Illusion einer Illusion?

Neulich sagte jemand in einer Runde, er würde Sport treiben, weil er die Illusion habe, dass er dadurch vor Krebs geschützt sei.

Als ich einwandte, wie das denn fuktionieren soll, wenn er doch dies selber für eine Illusion hält, meinte er, ja, er wisse zwar, dass dies eine Illusion sei, aber das motiviere ihn trotzdem, weiterhin Sport zu treiben, sonst würde er sich nämlich nicht dazu aufraffen.

Wie geht so etwas?

Wenn ich etwas für eine Illusion halte, dann heißt das doch, dass ich eben nicht daran glaube und umgekehrt, wenn ich an etwas glaube, dann halte ich es eben nicht für eine Illusion (unabhängig davon, ob ich recht habe oder nicht).

Beispiel Hömöopathie.
Wenn jemand daran glaubt, dann kann sie manchmal wirken, eben weil derjenige daran glaubt (Placeboeffekt).

Habt ihr vielleicht auch so manche Illusion, die auf euch trotzdem irgendwie so wirkt, als würdet ihr doch daran glauben, obwohl ihr gleichzeitig wisst, dass es eine Illusion ist?

Bei mir geht das nicht.
Entweder galube ich an etwas, habe eine Vorstellung, eine Überzeugung etc oder aber, wenn ich etwas für eine Illusion halte, dann heißt das für mich, dass etwas falsch ist, nicht existiert, nicht gegeben ist usw.

Manchmal möchte man einfach an etwas glauben.
Man möchte glauben, dass es doch noch Hoffnung gibt.
Hoffnung ist ein großer Glaubenshalter.
Du kannst darauf hoffen, dass die Chemo wirkt, auch wenn die Chancen schlecht stehen.
Auch wenn Ärzte einem keine gute Aussicht in Aussicht stellen, so kannst du für dich hoffen, dass es doch funktioniert.
Denn du willst, dass es funktioniert.

ruku schrieb: er wisse zwar, dass dies eine Illusion sei, aber das motiviere ihn trotzdem, weiterhin Sport zu treiben, sonst würde er sich nämlich nicht dazu aufraffen.

damit hat er dir deine Frage doch schon beantwortet. Man kann auch an etwas festhalten von dem man nicht weiß ob es überhaupt der Wahrheit entspricht. Ist zum Beispiel in jeder Religion so.

@ruku
Man gibt sich jeden Tag irgendwelchen Illusionen hin um sich anzutreiben, obwohl man weiß, dass es nichts bringt.

Man denke nur an die Leute die jeden Tag einen Salat essen und glauben sie wären dadurch mega gesund. Eigentlich weiß jeder, dass sowas nix bringt, wenn man es nicht richtig macht.
Die meisten wollen nur ihr Gewissen beruhigen.
Mal ganz nebenbei hilft Sport schon gegen einige Leiden. Es mag zwar nicht primär gegen Krebs helfen, kann aber teilweise das Risiko sicher einschränken.

Und Homöopathie hat eigentlich überhaupt NIChTS mit "daran glauben" zu tun. In der Vergangenehit mal vielleicht. Doch heute sind das durchaus Arzneien, die einigen helfen, auch ohne den Glauben daran. Die Mittel haben durchaus einen Wirkstoff.

Fuer den Moment ist das doch voellig egal. Man muss eben ueber einen gewissen Zeitraum den Kopf ausschalten.
Wenn man ein Buch liest oder ein Videospiel spielt und sich in die Geschichte hineinversetzen moechte, denkt man ja auch nicht laufend, "Heh, das ist doch total unrealistisch!" oder "Das ist doch niemals wirklich passiert!".

Syrah schrieb:damit hat er dir deine Frage doch schon beantwortet. Man kann auch an etwas festhalten von dem man nicht weiß ob es überhaupt der Wahrheit entspricht. Ist zum Beispiel in jeder Religion so.

Nein, denn er sagt, er würde wissen, dass es eine Illusion sei, d.h. er sagt nicht, dass er es nicht wisse, sondern er hält es selber für eine Illusion.

