Jahren sehen konnte.

Aufgewachsen ist Friedrich Engels in der Textilhochburg Barmen an der Wupper (heute Teil von Wuppertal) in einer Familie von Textilfabrikanten, sein Vater hat mit einem niederländischen Unternehmer eine gemeinsame Firma mit Produktionsstandort auch in Manchester gegründet. Der Familienethos war streng calvinistisch und bald hat sich Engels mit seinem Vater überworfen. Schon als 19-Jähriger veröffentlicht Engels unter Pseudonym in seinen "Briefen aus Wuppertal" Berichte über die schrecklichen Arbeitsbedingungen der Textilarbeiter und die Umweltverschmutzung in Barmen. Hingezogen war er zu nationalromantischen Ideen inklusive Mittelalterverehrung, als Student in Berlin lernt er den Kreis der lebenslustigen Junghegelianer kennen, Vorlesungen von Schelling besucht er gemeinsam mit Jacob Burckhardt, Michael Bakunin und Soren Kierkegaard. Sozialistische Ideen lernt er von Saint-Simon, Fourier, Blanqui und persönlich vor allem von Moses Hess kennen.

1842 schickt ihn sein Vater in die Dependence nach Manchester, um ihm die Flausen aus dem Kopf zu vertreiben, doch dort war der junge Student dermaßen schockiert über die frühindustriellen Zustände, sodass er ein Werk über die Lage der Arbeiter in England schrieb, in dem er nicht nur seine Beobachtungen, sondern auch Auszüge aus Regierungsberichten über die hygienischen Bedingungen zu Papier brachte. Er war mit Steiks konfrontiert wie auch mit Ideen von Robert Owen wie der Wahlrechtsbewegung der Chartists. Zum ersten Mal wurde ihm bewusst, dass nur die Aufhebung des Privateigentums an Produktionsmitteln die Arbeiterschaft aus ihrem Elend befreien kann.

Die Begegnung mit dem zwei Jahre älteren Karl Marx war schließlich der Wendepunkt in seinem Leben. Gemeinsam veröffentlichten sie, organisierten den Bund der Kommunisten und formulierten deren berühmt gewordenes Manifest (damals ein Ladenhüter). In den 1840er Jahren war er noch überzeugt, dass die gesellschaftliche Umwälzung nur durch eine gewaltsame Revolution vollzogen werden kann. So war er auch kurz während der Revolution in Barmen, doch die Aufständischen wollten den bekannten Radikalen loshaben, er war ein Sicherheitsrisiko. Darauf folgte die Burgund-Tour (siehe oben).

1849 ging er zurück in die Firma seiner Eltern nach Manchester, wo er zwei Jahrzehnte als Manager tätig war und den nun in London lebenden Karl Marx finanziell unterstützte. Engels wurde Teil der High Society und liebte die Fuchsjagd. Auch hatte sich Manchester verändert, die Elendsviertel waren mehr oder weniger verschwunden, die Boom-Jahre brachten auch für die Arbeiterschaft Verbesserungen im materiellen Leben. Die verlorenen Revolutionen (Engels war auf der Seite der Ungarn und verabscheute die slawischen Völker, die am besten untergehen sollten) brachte ihn zu der Ansicht, dass sie durch einen Dolchstoß in den Rücken durch die Bourgeosie, die schließlich mit den Herrschenden zusammengingen, nicht erfolgreich sein konnten.

Engels hatte gegenüber Kolonialismus immer eine "Hegelianische" Auffassung, dass die Kolonialmächte diejenigen seien, welche das gesellschaftliche Niveau in unbeweglichen alten Gesellschaften der Beherrschten heben und daher ein progressive Aufgabe erfüllen (Frankreich in Algerien, England in Indien). Als er jedoch 1856 die entvölkerten Dörfer in Irland sah, änderte sich seine Einstellung und er begann die brutale Seite des Kolonialsimus zu begreifen.

1869 wurde nach dem Tod seines Vaters der Vertrag in der Firma beendet und das holländische Unternehmen verabschiedete ihn mit einem goldenen Handshake (12.500 Pfund, heute umgerechnet etwa 2,5 Mio Euro). Dieses Geld inverstierte er hauptsächlich in Aktien, von deren Rentenerträge er lebte und Marx, seinen eigenen Kreis der irischen Lebensgefährtin wie auch viele politische Initiativen unterstützte. Auf eine mögliche Doppelmoral angesprochen, erwiderte Engels, dass das Geld sowieso schon von den Arbeitern gestohlen ist, jetzt käme es darauf an, wie es genutzt werde. Asket war er keiner.

Engels zog nach London in die Nähe von Marx, den er täglich besuchte, und sein Haus wurde ein Zentrum der europäischen Sozialisten. So wurde er oft auch von August Bebel, Karl Kautsky oder Wilhelm Liebknecht aufgesucht. Ein Schock dürfte gewesen sein, als 1871 nach der Niederschlagung der Pariser Commune etwa 10.000 Aufständische binnen einer Woche getötet wurden. 1882 äußerte er gegenüber Bebel, dass ein europäischer Krieg eine Katastrophe mit Millionen Toten sei, auch würde die Arbeiterschaft sehr empfänglich für nationalistische, chauvinistische Sentiments werden. Vor allem nach Bismarcks Kriegen sieht er die Gefahr, dass die Arbeiterbewegungen einem Nationalismus nachgeben könnten. Nach den Wahlerfolgen der SPD, deren Entwicklung er eng verfolgte, sah er die Möglichkeit, dass die Arbeiterschaft die Macht über Wahlen erringen kann und dies einen kontinuierlichen Prozess darstellt. Engels beginnt demokratische Strukturen revolutionären vorzuziehen. Und beim Internationalen Arbeiterkongress 1893 in Zürich plädiert Engels für die Freiheit der Debatte. Die Arbeiterbewegung dürfe keine dogmatische Sekte werden.

Engels stirbt 1895 an Kehlkopfkrebs, er hinterlässt ein Vermögen von etwa 4 Mio Euro nach heutigem Wert, seine Asche wird nach seinem Wunsch im Ärmelkanal verstreut.

Die Antwort auf die Frage, ob Engels für die kommunistischen Diktaturen des 20. Jahrhunderts mit verantwortlich sei, verneint Hunt. Engels sei nie ein Dogmatiker gewesen, sondern seine Überzeugungen haben sich den aktuellen Entwicklungen angepasst, gegen Ende seines Lebens sei er für einen sozialdemokratischen Weg eingetreten und habe sich strikt gegen eine dogmatische Diktatur innerhalb der Parteien und Organisationen ausgesprochen. Lenin und Stalin hätten unter Berufung auf den Anti-Dühring wie auch die Notizen zum dialektischen Materialismus ihre eigenen dogmatischen Süppchen gekocht. Engels habe dezitiert gesagt, seine und Marx' Geschichtsauffassungen seien Richtlinien für das Studium und keine Anleitung Hegelianische Objekte zu kreieren. Die Marx'sche Auffassung sei ein Denkweg und keine Doktrin.


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