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Brauchen wir Studiengebühren?

13 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: UNI, Studiengebühren ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
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Brauchen wir Studiengebühren?

11.05.2012 um 15:03
JA!
In Nordrhein-Westfalen wird am Sonntag gewählt. Über eine der wichtigsten Gerechtigkeitsfragen aber wird es keine Abstimmung geben: Studiengebühren. Selbst die CDU hat die Campusmaut vorsorglich aus ihrem Programm genommen.

Das bedeutet: Die Gebühren für den privaten Karriereturbo Hochschulen bleiben abgeschafft. Anders gesagt: In NRW darf eine kulturelle und soziale Oberschicht ihre Kinder ab sofort wieder mit dem profitträchtigen Privileg eines Studiums beglücken – ohne dafür zu bezahlen. Das ist, man kann es nicht anders sagen, ein Affront gegen alle Nichtabiturienten, vor allem gegen Haupt- und Sonderschüler. Denn sie werden das Universitätsprivileg nicht in Anspruch nehmen. Es ist ihnen juristisch durch ihren Bildungsmalus verwehrt. Sie müssen also mit ihren Steuern jene Studienplätze finanzieren, die sie und ihre Kinder so gut wie nie einnehmen werden.

Für einen Staat, der qua Verfassung verspricht, die Gesellschaft gerechter zu machen, ist das eine schwere Hypothek. An den Hochschulen wird das zutiefst ungerechte Schulsystem konsequent weitergeführt. Der Staat benachteiligt die Kinder aus kulturell armen Familien – und er bevorzugt die Kinder der – überspitzt gesagt – Schönen und Reichen.

Das ist eine unbequeme Wahrheit. Die in Deutschland nicht ohne Weiteres angenommen wird. Studien seriöser Institute wie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) haben kürzlich gezeigt, dass von einem Bezahlstudium keine realen Abschreckungseffekte ausgehen. Im Gegenteil, diejenigen Teile der Unterschicht, die das Abitur schaffen, gehen relativ gezielt dorthin, wo das Studium kostet. Sie machen eine Kosten-Nutzen-Rechnung auf. Sie wüssten, dass es sich lohnt, in Bildung zu investieren, schreiben WZB-Autoren.

Als die sehr unbequemen Erkenntnisse des Instituts im Bundestag diskutiert wurden, durfte man staunen. Die Antigebührenlobbyisten von links bis grün drehorgelten einfach ihr dümmliches Argument weiter, Gebühren seien ungerecht – gerade so, als hätte es die WZB-Studie nie gegeben. In der Studie steht, Gebühren verriegeln die Unis für Arme nicht. Gewerkschaften und Studentenverbände behaupteten aber kess das Gegenteil – ohne empirischen Beleg. So etwas nennt man Ideologie. Die Welt aus seiner falschen Vorstellung leiten zu wollen, obwohl die empirischen Fakten etwas anderes sagen.

Weil man keine eigenen Erfahrungen gelten lässt, werden in der Debatte immer wieder solche aus dem Ausland bemüht – zum Beispiel die USA: Dort trieben hohe Studiengebühren die Mittelschichtsfamilien in Scharen in die Armut. Ein gar schröckliches Beispiel!

So gemahnen es die Gebührengegner hierzulande mit tiefem Bass und hohem Zeigefinger. Was sie nicht sagen: Erstens ist es US-Familien offenbar viel wert, in ihre Kinder und das Studium zu investieren. Und zweitens: In den USA kostet ein Studium bisweilen 6.000 Dollar pro Monat, in Deutschland aber nicht mal 100 Euro! Was für ein grotesker Vergleich. Für wie dumm halten Gebührengegner eigentlich die Öffentlichkeit?

In dieser Zeitung war gerade ein Bericht aus den Arbeiterunis in den Elendsvierteln rund um das peruanische Lima zu lesen. Dort haben die Macher der aus dem Wüstenboden gestampften Volksuni Folgendes bemerkt: Die Kurse kommen besser an – wenn sie etwas kosten. Die Studenten nehmen die Ausbildung ernster, wenn sie nicht umsonst ist.

