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Verurteilung wegen Mordes für Raser

610 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Mord, Raser, Raser Mord ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Verurteilung wegen Mordes für Raser

21.06.2020 um 14:01
Zitat von monstramonstra schrieb:In Berlin war das nicht so. Nachdem das erste Urteil vom BGH zurückgewiesen wurde, war es nun möglich, den Ausnahmefall entsprechend gut zu begründen. Die objektive Gefährdungslage (Ku'Damm, 130 km/h, mehrere rote Ampeln missachtet) bleibt der Ausgangspunkt für die anschließende Vorsatzkonstruktion. Trotzdem will auch so ein Täter keinen Unfall. Er will nicht selbst ums Leben kommen, will nicht sein Auto zerstören. Und würde deshalb auch versuchen, einem Hindernis auszuweichen.
Da geht es um den "bedingten Vorsatz" . In der laufenden Rechsprechung hat sich herausgebildet das dieser gegeben sein
kann obwohl der "Erfolg" unerwünscht ist. Dann ist natürlich die Frage warum bei tödlichen Raserunfällen man nie die Frage
abgeklopft hat ob ein bedingter Tötungsvorsatz vorliegt. Es haben sich 3 Punkte herauskristallisiert:

* Das haben wir immer so gemacht.
* Das haben wir nie anders gemacht
* Wo kämen wir denn da hin?

Diese Privileg der Raser ist jetzt weg.
Sie müssen sich derselben Beurteilung stelle wie Angeklagte die den Tod anderer Menschen auf andere Weise verursacht haben.
Ich persönlich finde das gut :-)

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Verurteilung wegen Mordes für Raser

21.06.2020 um 14:57
Damit ich nicht falsch verstanden werde: Ich bin für harte Strafen für solche Taten. Aber den Mord-Straftatbestand und die lebenslange Freiheitsstrafe halte ich rechtlich für falsch und unangemessen.
Zitat von frauZimtfrauZimt schrieb:Diskounfälle? (...) Diese Vorkommnisse sind anders einzuordnen.
Warum? Besoffen zu Rasen ist vergleichbar unvernünftig - und tödlich. Warum hier kein bedingter Vorsatz, wenn Gas gegeben wird?
Zitat von KaMailLeonKaMailLeon schrieb:Leider wird das nicht alle erreichen, aber zumindest einen gewissen Prozentsatz von denen, da bin ich mir ziemlich sicher.
Das Problem ist immer - wie bei vielen Straftaten: "Ich werde schon nicht erwischt werden." Oder: "Bisher ist noch immer alles gut gegangen."
Zitat von threefishthreefish schrieb:Dann ist natürlich die Frage warum bei tödlichen Raserunfällen man nie die Frage
abgeklopft hat ob ein bedingter Tötungsvorsatz vorliegt.
Ganz einfach: Er liegt nicht vor. Deshalb hat man bislang nicht wegen Mordes verurteilt.

Bei den klassischen Fällen des bedingten Vorsatzes kommt es dem Täter zwar nicht darauf an, den wahrscheinlichen Erfolg (=Tötung) zu verursachen. Aber er findet sich damit ab, um ein anderes Ziel zu erreichen. Das ist z.B. bei den Fluchtfällen der Fall. Oder beim Autofahrer, der in Selbstmordabsicht als Geisterfahrer auf die Autobahn fährt und einen tödlichen Unfall provoziert (den er überlebt).

Wenn ich nun einen Fall habe, wo es für mich schwer vorstellbar ist, dass ein Raser sich mit einem tödlichen Unfall abfindet, dann unterscheidet der sich davon. Denn der Raser möchte weder, dass sein dolles Auto zu Schrott wird (und die Versicherung wird nicht zahlen), noch dass ihm selbst ein Unheil (schwere Verletzung, eigener Tod) geschieht. Er nimmt zwar das Risiko in Kauf (das ist der Nervenkitzel), aber er nimmt nicht den Erfolg "billigend in Kauf". Den möchte er vermeiden. Und er hält sich für so großartig, dass er auch sicher ist, er würde ihn vermeiden können.

Und das ist ziemlich eindeutig eine grobe Pflichtwidrigkeit und damit grobe Fahrlässigkeit.

