Ein Mann auf der Straße

Hallo zusammen.
Ich habe momentan, für mich ein ziemlich emotionales Problem.
Gestern war mein Mann das Rathaus in unserer Stadt abschliessen. Es war so gegen 13 Uhr. Plötzlich sah er von innen am Eingang 5 grosse Mülltüten. Er hat sie ein bisschen geöffnet und darin so Stoffsachen, vermutlich Bettwäsche oder so, gesehen. Daraufhin sah er ein paar Meter weiter, einen Mann auf einer Bank sitzen, die Hände auf dem Kopf und hin und her schaukelnd.. Er fragte ihn, ob diese Sachen vielleicht ihm gehören würden und dieser bejahte das.
Er meinte, die Sachen sollen da bleiben und er würde da ab jetzt schlafen.
Natürlich fing mein Mann eine Diskussion mit ihm an und drohte ihm mit der Polizei, da er ja die Sachen nicht entfernen wollte. Er erzählte meinem Mann er wäre aus Afghanistan, das er seine Arbeit und dadurch seine Wohnung verloren hat, er nichts mehr besitzen würde und ihm alles egal wäre.
Dann kamen 2 Damen vom Sozialamt und unterhielten sich mit ihm. Abends, als mein Mann seinen Rundgang machte, war der Mann nicht mehr da.
Okay da war ich erleichtert, weil ich mir dachte, sie haben für ihn bestimmt eine Unterkunft gefunden.
Heute gegen Mittag, fuhren wir wieder am Rathaus vorbei und er saß an der Strasse, mit seinen Tüten und auch mit einem großen Koffer.
Vorhin habe ich erfahren, das er da beim Rathaus immer noch (oder wieder) sitzt.
Jetzt habe ich meinen Mann losgeschickt mit einem Berliner, einem Apfel, Banane, Käsebrötchen und einer Flasche Wasser losgeschickt um nach ihm zu schauen und ihm das zu übergeben.
Aber was mir Kopfzerbrechen macht...er kann doch da nicht schlafen ?
Was würdet ihr denn tun ? Polizei rufen ?

Für diese eine Person ist das eine sehr traurige Angelegenheit. Ich kann gut verstehen, dass du da auch viel Mitleid hast und dir Sorgen machst.
Aber denk mal ein Stück weiter. Ja, dieser eine Fall ist tragisch, doch es gibt sehr viel mehr solcher Fälle. Menschen, egal woher, verlieren alles und landen auf der Straße.

Ich emfpehle dir, dass du dich von diesem einen Fall nicht zu sehr mitnehmen lässt. Denn du musst bedenken, dass es da draußen unzählige weitere solcher Schicksale gibt. Es ist eine sehr gute Tat, dass du deinen Mann mit dem Essen und Trinken losgeschickt hast. :Y:
Der Herr freut sich sicher darüber. Aber du alleine kannst nicht das Problem lösen. Sowas ist das Anliegen des Staats und wie du siehst, versagt der Staat in dieser Sache. Sowas passiert jeden Tag in Ländern wie Deutschland.

Wir müssen eine allgemeine Lösung für alle finden.

Was soll man machen, als Obdachloser landet man nunmal häufig auf der Straße. Wohnt ihr in einer größeren Stadt? Vielleicht recherchierst du mal nach Hilfsangeboten, gibt ja Einrichtungen, die Übernachtungsplätze anbieten, und gibst ihm die Adressen. Die können ihm bestimmt eher helfen, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass du ihn bei euch aufnehmen möchtest, oder?
Die Polizei kann da wohl auch nicht viel mehr machen, er tut ja nichts gesetzeswidriges. Obwohl ich nicht ganz verstanden habe, war der Mann im Rathaus oder davor auf der Straße?

@Luminita
Jemanden bei sich aufzunehmen ist mit Vorsicht zu genießen. In den ersten Tagen mag dieses Provisorium auszuhalten sein, doch auf Dauer ist sowas sehr belastend. Das sollte man nur machen, wenn man den Platz und die Mittel dazu hat.

Wir haben damals in den 90ern ein paar Bekannte aufgenommen, die vom Jugoslawienkrieg geflohen sind. Und auch in diesem Jahrtausend waren einige Verwandte bei uns. Zuletzt meine Cousine samt Kindern, die nach einem gescheiterten Neustart nichts mehr hatte. Es waren zwar nur drei Monate und eine nahestehende Person, doch irgendwann wird einem das einfach zu viel.

Daher bin ich persönlich wegen unserer selbst gemachten Erfahrungen eher für Organisationen, die Menschen aufnimmt und sich um sie kümmert.
Wer wie der TE eine solche Person auffindet, sollte sie möglichst schnell an eine solche Organisation vermitteln. Notfalls kann man ja immer mal jemanden für ein paar Tage aufnehmen. Aber glaub mir, bei der Vielzahl an hilfsbedürftigen Menschen ist das eine hoffnungslose Sache.