Davon abgesehen dass Sport ja nunmal generell gesund ist also wieso sollte es nicht auch gut gegen Krebs sein.... kann man sich doch etwas vorstellen und es als Fakt annehmen in der Fantasie. Das erzeugt Gefühle. Wenn du dir jetzt zum Beispiel vorstellst dein Partner betrügt dich je detailierter du es dir vorstellst wird es Gefühle wie Eifersucht, Hass, Wut Verletztheit in dir hervorrufen (vorrausgesetzt natürlich du bist ein monogamer Mensch). So verhält es sich mit dem Beispiel deines Bekannten. Er stellt es sich vor und dadurch motiviert es ihn weil es gewisse Gefühle in ihm weckt. Kennst du das nicht von dir selbst?

Syrah schrieb:Kennst du das nicht von dir selbst?

Nein. Gar nicht.
Ich sagte ja bereits, wenn ich etwas für eine Illusion halte - unabhängig davon, ob ich damit richtig liege oder nicht -, dann heißt es für mich, dass ich es für falsch halte, für nicht existent, nicht wirklsam, nicht was auch immer.

Etwas nicht zu wissen ist für mich etwas ganz anderes als etwas, was ich für eine Illusion halte.
Wenn ich etwas nicht weiß, dann kann ich auch nicht sagen, dass es eine Illusion ist. Dann weiß ich es eben nicht.

Vielleicht liegt das an der Fantasie bzw. Vorstellungskraft.

@ruku
Schon mal einen Traum, ein Ziel gehabt?

Das muss nicht realistisch sein. Nichtmal möglich. Trotzdem kann es einen motivieren. Ich denke hier geht es in die selbe Richtung. Auch wenn er weiß, dass es nichts bringt, findet er die Vorstellung gut, hat etwas vor Augen und kann es so nutzen.

Und du hast das Beispiel des Placebos angebracht. Das hilft auch, wenn man weiß, dass es sich um ein Placebo handelt:

Kaptchuk ließ 37 Probanden die Placebos einnehmen. Auf den Fläschchen, in denen sich die Pillen befanden, stand: „Placebo-Pillen. Nehmen Sie zwei Tabletten am Tag“. 43 Probanden bekamen keine Medikamente. Während man neue Wirkstoffe im Vergleich zu Placebos testet, kann man Placebos nur im Vergleich zu einer medikamentösen „Nicht-Behandlung“ testen.

Alle Teilnehmer an der Studie bekamen gleich viel Zeit und Zuwendung von den Ärzten und Schwestern. Nach drei Wochen ging es allen Teilnehmern besser – aber denjenigen, die mit der Zuwendung noch Zuckerpillen bekommen hatten, ging es „signifikant besser“ als den anderen.

https://www.welt.de/gesundheit/article144787881/Selbst-wenn-Placebo-drauf-steht-helfen-die-Pillen.html

@ruku


Man kann auch an Illusionen glauben. Sein Glaube ist nicht, das Krebs nicht entsteht, wenn er Sport macht, sondern die Illusion davon.

adeodata schrieb:Man kann auch an Illusionen glauben. Sein Glaube ist nicht, das Krebs nicht entsteht, wenn er Sport macht, sondern die Illusion davon.

Ja, aber der Punkt ist für mich, dass in dem Augenblick, wo jemand etwas für eine Illusion hält (unabhängig davon, ob zu Recht oder nicht), damit doch aussagt, dass er es für unwahr, für unzutreffend, für falsch, für nicht existent, für Quatsch hält.

Wie kann man dann sich von etwas bewegen lassen, an dessen Existenz, Wahraftigkeit usw. man nicht glaubt, ja sogar man von dessen Falschheit usw. überzeugt ist?

Man kann eine Illusion haben, ja recht viele sogar und damit vielleicht auch ganz gut leben.
Aber wenn jemand sagt "Das ist eine Illusion.", wie kann er dann sich davon beeinflussen lassen?