Drängt man den - zwingend mit Lebenslang belegten - Vorsatz bei Mord immer weiter in die Fahrlässigkeit hinein, wird es immer schwieriger, grobe von besonders grober Fahrlässigkeit abzugrenzen. Letztlich weitet man den Mordtatbestand aus, obwohl der eigentlich eng ausgelegt werden soll. Und verhängt Strafen, die nicht mehr schuldangemessen sind.


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Verurteilung wegen Mordes für Raser

21.06.2020 um 15:08
Zitat von monstramonstra schrieb:Das Problem ist immer - wie bei vielen Straftaten: "Ich werde schon nicht erwischt werden." Oder: "Bisher ist noch immer alles gut gegangen."
Mag vielleicht sein, aber auf harte Strafen deshalb verzichten, weil potentielle Täter so denken halte ich auch für keine sinnvolle Lösung.

Vielmehr denke ich das durch diese harte Strafe(n) den Opfern und Hinterbliebenen ein gewisser Respekt entgegengebracht wird.

Man kann ihnen ihre "Liebsten" nicht mehr zurückbringen aber die Täter wurden gefaßt und mit aller Härte bestraft.

Das ist ein nicht zu unterschätzender Faktor und jeder redliche Bürger hat dann die Gewissheit das der Staat mit aller Macht derartiges nicht duldet und diese Verbrechen/-er nicht ungestraft bleiben/davonkommen.


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Verurteilung wegen Mordes für Raser

21.06.2020 um 18:25
Zitat von KaMailLeonKaMailLeon schrieb:Vielmehr denke ich das durch diese harte Strafe(n) den Opfern und Hinterbliebenen ein gewisser Respekt entgegengebracht wird.
Dieser Gedanke sollte meines Erachtens nach nur greifen, wenn alle Tatbestandsmerkmale zweifellos erfüllt sind. Dann kann und sollte dieser Aspekt (die Opferseite) unbedingt Beachtung finden, aber nicht vorher.


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Verurteilung wegen Mordes für Raser

21.06.2020 um 18:37
Zitat von BruderchorgeBruderchorge schrieb:Dieser Gedanke sollte meines Erachtens nach nur greifen, wenn alle Tatbestandsmerkmale zweifellos erfüllt sind.
Nun ich denke das trifft wohl in diesem Falle zu. Denn die beiden Raser wurden ja, so viel mir bekannt ist, nach der Fahrt dingfest gemacht. Oder? Da kann man sich schwerlich rauswinden wenn man aus den beiden Boliden aussteigt und kurz zuvor ein Menschenleben ausgelöscht hat...

Jeder der mit einem KFZ egal ob Motorrad/Auto/Mofa... mit überhöhter Geschwindigkeit durch eine Stadt oder geschlossene Ortschaft "brettert" verhält sich in meinen Augen wie jemand der mit gezogener und entsicherter Waffe + den Finger am Abzug durch die Gegend läuft!

Da gibts nichts zu beschönigen oder kleinzureden. Im vorliegenden Falle wurde endlich mal Recht gesprochen und Gerechtigkeit walten gelassen. (mM)


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Verurteilung wegen Mordes für Raser

21.06.2020 um 19:13
Zitat von monstramonstra schrieb:Wenn ich nun einen Fall habe, wo es für mich schwer vorstellbar ist, dass ein Raser sich mit einem tödlichen Unfall abfindet, dann unterscheidet der sich davon. Denn der Raser möchte weder, dass sein dolles Auto zu Schrott wird (und die Versicherung wird nicht zahlen), noch dass ihm selbst ein Unheil (schwere Verletzung, eigener Tod) geschieht. Er nimmt zwar das Risiko in Kauf (das ist der Nervenkitzel), aber er nimmt nicht den Erfolg "billigend in Kauf". Den möchte er vermeiden. Und er hält sich für so großartig, dass er auch sicher ist, er würde ihn vermeiden können.
Wie ich schon geschrieben habe:
In der laufenden Rechtsprechung schliesst eine ungewollter "Erfolg" einen bedingten Vorsatz nicht aus.
Deswegen ist das Raser-Privileg auch aus meiner Sicht nicht mehr zeitgemäss .
Es kommt immer auf die Umstände des Einzelfalls an .
Zitat von monstramonstra schrieb:Drängt man den - zwingend mit Lebenslang belegten - Vorsatz bei Mord immer weiter in die Fahrlässigkeit hinein, wird es immer schwieriger, grobe von besonders grober Fahrlässigkeit abzugrenzen. Letztlich weitet man den Mordtatbestand aus, obwohl der eigentlich eng ausgelegt werden soll. Und verhängt Strafen, die nicht mehr schuldangemessen sind.
Da bringst zu zwei Sachen durcheinander :
Der Mordtatbestand zeichnet sich nicht durch den Vorsatz aus.
Es gibt im deutschen Recht zwei Formen der vorsätzlichen Tötung:
"Totschlag" und "Mord". Für die rechtliche Beurteilung steht immer erst die Frage an ob die Tötung vorsätzlich war.
Dafür spielt es keine Rolle ob "Totschlag" oder "Mord" . Diese Frage kommt erst später in Spiel.