Diese Studenten sind nicht etwa reich, sondern arm. Die Kinder von Indígenas und Bauern, die in der Stadt ihr Glück suchen. Und für ihre Ausbildung einen Beitrag leisten (wollen). Eine selbstverständliche menschliche Regung – die deutsche Gebührenideologen Unrecht nennen. Die Erde ist und bleibt eben eine Scheibe. (Christian Füller)
NEIN!
Die spinnen doch die Briten! Und die Chilenen und die Kanadier! Die gehen gegen Studiengebühren auf die Straße. Haben diese Bürgersöhnchen und -töchter nicht begriffen, welchen unverzichtbaren Beitrag sie für ihre Hochschulen leisten? Ganz zu schweigen von der renditeträchtigen Investition in sich selbst? Haben sie offenbar nicht!

In NRW knickt die CDU jetzt schon präventiv ein und verspricht, die unpopulären Studienbeiträge von 1.000 Euro pro Jahr im Falle eines Wahlsieges nicht wieder einzuführen. By the way – mit diesem Sümmchen starteten Studiengebühren vor 15 Jahren auch in Großbritannien. Mittlerweile zahlt man dort das Neunfache.

Mit dem Rückzieher der nordrhein-westfälischen Christdemokraten aus dem Gebührengeschäft haben sich Studiengebühren im bevölkerungsreichsten Bundesland erst mal auf Jahre hinaus erledigt. Und im Falle eines Regierungswechsels könnten 2013 die nächsten beiden Bezahlhochburgen Bayern und Niedersachsen fallen. Deutschland wird wieder gebührenfreie Zone, und das ist klug so. Weil Kita-Ausbau und freies Studium eben kein Widerspruch sind.

Die rot-grüne Regierung unter Hannelore Kraft hatte die Gebühren in NRW bekanntlich 2011 wieder kassiert und erstattet den Hochschulen stattdessen mindestens 249 Millionen Euro pro Jahr aus dem Staatssäckel. Zusätzlich will die Regierung 120 Millionen Euro jährlich in den Ausbau der frühkindlichen Bildung stecken.

Das kostet zwar, ist aber konsistent, weil es dem Zweck dient, die Aufstiegschancen für mehr Kinder zu verbessern. Soll das gelingen, muss die Bildungs-Trasse am Anfang und! am Ende ausgebaut werden. Ein Mautposten im letzten Viertel einer Schnellstraße ist absolut idiotisch, wenn auf dieser möglichst viele zum Ziel kommen sollen.

Das Argument, dass eh nur solvente Akademikerkinder das letzte Viertel der deutschen Bildungsautobahn nehmen und studieren, sticht an vielen Hochschulen gerade im Ruhrgebiet längst nicht mehr. Die Uni Duisburg/Essen hat 2009 ihre Studierenden befragt und festgestellt, dass knapp über die Hälfte von ihnen aus Familien stammt, in denen weder Mutter noch Vater studiert hatten.

Dann haben 500 Euro Semestergebühr die „Arbeiterkinder“ also nicht vom Studium abgehalten? Tja, das kann man über einen Zeitraum von vier Jahren, in dem gerade mal ein geburtenstarker Jahrgang durchgängig gezahlt hat, nicht wirklich feststellen. Und zu Recht weisen die Forscher des Wissenschaftszentrums Berlin in der einzigen bis dato seriösen Studie, die diese These stützt, darauf hin, dass aus ihren Ergebnissen nicht zu schließen sei, dass Gebühren per se keinen abschreckenden Effekt haben, wenn sie denn stiegen.

Aussagekräftiger ist ein anderes Ergebnis der Uni-Befragung. 70 Prozent der Duisburger Studierenden hat angegeben, neben dem Studium zu jobben, etwa die Hälfte ging davon aus, ihr Studium nicht in der Regelstudienzeit zu beenden, und dabei werden zwei Drittel finanziell zusätzlich von ihren Eltern unterstützt.

Am Ende bleiben die Studiengebühren also an den Eltern hängen. Wenn es aber Staatsräson ist, dass Deutschland mehr Akademiker braucht, dass Bildung gesellschaftlich und volkswirtschaftlich sinnvoll und nebenbei auch ein Wert für sich ist – wenn man vormodernen Zauseln wie Kant und Humboldt glaubt – dann muss diese Aufgabe von allen finanziert werden.

