Beschneidung ist Körperverletzung
11.12.2013 um 19:12
Hans-Jürgen Papier, früherer Präsident des Bundesverfassungsgerichts, hält das Urteil des Kölner Landgerichts für verfehlt. Für ihn gilt das Recht auf Religionsfreiheit und elterliche Entscheidung in diesem Fall mehr als das Recht auf körperliche Unversehrtheit.
Wie hätten Sie entschieden, wenn der Streit um die Beschneidung zu Ihrer Zeit als Präsident des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe gelandet wäre?
Meiner Ansicht nach ist das Urteil vom Landgericht Köln im Ergebnis verfehlt. Es berücksichtigt nicht hinreichend die Religionsfreiheit, die ein sehr zentrales Grundrecht ist, das grundsätzlich vorbehaltlos und ohne weitere Einschränkung gewährleistet wird. Darüber hinaus tangiert es auch das allgemeine Grundrecht der Eltern auf elterliche Fürsorge. Dieses umfasst auch das Recht der religiösen Kindererziehung. Diese beiden Grundrechte muss man gegen das Grundrecht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit abwägen.
Was kritisieren Sie am Urteil des Landgerichts Köln?
Das Landgericht hat sehr verkürzt argumentiert. Es hätte berücksichtigen müssen, dass es Juden und Muslimen bei der Beschneidung aus religiösen Gründen nicht nur um eine Frage der Tradition und des Brauchtums, sondern um essentielle Glaubensinhalte geht. Demgegenüber ist die Einwirkung in die körperliche Unversehrtheit geringfügig, wenn die Beschneidung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt. Deswegen sind im Ergebnis die Grundrechte auf Religionsfreiheit und elterliche Fürsorge eindeutig gewichtiger zu werten. Diese Grundrechte hat das Gericht zwar nicht ignoriert aber in einer verkürzten Abwägung zu Unrecht hintangestellt. Im Übrigen ist doch auffällig, dass die Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen in sechs Jahrzehnten seit Bestehen des Grundgesetzes nie ein rechtliches Problem dargestellt hatte und dass es auch in anderen europäischen Staaten mit einer vergleichbaren rechtsstaatlichen Ordnung nach meiner Kenntnis zu keinen strafrechtlichen Verfolgungen gekommen ist.
Die Politik hat nun mehrheitlich entschieden, dass Beschneidung straffrei bleiben soll...
...dabei müsste der Gesetzgeber gar nicht korrigierend eingreifen. Das geltende Recht ist ausreichend. Wir dürfen nicht aus den Augen verlieren, dass es sich hier nicht um eine höchstrichterliche oder obergerichtliche Entscheidung handelt. Es geht hier aus meiner Sicht um eine Fehlanwendung geltenden Rechts durch ein einzelnes Instanzgericht. Ich bedaure sehr, dass die Entscheidung rechtskräftig geworden ist, weil die Staatsanwaltschaft keine Revision eingelegt hat und dem angeklagten Arzt kein Rechtsmittel zur Verfügung stand, weil er im Ergebnis freigesprochen wurde. Deswegen konnte es in diesem konkreten Fall zu keiner höchstrichterlichen oder gar bundesverfassungsgerichtlichen Klärung kommen, die wohl eine gesetzliche Regelung überflüssig gemacht hätte.
Muss der Gesetzgeber denn überhaupt tätig werden?
Nun ist die konkrete Entscheidung in der Welt, die Rechtsunsicherheit für Eltern und Ärzte schafft und das ist in der Tat eine missliche Situation. Darum ist es verständlich, dass der Gesetzgeber Regelungen treffen möchte. Denn für die Betroffenen ist es fast unzumutbar, einen neuen Präzedenzfall zu schaffen. Die Ärzte müssten eine Anklage in Kauf nehmen und gegebenenfalls die Instanzen bis zum Bundesverfassungsgericht durchschreiten. Es ist verständlich, wenn sie da zögern.
Wie müsste eine gesetzliche Regelung aussehen, damit sie verbindlich wäre? Im Patientenrechtegesetz, wie die FDP vorschlägt, oder im Familiengesetz, wie es die Union fordert?
Es ist eine schwierige Entscheidung für den Gesetzgeber, ein solches Gesetz ist jedenfalls nicht auf die Schnelle zu machen. Ich würde empfehlen, eine gesetzliche Regelung im Familienrecht anzusiedeln, hier wird das elterliche Sorgerecht definiert. Denn umstritten ist ja die Einwilligung der Eltern und damit geht es in erster Linie um den Inhalt und die Grenzen des elterlichen Sorgerechts. Aber auch andere Lösungen sind denkbar.
Ist es denkbar, dass es zu einer Regelung kommt, wonach Beschneidung weiterhin den Tatbestand der Körperverletzung erfüllt, die aber straffrei bleibt?
Der Tatbestand der Körperverletzung ist aus rechtlicher Sicht gegeben und wird auch immer gegeben sein. Es ist vielen Laien schwer begreiflich, dass etwa auch jede Impfung eine Körperverletzung darstellt. Sie ist aber nicht rechtswidrig und damit nicht strafbar, wenn eine Einwilligung vorliegt. Sie erfolgt regelmäßig durch den Patienten selbst, bei minderjährigen Kindern durch die Eltern. Wenn der Gesetzgeber ausdrücklich regelt, dass die Eltern wirksam in eine Beschneidung einwilligen können, ist sie keine rechtswidrige Körperverletzung mehr. Damit wäre eine Beschneidung dann weder für das Strafrecht relevant, noch verstößt ein Arzt gegen seine Berufspflichten. Es geht also über die Frage der Strafbarkeit hinaus darum, ob Beschneidungen rechtmäßig oder rechtswidrig sind.
focus online
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Beschneidung ist Körperverletzung
11.12.2013 um 19:17
meine fresse, weder den arzt noch den eltern sollte der penis des kindes irgendetwas angehen, wenn alles in ordnung ist..
die ganze sache ist doch dubios. mit einem teil des geschlechtsorgans ein bund eingehen? jo...
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