Da geht es um besonders verwerfliche Motive. Es steht explizit im Gesetz "oder sonst aus niedrigen Beweggründen" .
Die Liste der Möglichen besonders Verwerflichen Motive ist bewusst offen gehalten.
Das ist der Grund warum die Anwendung der Mordparagraphen für Raser vollkommen mit der Intention des Gesetzes in Einklang sind.

Es geht also gar nicht um die Vorsätzlichkeit der Tat, sondern um die Verwerflichkeit des Motivs.
Und das der Tot eines anderen Menschen für die kurzfristige Politur des eigenen Egos ein verwerfliches Motiv ist , das kann man wohl mit gutem Gewissen begründen.


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Verurteilung wegen Mordes für Raser

21.06.2020 um 19:33
Zitat von threefishthreefish schrieb:Deswegen ist das Raser-Privileg auch aus meiner Sicht nicht mehr zeitgemäss .
Es gab nie ein Raser-Privileg.
Zitat von threefishthreefish schrieb:Dann ist natürlich die Frage warum bei tödlichen Raserunfällen man nie die Frage
abgeklopft hat ob ein bedingter Tötungsvorsatz vorliegt. Es haben sich 3 Punkte herauskristallisiert:

* Das haben wir immer so gemacht.
* Das haben wir nie anders gemacht
* Wo kämen wir denn da hin?
Wo steht das? Im BGH-Urteil?


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Verurteilung wegen Mordes für Raser

21.06.2020 um 20:00
Zitat von KaMailLeonKaMailLeon schrieb:Oder? Da kann man sich schwerlich rauswinden wenn man aus den beiden Boliden aussteigt und kurz zuvor ein Menschenleben ausgelöscht hat...
Es geht ja um den subjektiven Tatbestand, Vorsatz oder Fahrlässigkeit, um das abzugrenzen reicht es nicht den Täter am Tatort anzutreffen.
Zitat von KaMailLeonKaMailLeon schrieb:Jeder der mit einem KFZ egal ob Motorrad/Auto/Mofa... mit überhöhter Geschwindigkeit durch eine Stadt oder geschlossene Ortschaft "brettert" verhält sich in meinen Augen wie jemand der mit gezogener und entsicherter Waffe + den Finger am Abzug durch die Gegend läuft!
Das erscheint mir sehr emotional argumentiert, das ist als Betroffener auch nachvollziehbar, aber es sollte nicht der Anspruch an die Urteilsbegründung sein.


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Verurteilung wegen Mordes für Raser

21.06.2020 um 21:16
Zitat von monstramonstra schrieb:Es gab nie ein Raser-Privileg.
Tatsache ist : Früher wurde bei tödlichen Raser-Unfällen vor Gericht nicht abgeklopft ob ein Vorsatz vorlag.
Z.b. für jemanden der in einer Schlägerei eine tödliche Verletzung beibringt gilt das nicht.
Da wird schon immer vor Gericht das für und wieder abgewogen.
Für mich ist das ein Privileg.
Zitat von monstramonstra schrieb:Wo steht das? Im BGH-Urteil?
Nein das lässt sich logisch schliessen:
Jahrzehntelang wurde keine Raser für ihre tödlichen Unfälle wegen Mordes verurteilt.
Jetzt auf einmal stellt man fest das dieses mit den vorhandenen Mitteln der laufenden Rechsprechung möglich ist.
Es ist für mich nicht plausibel das es früher keine derartigen Raser-Unfälle gegeben hat.
Ergo hätte man schon lange derartig urteilen können.