@Ford
Ich nehme mir das immer zu Herzen, wenn Menschen nichts haben und auf der Strasse leben.
Ich sage mir dann immer : " Ich habe alles was ich mir wünsche und diese Menschen leben einfach von nichts" ich könnte echt heulen. Aber viele dieser Menschen, möchten es nicht anders und manche finden einfach keine andere Lösung. Das Essen war das mindeste, was ich tun konnte.

@Luminita
Das Problem ist, das man ja nicht weiss wer dieser Mensch ist. Ihn bei uns aufzunehmen, da habe ich schon Angst. Aber genauso tut es mir auch leid, wenn er da auf diesem harten Asphalt auf offener Strasse schlafen muss. Und es ist ziemlich kühl geworden.

@Ford
@Nina75

Nein nein, ich meinte ja auch nicht, dass die TE dies tun sollte - und entschuldige mich, wenn es den Anschein gemacht hat. Ich bin nichtmal davon ausgegangen, dass die TE das vorgehabt hätte. Auf jeden Fall Organisationen recherchieren und an ihn weiterleiten!

Hm...
Du hast schon recht,es wird saukalt in der Nacht.
Wie wäre es denn,wenn ihr ihm einen echt guten Schlafsack spendieren würdet?

@Nina75

In deiner Stadt müsste es doch Obdachlosenunterkünfte geben?
Du solltest bei einem Krisentelefon, bei der Bahnhofsmission oder bei der Polizei anrufen und fragen, wo er unterkommen könnte und wenn du was gefunden hast, sollte dein Mann mit ihm zusammen da heute noch hingehen.
Er ist möglicherweise depressiv und es ist nicht sicher, ob er das alleine schafft.

So einen Schlafsack für unter 0 Grad, hast du den?

@Picassoratio
@Tajna

Hab sogar zwei ☝️ Bin nicht eher drauf gekommen.
Ich muss jetzt erst mal warten, wie die Situation ist und was mein Mann macht. Ansonsten fahren wir dann beide nochmals los.

@Nina75
So denke ich auch. Wir beide sitzen gerade in unserem warmen Zimmer, können jederzeit an den Kühlschrank und was zu Futtern nehmen. Duschen, warmes Bett...
Wie gesagt, du darfst das alles nicht zu nah an dich rangehen lassen. Denn du alleine trägst schließlich auch keine Schuld an dieser Situation. Du hast mit dem Bringen vom Essen schon mehr getan, als ein Großteil der Bevölkerung jemals tun würde.

Natürlich sollte man diese Probleme in unserer Gesellschaft nicht ignorieren und einfach wegschauen. Man sollte sich aber bewusst sein, dass wir für die Problemlösungen hochbezahlte Politiker haben. Milliarden an Steuergeldern könnten für Abhilfe schaffen. Wir selbst als Normalbürger haben genug eigene Probleme. Zwar gewissermaßen Luxusprobleme, aber dennoch muss es doch nicht sein, dass wir tätig werden müssen.
Solange der Staat sowas nicht auf die Reihe kriegt, kann man aber trotzdem an diese Organisationen spenden.

Nina75 schrieb:Das Problem ist, das man ja nicht weiss wer dieser Mensch ist. Ihn bei uns aufzunehmen, da habe ich schon Angst. Aber genauso tut es mir auch leid, wenn er da auf diesem harten Asphalt auf offener Strasse schlafen muss. Und es ist ziemlich kühl geworden.

Dieser Gedanke ist überhaupt nicht verwerflich. Mach dir kein schlechtes Gewissen. Wenn dich sein Schicksal so sehr bedrückt, kannst du ja mal schauen, wo es bei euch in der Umgebung eine Organisation gibt, die ihm helfen kann. Ich denke, dir und dem Herrn ist damit mehr geholfen, als wenn du ihn bei dir zu Hause aufnimmst und es für beide Seiten eine unangenehme Situation wird. ;)

Luminita schrieb:Nein nein, ich meinte ja auch nicht, dass die TE dies tun sollte - und entschuldige mich, wenn es den Anschein gemacht hat. Ich bin nichtmal davon ausgegangen, dass die TE das vorgehabt hätte. Auf jeden Fall Organisationen recherchieren und an ihn weiterleiten!

Haha, mach dir mal keinen Kopf. :D Das hab ich schon verstanden. Ich wollte damit der Diskussion nur noch ein bisschen mehr Inhalt geben, damit es etwas zu Lesen gibt, was zum Thema passt. ;)

@Nina75

Erkundige dich doch gleich mal telefonisch, wo er heute nacht noch unterkommen könnte.
Ein Schlafsack reicht vielleicht nicht, es kann nachts noch regnen.