Was für einen Sinn hätte es, wenn ich sagen würde "Ich habe die Illusion, dass ein Apfel täglich mich bis ins hohe Alter gesund halten wird."?
Ich könnte sagen, "Ich glaube, dass ein Apfel täglich mich bis ins hohe Alter gesund halten wird."
Okay. Das mag so falsch sein, aber die Aussage in sich wäre stimmig. Ich glaubte dann eben daran.
Aber wenn ich sage, "Ich habe die Illusion ...".
Was jetzt? Glaube ich daran oder nicht? Wie kann ich daran glauben, dass ein Apfel etc., wenn ich dies gleichzeitig als Illusion bezeichne?

@ruku

ruku schrieb:Ja, aber der Punkt ist für mich, dass in dem Augenblick, wo jemand etwas für eine Illusion hält (unabhängig davon, ob zu Recht oder nicht), damit doch aussagt, dass er es für unwahr, für unzutreffend, für falsch, für nicht existent, für Quatsch hält.

Sport ist für deinen Freund keine Illusion, sondern nur der selbst erdachte Grund, um Sport zu treiben, entspricht dabei nur einer Illusion.
Eine sogenannte stütze. Dazu benutzt er diese Illusion, um seinen Trieb aufrecht zu erhalten.

ruku schrieb:Man kann eine Illusion haben, ja recht viele sogar und damit vielleicht auch ganz gut leben.
Aber wenn jemand sagt "Das ist eine Illusion.", wie kann er dann sich davon beeinflussen lassen?

In dem er die Illusion akzeptiert.

ruku schrieb:Was für einen Sinn hätte es, wenn ich sagen würde "Ich habe die Illusion, dass ein Apfel täglich mich bis ins hohe Alter gesund halten wird."?
Ich könnte sagen, "Ich glaube, dass ein Apfel täglich mich bis ins hohe Alter gesund halten wird."
Okay. Das mag so falsch sein, aber die Aussage in sich wäre stimmig. Ich glaubte dann eben daran.
Aber wenn ich sage, "Ich habe die Illusion ...".
Was jetzt? Glaube ich daran oder nicht? Wie kann ich daran glauben, dass ein Apfel etc., wenn ich dies gleichzeitig als Illusion bezeichne?

Ich verstehe ganz genau was du meinst. Doch einige lassen sich von dem Glauben durch Unwissenheit und andere vom Glauben durch Wissen beeinflussen. Zu wissen, dass etwas eine Illusion ist und trotz dessen noch daran glauben, das würde jemand nur tun, wenn er oder sie die Illusion als stütze für die eigene Illusion bräuchte.

Das ist doch das Dilemma im Leben. Wir müssen uns was vormachen und eine Illusion leben die uns durch Werbung oder seiner Gesellschaft vorgelebt wird. Aber wir wissen nunmal durch unsere begrenzte Verständnissmöglichkeit nicht den Ursprung über Sein und Zeit. Wenn man es staubtrocken betrachtet leben wir nur die möglichst beste Illusion.

Illusionen können auch als Überlebensstrategie "angewendet" werden und, um nicht in Panik zu geraten.

Gab es im Krieg, wo heisses Wasser gelöffelt wurde, mit der Illusion, ne warme Mahlzeit bzw. was Nahrhaftes zu sich zu nehmen.

Ich vermute mal, dass der Mann das Wort Illusion nicht richtig angewandt hat.
Meist scheitert ein Verstehen ja an der Sprache.
Eine Illusion ist eine falsche Wahrnehmung der Wirklichkeit und/oder ein nicht korrektes Urteil das gefällt wird, aufgrund von einer Wahrnehmung. Also etwas, was tausendmal am Tag passiert.