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Verurteilung wegen Mordes für Raser

21.06.2020 um 22:07
Zitat von threefishthreefish schrieb:Tatsache ist : Früher wurde bei tödlichen Raser-Unfällen vor Gericht nicht abgeklopft ob ein Vorsatz vorlag.
Z.b. für jemanden der in einer Schlägerei eine tödliche Verletzung beibringt gilt das nicht.
Tut mir leid, aber das ist Unsinn.

1. Natürlich wurde bisher schon immer ein Vorsatz mitgeprüft - und verneint.
2. Wer in einer Schlägerei den Tod eines anderen verursacht, begeht entweder vorsätzlichen Totschlag oder fahrlässige Tötung. Auch das ist zu prüfen. Siehe z.B. den Fall auf dem Königsplatz in Augsburg.

Ich zitiere hier mal ausführlich aus einem Bericht über die Urteilsverkündung. Zusammengefasst sagt die Vorsitzende Richterin einleitend:

- Es handelt sich nicht um klassisches Tötungsdelikt.
- Das Auto ist keine Waffe.
- Die Gefährlichkeit der Handlung sei (nur) ein Indikator für einen Vorsatz.
- Es kommt auf den Einzelfall an.
- Fahrlässig handelt, wer darauf vertraut, es werde schon gut gehen.
- Vorsätzlich handelt, wer den Tod Dritter billigend in Kauf nimmt oder sich damit abfindet.
Vorab betonte die Vorsitzende Richterin Beate Sost-Scheible, wie schwierig solche Raserfälle zu lösen sind. Es handele sich hier nicht um klassische Tötungsdelikte, "hier wird ja nicht mit einer Pistole geschossen", so die Richterin. Vielmehr sei das Auto ein "neutraler Gegenstand", der hier auch nicht als Waffe eingesetzt werde. Zudem werde das Opfer nicht gezielt ins Visier genommen.

Erforderlich sei bei Raser-Fällen eine "umfassende Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände", betonte die Richterin. Die hochgefährliche Handlung sei dabei ein "Indikator" für einen möglichen Vorsatz. Entscheidend seien aber immer die Umstände des Einzelfalls.

Auch bei Raserfällen seien die allgemeinen Kriterien für die Abgrenzung von Vorsatz und Fahrlässigkeit anzuwenden, so Sost-Scheible. Wenn der Raser den Tod anderer Verkehrsteilnehmer billigend in Kauf nimmt oder sich gleichgültig mit ihm abgefunden hat, sei dies als bedingter Vorsatz zu werten. Hat der Raser jedoch darauf vertraut, es werde schon gut gehen, liege Fahrlässigkeit vor. Die Abgrenzung sei außerordentlich schwierig, weil man den Fahrern "nicht in den Kopf sehen kann", so die Richterin.
https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/bgh-urteil-4str48219-zweite-entscheidung-raser-fall-kudamm-mord-details/

Die Berichterstattung klingt so, als ob der zuständige Senat des BGH eher skeptisch war, was die Annahme eines Mordes anbelangt. Letztlich wollte er aber nicht in die Bewertung des Tatgerichts eingreifen (Sachfrage und keine Rechtsfrage) und auch nicht grundlegend eine Anwendung des Mordtatbestandes auf Raserfälle ausschließen.


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Verurteilung wegen Mordes für Raser

21.06.2020 um 22:38
Zitat von monstramonstra schrieb:1. Natürlich wurde bisher schon immer ein Vorsatz mitgeprüft - und verneint.
@monstra
Dafür hätte ich gerne einen Beleg.
Zitat von monstramonstra schrieb:- Vorsätzlich handelt, wer den Tod Dritter billigend in Kauf nimmt oder sich damit abfindet.
genau


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Verurteilung wegen Mordes für Raser

21.06.2020 um 23:04
Zitat von frauZimtfrauZimt schrieb:Dafür hätte ich gerne einen Beleg.
Raser-Fälle sind nichts Neues. Da hat ein Fahrer bei 200 km/h die Gewalt über sein Fahrzeug verloren. Der Beifahrer starb.