Und zwar über ein gerechtes Steuersystem, in dem auch Reiche, Aktien- und Immobilienbesitzer endlich mal gebührend berücksichtigt werden. Diese und ihre Lobby-Partei FDP haben ja sonst auch nichts gegen eine Umsonst-Demokratie und einen Gratis-Rechtsstaat. Bildung ist Bürgerrecht und Staatsaufgabe, und gegen die Privatisierung von Bildung lohnt es sich zu kämpfen. Immer noch und immer wieder. Bevor es zu spät ist.
(Anna Lehmann)

Quelle: taz.de


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11.05.2012 um 15:40
Ich will studieren - da sind diese Gebühren nicht gerade hilfreich :(


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11.05.2012 um 16:04
Laut den Befürwortern in dem Artikel würde es dich allerdings zu mehr Ehrgeiz anspornen. @RobbyRobbe


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11.05.2012 um 16:33
Den Ansporn gibt's höchstens in der Theorie, die Realität der Studierenden sieht anders aus. Man muss sich nur mal mit ihnen unterhalten. Sie belasten sich entweder schon während des Studiums mit der Frage der Finanzierung/ Rückzahlung, oder sie entscheiden sich entgegen des eigentlichen Studienwunsches für einen anderen Studiengang, von dem sie sich mehr Gehalt erhoffen.
Das kann durchaus zu einem Rückgang vermeintlich unprofitabler Studiengänge führen. Damit sind Berufe gemeint, die eine gewisse Einarbeitung (oder auch den Faktor Glück) beinhalten, bis sie Geld abwerfen. So muss der Berufsanfänger ab Tag 1 nach dem Studium reinglotzen, um sich von der finanziellen Last zu befreien. Da fängt die Abhängigkeit von Krediten noch vor der eigentlichen Berufstätigkeit an, eine feine Aussicht. Im Freistaat Bayern warten bis zu 500 € pro Semester.

Was durch den erzwungenen Einstieg ins Berufsleben vergessen wird, sind die außerberuflichen Erfahrungen, das FSJ usw. Nach dem Studium geht's dann direkt ab in die Mühle, in der verheizt wird.


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Brauchen wir Studiengebühren?

11.05.2012 um 16:48
@niurick

Wer seinen Studiengang in der Hinsicht wählt, später mehr Geld zu verdienen, verdient gar nichts anderes als das Scheitern.
Zitat von niurickniurick schrieb:So muss der Berufsanfänger ab Tag 1 nach dem Studium reinglotzen, um sich von der finanziellen Last zu befreien. Da fängt die Abhängigkeit von Krediten noch vor der eigentlichen Berufstätigkeit an, eine feine Aussicht.
Das geht jetzt allerdings mehr in Richtung BaFöG und dessen Rückzahlung.


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11.05.2012 um 16:55
Lese ich da Schadenfreude?
So sieht es aus, wenn ich mich in der Stadt mit Studenten unterhalte. Da fällt die Wahl auf Studiengänge, die derzeit nachgefragt sind. Eine andere Orientierung gibt's oft nicht. Ende vom Lied wird sein, dass das einen künstlichen Fachkräftemangel in bestimmten Bereichen produziert.

Es gibt eine notwendige Unterscheidung zwischen BAföG und dessen Rückzahlung und einem Kredit und dessen Rückzahlung? Da bin ich gespannt.


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11.05.2012 um 17:07
Nein. Aber wenn beispielsweise meine Interessen in Bereiche liegen die im ersten Augenblick nicht profitabel erscheinen und ich stattdesse einen Studiengang auswähle der mir nicht liegt, alleine wegen der Hoffnung später mehr Geld zu verdienen, hat den Sinn des Studieren nicht verstanden.

