Warhead hat mal wieder einen ideologischen Wutanfall.
Das Chavez seine Macht auf den Barrios, die er mit immer neuen Almosenprogrammen ruhig stimmt ohne dabei eine spürbare materielle Verbesserung der Lebenslage der subalternen Klassen zu erreichen, konstituiert, steht außer Frage. Das feiern westliche Linke ab als wäre gerade der pure Kommunismus etabliert wurden. Reden wollen sie gern über Venezuela, über ihren Caudillo, über den Sozialismus des 21. Jahrhunderts, der hoffentlich nicht so lange währt wie der realexistente des vergangegen Jahrtausends.
Und wirklich auszusetzen haben die Ideologen an ihrem Führer und dem venezolanischen Projekt nichts. Was stört es sie, das die arme Bevölkerung gleich doppelt an den Staat gebunden wird: Als Produzenten eines Almosenwohlstandes in den Kooperativen, die den staatlichen Lebensmittelmärkten Mercal erst die Regale vollstellen, an denen dann die Unterschichtler als Konsumenten sich "bereichern" dürfen. Das ist nichts weiter als eine Erpressung, nur bringt man sie netter rüber. Geboten wird minimaler sozialer Standard für Gefolgschaft. Der Einzelne hat sich ins Kollektiv einzuordnen, das dass so bleibt, dafür sorgen die sogenannten "bolivarianischen Zirkel", Stadteilmilizen und Nachbarschaftsräte, den "Consejos Comunales" die die Herrschaft des Bolivarianismus auch im kleinen rigoros absichern. Ihnen ist die Aufgabe zuteil geworden, völlige soziale Kontrolle auszuüben, unterstützt werden sie dabei von den Polizisten in den Armenvierteln, die dort zum Einsatz kommen, wo sie auch leben. Das trägt den Charakter personaler und unmittelbar ausgeübter Herrschaft, hat den Sinn die Privatautonomie des Einzelnen zu beschneiden - schließlich hat der sich einem höheren Ziel unterzuordnen. Übrigens ist dieses Modell gesetzlich legitimiert.
Der Mythos, das venezolanische Modell wäre eines des ganzen Volkes, stimmt hinten und vorne nicht. Das Volk ist gespalten wie nie zuvor, auch wenn das die chavistische Staatspropaganda, die gerne die Venezolaner über einen Leisten schlägt und gesellschaftliche Widersprüche und Klassen unter mithilfe markiger Propagandasprüche negiert und zur Chavez-treuen Volksgemeinschaft stilisiert, wettmachen will. Und die Armen, auf denen die ganze Macht beruht, wie ja eingangs schon erwähnt, haben auch nicht viel zu melden. Die bereits erwähnten Graswurzelinitiativen haben das Recht, Vorschläge einzubringen und dürfen ungestört (selbstverständlich solange sie die herrschende Ordnung nicht antasten) ihre Angelegenheiten auf partikularer Ebene regeln. Tatsächlich bleibt die Macht aber in Händen der Bürokratie, die bekanntlich der Caudillo verwaltet bzw. anleitet. Er und seine Clique sorgen dafür, das immer wieder neue Personen, die sich als vertrauenswürdig empfohlen haben, ins Zentrum der Macht, wo sie wie ein gutgeöltes Rädchen zu laufen haben, nachrücken. Die Entlassenen werden der Menge dann als Verräter zum Fraß vorgeworfen. Europäische Linke wollen natürlich auch einen Happen abhaben.
Inwiefern es rätesozialistisch (man benutzt dieses Etikett ja dann und wann schonmal um dem Modell einen angeblich geeigneten Namen zu geben) ist, wenn ein Präsident die direkte Unterstellung der Zentralbank unter die Regierung fordert, unendlich wiedergewählt werden will, eine Erlaubnis für den Militäreinsatz im Inneren fordert (Hieße die Armee Bundeswehr und stünde in Deutschland wärs natürlich zu veurteilen und es wäre politisch dagegen zu agieren. Da aber der glorreiche Sozialismus des 21. Jahrhundert, der den Armen nicht viel Fressen aber sehr viel Kontrolle gebracht hat, gegen Volksfeinde und anderen Unrat zu verteidigen ist, geht das sicher klar, Warhead, oder?) sowie die direkte Unterstellung der Armee unter seine Fittiche nehmen will - darüber schweigen sich Scharen begeisterter Revolutionstouristen aus. Zum Glück ist das Referendum Ende letzten Jahres, das dann aus Venezuela offiziell die Diktaktur, die es ist, weil Führer und Staat alles, das Individuum aber nichts ist, gemacht hätte, gescheitert.
Lammfromme westliche Beobachter des venezolanischen Sozialismus' fragen sich bestimmt auch hier und da, was man für ein Mensch sein muss, um mit arabisch-islamischen Naziführern sich gemein zumachen? Denn der Hugo, der jetzt auch singt, weil jeder Diktator ein Hobby haben muss, (Hitler saß gern im Kino, Kim Jong Il ver
schleudert den nordkoreanischen Staatshaushalt im wahrsten Sinne des Wortes durch sein allseits beliebtes Hobby), ist ja ziemlich dicke mit Atom-Ahmadinedschad und der libanesischen Schweinsblase Nasrallah, schickte Mitarbeiter nach Saddam-Irak und hat dem polykratischen Regime in Teheran achsenwürdige Treue geschworen. Vielleicht gibt der Zustand seines Staates mehr Auskunft. Wie sieht es denn nun in einem Staat aus, in dem der Präsident zu Randale gegen die "Nachfahren derer, die Christus gekreuzigt haben", aufruft, aus? Dazu darf Karl Pfeifer mehr sagen: http://www.engageonline.org.uk/blog/article.php?id=898 (Archiv-Version vom 20.05.2008)
Abschließend eine Frage: Hat man in Venezuela eigentlich die Beschäftigten, die von ihrem Recht auf Streik Gebrauch machten und im Winter um den Jahreswechsel 02/03 gegen die Regierungspolitik streikten, wieder eingestellt? Immerhin waren das 19.000 Angestellte der PDVSA die fristlos gekündigt wurden. Den restlichen 20.000, die direkt im Ölsektor arbeiten und weiteren 60.000, die indirekt ihren Beschäftigungsbreich in diesem haben, wurde der Lohn gekürzt und die Arbeitszeit um die Hälfte verlängert (Repression? Nein, die gibts nur im Westen). Schon damals stand Venezuela nach nur einer (ich wiederhole: einer) Woche vor der Zahlungsunfähigkeit. Wenn der Irak seine Ölförderung in vollem Ausmaß wieder aufnimmt und vor Brasilien tatsächlich das weltweit drittgrößte Ölfeld entdeckt wurde bzw. es gefördert wird sinkt der Ölpreis aller Vorraussicht nach. Dann brechen in Venezuela ungemütliche Zeiten an.
P.S.: Kuba war anfänglich toll, weil man ganz eurozentristisch mit autochthoner Hinterwäldlerkultur brechen wollte und an Emanzipation interessiert bzw. Lebensverbesserung für die Allgemeinheit interessiert war. Das bestreitet niemand. Das man aber Cuba nicht die Solidarität entziehen kann ohne die Schrecknisse der Batistaherrschaft um die Ohren gehauen zu bekommen - dafür stehen Leute wie du ein.