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=82fd3df3c447e19ff493392e7915db21&anz=1&pos=0&nr=45954&linked=pm&Blank=1

Bisher wurde der Vorsatz aus den selben Gründen verneint, die ich vorbringe:
Nach der Rechtsprechung verweist das Wollens-Element auf eine innere emotionale Einstellung des Handelnden zu den erkannten Gefahren: Wer faktisch noch auf einen guten Ausgang vertraut, bei dem kann von einem "Billigen" des Erfolgs keine Rede sein. Eine Tötung Dritter geht in den Raser-Fällen immer auch mit einer Fremdgefährdung einher; deshalb scheint ein "Billigen" durch den Fahrer mehr als zweifelhaft. Da es den Rasern entscheidend darauf ankommt, mit einem unbeschädigten Fahrzeug als erster ans vereinbarte Ziel zu gelangen, dürften sie diese Gefahren zumeist ausblenden oder verdrängen, sich aber gerade nicht mit ihnen abfinden.
https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/ku-damm-raser-zweites-bgh-urteil-mord-vorsatz-eigengefaehrdung-risiko/

Die Rechtsprechung dehnt damit den Vorsatz immer weiter aus. Das ist bedenklich, wenn Vorsatz auch gegeben sein soll, obwohl der Täter den Erfolgseintritt ablehnt und zu vermeiden trachtet.
Lässt es sich rechtfertigen, die kategoriale Trennung von Vorsatz und Fahrlässigkeit zu verwässern, um in einzelnen Fällen eine als notwendig empfundene harte Strafe verhängen zu können und darf man den Beweis der inneren Tatsachen durch Wahrscheinlichkeitsaussagen auf der Basis eigener Plausibilitätsvorstellungen ersetzen?
Damit wird einer willkürlichen Strafrechtsprechung Tür und Tor geöffnet. Dahinter steht:
Die sog. „Raser-Fälle“ werfen ein Schlaglicht auf die gegenwärtige Kultur der Strafrechtspflege in Deutschland sowie ihre Wahrnehmung im In- und Ausland. Sie zeigen, wie Strafrecht instrumentalisiert werden, aber zugleich auch selbst bereit sein kann, sich instrumentalisieren zu lassen. Obwohl von den Rasern statistisch (!) nur eine geringe Gefährdung ausgeht, ist es interessierten Diskursteilnehmern u.a. in Politik, Presse, Strafverfolgung gelungen, ein geradezu groteskes Bedrohungsszenario zu zeichnen.

Dahinter erscheint der Wunsch, eine Gefährdung der Gesellschaft zu postulieren, hiergegen Härte zu zeigen und sich auf diese Weise als Beschützer von „Recht und Ordnung“ zu profilieren. Scheinbare, jedenfalls empirisch nicht validierte, Gefährdungslagen, sollen es rechtfertigen, bewährte Kategorien des Strafrechts und des Prozessrechts preiszugeben, da diese einer vermeintlich gerechten Bestrafung der häufig schon von vornherein als solcher feststehenden „Mörder“ im Wege stehen.
https://kripoz.de/2018/03/17/voluntatives-vorsatzelement-und-psychologisches-schuldmoment-die-diskussion-um-die-sog-raser-faelle-als-ausdruck-einer-sich-wandelnden-strafkultur/


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Verurteilung wegen Mordes für Raser

21.06.2020 um 23:51
Zumindest die Darstellung die Verurteilung käme aus der Stammtisch Volks Seele ist falsch.
Ein Rechtsprofessor schreibt:
Das Urteil gegen die Männer, die beim Autorennen einen Menschen töteten, wird überwiegend als Symbolik bewertet. Michael Kubiciel findet es dagegen rechtsdogmatisch nicht überraschend.
https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/kudamm-raser-berlin-urteil-mord-211-stgb-315-stgb-kommentar/

Es gibt also offenbar mehrere Rechtsmeinungen in der Welt der Juristen.
Die Volksseele ist nicht immer einer Meinung mit dem Ergebnis der Rechtspflege.
Das schliesst aber nicht aus das es manchmal zusammenpasst...
Zitat von monstramonstra schrieb:Die Rechtsprechung dehnt damit den Vorsatz immer weiter aus. Das ist bedenklich, wenn Vorsatz auch gegeben sein soll, obwohl der Täter den Erfolgseintritt ablehnt und zu vermeiden trachtet.
Full Ack den stimme ich zu!
Hat aber mit dem Kudamm Raser Fall nichts zu tun. Dort ist absolut nicht zu erkennen das der Erfolgseintritt ablehnt und/oder zu vermeiden versucht wurde.