@Nina75
Nun, mit dem Sozialamt (oder solzialer Dienst) hatte er ja schon Kontakt. Es gibt reichlich Möglichkeiten. Es gibt Obdachlosenunterkünfte, als Sammelunterkunft oder auch mit Einzelzimmern. Bei uns in der Stadt bekommen Leute auch im CVJM-Heim dauerhaft ein Zimmer. Die Stadt hat Immobilien, in denen sie Leute in kleinen Wohneinheiten unterbringen kann. Das passiert hier zum Beispiel dann, wenn Häuser für unbewohnbar erklärt werden. Aber auch Obdachlose werden da untergebracht, sofern sie noch, wie soll ich das sagen, wissen, wie man wohnt. Auf der Straße geht das Vielen verloren, wie man sich um die eigene Wohnung kümmert. Und schließlich, wenn gar nichts geht, kann man vom Amt einen Übernachtungsschein bekommen und ins Hotel.
Wenn all das hier nicht erfolgt, wird es dafür einen guten Grund geben.

@Ilvareth

Ilvareth schrieb:Wenn all das hier nicht erfolgt, wird es dafür einen guten Grund geben.

Vielleicht weil der Hilfsbedürftige depressiv oder verwirrt oder unterkühlt ist und daher gute Ratschläge nicht befolgt hat?

@Tajna
Nun, im Falle von verwirrt, depressiv oder unterkühlt hätte der soziale Dienst als Teil der kommunalen Einrichtungen den Hilfsbedürftigen ins Krankenhaus gebracht. Der Kontakt mit der richtigen Stelle war doch schon hergestellt.

@Nina75
Gibts bei euch U-Bahnen? Bei uns dürfen die da zumindest nachts die Zeit verbringen wenns kälter wird um nicht zu erfrieren. Aber ja sowas gibts hier dauernd, also Obdachlose. Kenne allerdings einige die denen da auch mal ein Brot oder so hinlegen, das ist cool, ich geb auch ab und zu was Kleines oder 1-2 Euro, aber das Problem ist halt dennoch da.

@Ilvareth
Von den meisten Dingen die du erwähnst hab ich noch nichts gehört, ich kannte nur die Gruppenunterkünfte.
Die Obdachlosen die ich auf diese ansprach meinten immer die mögen das nicht, weil zu viele Leute aufeinander hocken, das stresst und nebenbei soll viel geklaut werden. Die paar Sachen die diese Leute besitzen wollen die natürlich behalten.

@Ilvareth

Wir wissen nicht mal, wer genau mit dem Mann gesprochen hat.
Und wenns der soziale Dienst war, könnte er auch mal einen Fehler gemacht haben.

In der jetzigen Situation spielt es eigentlich keine Rolle, was vorher war.

@Sixtus66

Sixtus66 schrieb:die mögen das nicht, weil zu viele Leute aufeinander hocken, das stresst und nebenbei soll viel geklaut werden

plus gewalt und reglementierungen von außen. und di heime sind wohl vielerorts besonders dann voll, wenn das wetter schlechter wird.

die lebenswelt ist den meisten leuten fremd, deswegen ist es schwer nachvollziehbar für otto normalverbraucher, warum man nicht einfach ins obdachlosenheim geht.
dass komunen hotelkosten für obdachlose übernehmen, wenn die plätze im heim voll sind, mag vorkommen. ich tippe aber mal, dass man davon absieht und eher mit den schultern zuckt.

@Sixtus66
Also, bei uns gibts das Männerasyl, da gibt es Gemeinschaftsunterkünfte und eine „Wohnetage“ mit Ein-Zimmer-Wohnungen. Da kann man nach der Zeit auf der Straße quasi wohnen üben, da kommen aber auch die unter, die zwar ohne Wohnung sind, aber noch einen Job haben, denn für sechs Uhr aufstehen sind die Gemeinschaftsräume nicht so geeignet. Ein CVJM-Heim gibt es sicher nicht in jeder Stadt, aber hier ist auch das ne Möglichkeit. Und den Übernachtungsschein bekommt man in jeder Stadt, hier muss niemand nachts auf der Straße erfrieren.

Ford schrieb:Ich emfpehle dir, dass du dich von diesem einen Fall nicht zu sehr mitnehmen lässt. Denn du musst bedenken, dass es da draußen unzählige weitere solcher Schicksale gibt. Es ist eine sehr gute Tat, dass du deinen Mann mit dem Essen und Trinken losgeschickt hast. :Y:
Der Herr freut sich sicher darüber. Aber du alleine kannst nicht das Problem lösen. Sowas ist das Anliegen des Staats und wie du siehst, versagt der Staat in dieser Sache. Sowas passiert jeden Tag in Ländern wie Deutschland.

Wir müssen eine allgemeine Lösung für alle finden.

Genau, wir gucken alle weg und lassen andere alles machen - die ja total versagen und nichts machen!

Einer, der etwas tut, ist besser als keiner.
Aber nein, wir raten lieber anderen Menschen, nichts zu tun, denn es gibt ja viele Fälle.
Anstatt, dass jeder, der was tun möchte, darin bekräftigt wird und als gutes Beispiel voran geht und andere mitziehen kann, raten wir lieber dazu, nichts zu tun, damit auch gar nichts passiert...

Ford schrieb:Wir müssen eine allgemeine Lösung für alle finden.

solange die nicht gefunden ist, danken wir artig jedem, der sich trotzdem engagiert und zollen ihm respekt für die geste der solidarität und zivilcourage.