@kiki1962Auch in den von Dir so genannten "goldenen" Sechzigern in der BRD gab es massive Ausländerfeindlichkeiten.
Vor einiger Zeit sah ich auf WDR eine TV-Doku zur Geschichte der Migranten in NRW.
Da wurden Ausschnitte aus TV-Sendungen der sechziger Jahre gezeigt, in denen Echtdeutsche ihrem Rassismus freien Lauf liessen:
Die stinken nach Knoblauch, die sind hinter unseren Frauen her, die setzen sich auf den Rasen (offenbar besonders schlimm), man traut sich Nachts nicht mehr auf die Strasse mit all den Spaghettifressern, die haben alle ein Messer etc., die sind alle faul etc. - die ganzen Vorurteile, die der Herrenmensch gegenüber "dem Südländer" seit 1000 Jahren im Marschgepäck hatte.
Konsequenterweise reichte die Palette des "Was tun" auch von Rauswerfen über Einsperren bis "Alle vergasen". Deutscher Mund tut Wahrheit kund.
Nein, Rassismus ist keine Folge der Krise. Rassismus war auch schon vorher da. Mit der Krise ist er nicht zu entschuldigen.
Ich empfehle dazu zeitgenössische Filme wie "Katzelmacher" oder "Angst essen Seele auf". Gern auch das nachstehende Lied von Degenhardt:
"Tonio Schiavo
Vorwort:
Ein Gastwirt in Augsburg bat an seinem Tor ein Schild. Darauf steht: Eintritt für Gastarbeiter verboten.
Eine Gruppe ausländischer Arbeiter hatte deswegen Strafanzeige gegen den Gastwirt gestellt. Am 20. Oktober 70 wies die Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht München die Strafanzeige zurück mit der Begründung, Gastarbeiter gehören nicht zur Bevölkerung. Im übrigen sei bekannt, daß Gastarbeiter zu Körperverletzungen, Messerstechereien und sogar zu Sachbeschädigungen neigen.
Dies Lied ist gewidmet dem italienischen Gastarbeiter Tonio Schiavo. Er lebte nur kurze Zeit in der westdeutschen Stadt Herne.
Das ist die Geschichte von Tonio Schiavo,
geboren, verwachsen im Mezzo-giorno.
Frau und acht Kinder, un drei leben kaum,
und zweieinhalb Schwestern in einem Raum.
Tonio Schiavo ist abgehaun.
Zog in die Ferne,
ins Paradies,
und das liegt irgendwo bei Herne.
Im Kumpelhäuschen oben auf dem Speicher
möt zwölf Kameraden vom Mezzo-giorno
für hundert Mark Miete und Licht aus um neun,
da hockte er abends und trank seinen Wein,
manchmal schienen zum Dachfenster rein
richtige Sterne
ins Paradies,
und das liegt irgendwo bei Herne.
Richtiges Geld schickte Tonio nach Hause.
Sie zählten´s und lachten im Mezzo-giorno.
Er schaffte und schaffte für acht auf dem Bau.
Und dann kam das Richtfest und alle waren blau.
Der Polier, der nannte ihn "Itaker-Sau".
Das hört er nicht gerne
im Paradies,
und das liegt irgendwo bei Herne.
Tonio Schiavo, der zog sein Messer,
das Schnappmesser war´s aus dem Mezzo-giorno.
Er hieb´s in den fetten Bauch vom Polier,
und daraus floss sehr viel Blut und viel Bier.
Tonio Schiavo, den schnappten gleich vier.
Er sah unter sich Herne,
das Paradies,
und das war gar nicht mehr so ferne.
Und das ist das Ende von Tonio Schiavo,
geboren, verwachsen im Mezzo-giorno:
Sie warfen ihn zwanzig Meter hinab.
Er schlug auf das Pflaster und zwar nur ganz knapp
vor zehn dünne Männer, die waren müde und schlapp,
die kamen grad aus der Ferne - aus dem Mezzo-giorno -
ins Paradies,
und das liegt irgendwo bei Herne.
Nachwort:
Dieses Lied habe ich 1966 geschrieben. Es ist also ein sogenannter guter alter Degenhardt. Heute, 1971, fehlt eine letzte Strophe. Sie müßte dem Inhalt nach so lauten: Wenn die Arbeiter aller Länder sich verständigen, daß sie Klassengenossen sind, werden sie sich nicht mehr gegenseitig beschimpfen und erstechen. Dann werden sie ihre Waffen gegen ihren wahren Feind richten. Dieser Prozeß der Verständigung ist im vollen Gange, und er reicht von Hanoi bis San Franzisko, von Leipzig bis Kapstadt. Und er wird ganz sicher zu Ende geführt werden. Amen."
Nein, Rassismus gab es auch in den idealisierten Sechzigern!