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Verurteilung wegen Mordes für Raser

22.06.2020 um 10:29
Zitat von BruderchorgeBruderchorge schrieb:Das erscheint mir sehr emotional argumentiert, das ist als Betroffener auch nachvollziehbar, aber es sollte nicht der Anspruch an die Urteilsbegründung sein.
Es ist emotional argumentiert (geb ich dir recht), trifft es mMn aber auf den Punkt. Das Beispiel (entsicherte, geladene Waffe) kann gutgehen genau wie ein illegales Autorennen (mitten im öffentlichen Straßenverkehr) gutgehen kann.
Fakt ist mMn jedoch, das diejenigen billigend in Kauf nehmen das andere Beteiligte (Autorennen) sowie Unbteiligte zu Schaden bzw. im schlimmsten Fall zu Tode kommen.

Ich bin kein Jurist, aber trotzallem halte ich das Urteil für mehr als gerecht und ein Schritt in die richtige Richtung auch in Hinblick auf Strafmaße bei zukünftig anderen oder gleich gelagerten Vergehen!


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Verurteilung wegen Mordes für Raser

22.06.2020 um 11:39
Zitat von threefishthreefish schrieb:Es gibt also offenbar mehrere Rechtsmeinungen in der Welt der Juristen.
Ja, das ist völlig normal, so lange innerhalb der tradierten juristischen Argumentationslehre begründet wird. Das tut der verlinkte Rechtsprofessor übrigens nicht, er argumentiert als normaler Bürger und eben nicht als Rechtsdogmatiker. So muss er auch letztlich offen lassen, was genau im Berliner Fall § 211 StGB rechtfertigt - und in anderen ähnlichen Fällen 2 Jahre und 9 Monate.
Zitat von threefishthreefish schrieb:Hat aber mit dem Kudamm Raser Fall nichts zu tun. Dort ist absolut nicht zu erkennen das der Erfolgseintritt ablehnt und/oder zu vermeiden versucht wurde.
Der Raser hat den Unfall nicht gewollt. Er wäre dem Jeep ausgewichen, wenn er noch gekonnt hätte. Er wusste zwar, dass es zu einer solchen Situation kommen könnte, aber deshalb hat der Täter sich nicht damit abgefunden (oder gar billigend in Kauf genommen). Denn die Zerstörung seines Autos und die Gefährdung seines eigenen Lebens war ihm nicht egal. Er glaubte - durch maßlose Selbstüberschätzung - er könne die Situation noch beherrschen.

Wer ob des "Thrills" oder um seine Kumpels zu beeindrucken mit einem Revolver "Russisches Roulette" spielt, der will sich nicht töten. Nur wenn er die Waffe einem Anderen an den Kopf hält, wäre es Mord. Doch im Raserfall sind Eigengefährdung und Fremdgefährung untrennbar miteinander verknüpft. So dass der Gefährder eben auch die Eigengefährdung in Kauf nimmt. Aber eben als Erfolg genauso ablehnt, wie die Fremdgefährdung.


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Verurteilung wegen Mordes für Raser

22.06.2020 um 12:24
Zitat von monstramonstra schrieb:Ja, das ist völlig normal, so lange innerhalb der tradierten juristischen Argumentationslehre begründet wird. Das tut der verlinkte Rechtsprofessor übrigens nicht, er argumentiert als normaler Bürger und eben nicht als Rechtsdogmatiker. So muss er auch letztlich offen lassen, was genau im Berliner Fall § 211 StGB rechtfertigt - und in anderen ähnlichen Fällen 2 Jahre und 9 Monate.
Definitiv falsch:
Das Urteil ist eine Zäsur; rechtsdogmatisch überraschend ist es nicht. Wer etwa die einschlägigen Partien zum bedingten Vorsatz im Lehrbuch von Claus Roxin liest, wird keine Stelle finden, mit der er die Ablehnung des bedingten Vorsatzes begründen kann. Das Gegenteil ist der Fall.
Zitat von monstramonstra schrieb:Der Raser hat den Unfall nicht gewollt. Er wäre dem Jeep ausgewichen, wenn er noch gekonnt hätte. Er wusste zwar, dass es zu einer solchen Situation kommen könnte, aber deshalb hat der Täter sich nicht damit abgefunden (oder gar billigend in Kauf genommen). Denn die Zerstörung seines Autos und die Gefährdung seines eigenen Lebens war ihm nicht egal. Er glaubte - durch maßlose Selbstüberschätzung - er könne die Situation noch beherrschen.
Wenn das Gericht das genauso sieht , dann erfolgt kein Urteil wegen Mordes.
Es geht aber um den Fall das das Gericht zu einem anderen Schluss kommt.
Dann darf imho das Gericht keine Skrupel haben ein Mordurteil zu fällen.