Du hast die Studiengebühren in Verbindung mit Befreiung von finanzieller Last gebracht, dürfte denke ich wenn nur einen geringen Teil haben. Für mich klang das so als ob Studiengebühren schuld wären, dass sich Studenten maßlos überschulden. Das ist in Anbetracht der Höhe der Studiengebühren nicht korrekt @niurick


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11.05.2012 um 19:11
Hast Du einen Plan, was die Semester kosten?
Wenn ich sehe, was ein Staatlich geprüfter Techniker FR Automatisierungstechnik für sein haupt- oder nebenberufliches Studium berappen muss, dann sehe ich das sehr wohl als große finanzielle Bürde. Da läuft nichts mit 100 € pro Semester.

Beispiel Studiengang: Ich kenne drei BWLer, die sich gerne auf den Bereich Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung spezialisiert hätten. Um die Kosten, die sich während des Studiums angesammelt haben, irgendwann wieder loszuwerden, schwenken die auf Controlling um - notgedrungen.


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11.05.2012 um 19:11
Auf keinen Fall Studiengebühren!!!


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11.05.2012 um 21:28
@niurick

Fängt u.a bei 50 Euro an und geht bis an die 250-300 Euro. Aber Studiengebühren stehen nicht im Zusammenhang mit dem Semesterbeitrag.

Kannst du mal mit einem Link dein Beispiel belegen.


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Brauchen wir Studiengebühren?

11.05.2012 um 23:06
Ich bin absolut für Studiengebühren, obwohl ich Student bin.

Momentan betreue ich als Tutor Praxismodule, die ich im letzten Jahr selbst noch absolvieren musste. Letztes Jahr gab es die Studiengebühren noch und wir haben alle Versuche maximal zu zweit durchgeführt. Mittlerweile werden die meisten Versuche in Vierergruppen durchgeführt. Und diese sind da beim besten Willen nicht drauf ausgelegt. Es herrscht einfach Materialmangel und das sind in der Biologie nun wirklich keine großartig teuren Utensilien, an denen es da scheitert.

Auch die ewigen Argumente im Zusammenhang mit der Durchlässigkeit des Schulsystems ist so ein Quatsch. Ich habe schon mehrere Leute kennengelernt die ursprünglich von der Hauptschule kommen und nun in meinem Bereich studieren oder sogar schon promovieren. Es ist alles eine Frage des Willens. Ich komme auch aus keiner Akademikerfamilie, hatte kein überragendes Abi und muss mich selbst finanzieren. Trotzdem schaffe ich es mein Studium erfolgreich zu gestalten, in einem Bereich der sicher nicht als einfach anzusehen ist.

Ich kann ja nachvollziehen, wenn jemand sagt, dass die Studiengebühren einem sehr arg auf der Tasche liegen, aber man muss auch die anderen Kosten betrachten. Nach meiner kaufmännischen Ausbildung bekam ich ein recht gutes (unbefristetes) Angebot. Wenn ich überlege, dass mir da in 5 Jahren Studium 100.000 Euro durch die Lappen gehen, sind die 5.000 Euro Studiengebühren nur ein ganz kleiner Teil bei dem was so ein Studium kostet, obwohl der Effekt auf die Lehre absolut positiv ist.


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Brauchen wir Studiengebühren?

12.05.2012 um 14:52
@Can
Zitat von CanCan schrieb:Aber Studiengebühren stehen nicht im Zusammenhang mit dem Semesterbeitrag.
Falsch! Es geht hier um finanzielle Verbindlichkeiten, um Kosten, die gestemmt und teilweise mit Zinsen zurückgezahlt werden müssen. Und das steht selbstverständlich miteinander im Zusammenhang - vor allem bei der Frage der damit verbundenen Abhängigkeit.


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26.05.2012 um 00:51
Kredit, Kredit, Kredit, hier geht's nur noch um Geld, der Zweck heiligt die Mittel und man gebe dem Kind einen Namen "Studiengebühren" !

Verdrehung der Tatsachen andere Blickrichtung eines Befürworters für Studiengebühren, nichts anderes ist es! Jeder der sich Geld borgt ist erst einmal Gefangen im System es bindet ihn noch viel stärker daran, jeden Tag der Gedanke an noch mehr Zwänge macht ihn noch unfreier und zum Spielball derer die Empfindungslosigkeit bevorzugen


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