Halte einen geraden Stab Holz in eine Regentonne, und frage was mit dem Stab passiert ist.
Wer physikalische Gesetze kennt, oder das schon mal gesehen hat, wird sagen, dass der Stab gerade ist, aber sich im Wasser als krumm darstellt. Jemand der diese Gesetzmäßigkeiten nicht kennt, oder es noch nie gesehen hat, wird glauben/meinen, dass der Stab gebrochen oder krumm ist, oder Magie dahinter steckt.
Aber die Wahrnehmung ist ja nicht "falsch". Der Stab "scheint" ja im Wasser wirklich gebrochen. Also kann nur das Urteil über die Wirklichkeit falsch sein.

Bei dem Stab und der Regentonne ist das alles einfach, leicht nachzuprüfen und in Formeln zu bringen. (Wobei, wenn man die Flüssigkeit verändert, wird sich auch die Brechung des Stabs verändern.)
Bei der Sache Sport/Krebs ist das schon komplizierter.


Der Mann in der Runde wird aber damit eigentlich sagen wollen, dass er die Vorstellung, oder den Wunsch hat, durch Sport nicht so anfällig für Krebs zu sein. Der Stab, den wir aus dem Wasser ziehen, ist noch derselbe, den wir reingesteckt haben. Der Mensch, der 2 Stunden Sport gemacht hat, hat sich verändert, das lässt sich sogar an Parametern belegen.

Ich bin da ganz pragmatisch. Wem schadet er denn, mit seiner Vorstellung? Wenn er Sport macht, ergeben sich andere Dinge, die es "wert" sind, dass er ihn macht. Da tritt für mich in den Hintergrund, ob sein Sport treiben wirklich die Wahrscheinlichkeit reduziert, Krebs zu bekommen.

Für mich und vielleicht für ihn, ist noch interessant, ob er sich vergnügt, beim Sport. Weil dann wäre dem Wortsinn nach, alles am rechten Platz.
Das Wort "Sport" kommt von "disport" - sich vergnügen.

Jeden Tag wenn wir aufstehen haben wir die Illusion das wir den Tag überleben. Das ist schon so drinne in uns, und gut so.
Dabei können wir alle in der nächsten Minute Mausetot sein. 

ruku schrieb:Neulich sagte jemand in einer Runde, er würde Sport treiben, weil er die Illusion habe, dass er dadurch vor Krebs geschützt sei.

Ist für den Menschen vielleicht der einzige Grund, Sport betreiben zu wollen. Wenn er absolut nicht mag, kann er dann schon irgendwas als Grund hernehmen, damit er sich doch aufrafft. In dem Fall etwas, an das er nicht glaubt. Quasi mit irgendeiner Ausrede den inneren Schweinehund zu besiegen. ;)

ruku schrieb:Wie geht so etwas?Wenn ich etwas für eine Illusion halte, dann heißt das doch, dass ich eben nicht daran glaube und umgekehrt, wenn ich an etwas glaube, dann halte ich es eben nicht für eine Illusion (unabhängig davon, ob ich recht habe oder nicht).

Eltern die sich Atheisten schimpfen und auch gerne mal kecke Witzchen über die fromme Gisela reißen, aber ihr Küken zur kirchlichen Taufe schleppen, ist vielleicht auch ein Beispiel.

Der illusorische Glaube (d.h. ich glaube nicht daran, aber mache es trotzdem) eines mystischen Segens, der Glück bringen und vor Unheil schützen soll.

Jetzt lässt sich natürlich einwenden, das die mit allem Schnick und Schnack zelebrierte Taufe, ein schönes Ritual für die Eltern und Verwandten ist, um das Kind herzlich in dieser Welt begrüßen und willkommenheißen zu können. Aber darür brauch ich keine Kirche. Folklore hin oder her. Der religiöse Aspekt widerspricht dem eigenen Glauben. Das zeugt vielleicht ein bisschen von pascalscher Denke, wer weiß.

parafugacious schrieb:....  um das Kind herzlich in dieser Welt begrüßen und willkommenheißen zu können.

Das war nie der Grund oder die Bedeutung der Taufe. Und richtig, für eine Taufe braucht es keine Kirche.

parafugacious schrieb: ....  eines mystischen Segens, der Glück bringen und vor Unheil schützen soll.

Welche Glaubensgemeinschaft soll das denn sein?