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22.06.2020 um 15:41
Zitat von monstramonstra schrieb:Damit ich nicht falsch verstanden werde: Ich bin für harte Strafen für solche Taten. Aber den Mord-Straftatbestand und die lebenslange Freiheitsstrafe halte ich rechtlich für falsch und unangemessen.
Man muss Jurist sein, um das ordentlich differenzieren zu können. Nichtjuristen gehen an so etwas immer vom Ergebnis und vom Einzelfall heran und sehen nicht die damit verbunden Implikationen. So eine Diskussion hier zu führen, kann nur schief gehen.

Dieser Fall wurde - systematisch betrachtet - nicht richtig entschieden. Z.B. der Punkt mit dem Versuch zeigt das deutlich. Ein Autorennen innerorts mit weit überhöhter Geschwindigkeit zu fahren, ist - wenn nicht besondere Umstände hinzu kommen - einfach kein Mordversuch.
Das Problem hier war einfach, dass für diese Situation ein passender Straftatbestand fehlte. Alles, was es gab, hätte dem Grunde nach zu einem zu milden Strafrahmen geführt.

Und natürlich war die Sinnlosigkeit des Resultates besondern hervorstechend. Nur weil ein paar Deppen ihr Ego streicheln wollten und dafür einen sehr gefährlichen Weg wählten, starb ein Mensch.

Aber der Unrechtsgehalt ist nicht mit einer Situation vergleichbar, in der ein Täter jemanden tötet, weil es ihm Spaß macht.

Ich finde das Ergebnis in gewisser Weise "menschlich zufriedenstellend". Aber die Herleitung entspricht nicht unseren rechtlichen Grundsätzen.

Bei einem Punkt muss ich Dir aber widersprechen: Totschlag als Alternative wäre doch keine Option. Wenn wir mal den Tötungsvorsatz annehmen, dann spielt es nur noch eine Rolle, ob ein Mordmerkmal vorliegt oder nicht. Sobald das der Fall ist, scheidet der Totschlag aus.
Auch da gibt es diverse Fallkostellationen, in denen das zu einem ungerechten Ergebnis führt, weil es nichts wie einen "Mord in einem minderschweren Fall" gibt und damit keine Möglichkeit, irgend etwas im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen.


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Verurteilung wegen Mordes für Raser

22.06.2020 um 15:57
Zitat von kleinundgrünkleinundgrün schrieb:Dieser Fall wurde - systematisch betrachtet - nicht richtig entschieden. Z.B. der Punkt mit dem Versuch zeigt das deutlich. Ein Autorennen innerorts mit weit überhöhter Geschwindigkeit zu fahren, ist - wenn nicht besondere Umstände hinzu kommen - einfach kein Mordversuch.
Das ist noch nicht das letzte Wort gesprochen:
Der zweite Beteiligte an den Kudamm Rennen bekommt einen dritten Prozess.
Falls dort festgestellt wird das kein gemeinsamer Tatenschluss vorlag gibt es verschiedene Möglichkeiten das zu ahnden.
Eine Möglichkeit ist sicherlich auf versuchten Mord zu urteilen.
Der BGH geht offenbar davon aus das es mehr sein wird als fahrlässige Tötung.
Sonst hätten sie nach 4 Jahren U-Haft dne Haftbefehl sicher aufgehoben.


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Verurteilung wegen Mordes für Raser

22.06.2020 um 16:02
Zitat von threefishthreefish schrieb:Eine Möglichkeit ist sicherlich auf versuchten Mord zu urteilen.
Warum "versuchter Mord"? Das Opfer ist doch tot.


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Verurteilung wegen Mordes für Raser

22.06.2020 um 16:08
Zitat von kleinundgrünkleinundgrün schrieb:Warum "versuchter Mord"? Das Opfer ist doch tot.
Aber durch die Handlung des anderen Fahrers.
Bei dem Urteil wurde die Begründung eines gemeinsamen Tatenschlusses als mangelhaft zurückgewiesen.
Wenn er für die Handlung des anderen nicht zur Rechenschaft gezogen werden kann , dann natürlich
trotzdem für die eigene.


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