Der Abschuss von Haustieren durch Jäger
28.06.2016 um 13:05
Hallo, ich bin Jäger. Und würde gerne was zum Thema sagen.
Viele Tierbesitzer, die weiter mit den Abläufen in der Kulturlandschaft nicht viel zu tun haben, winken bei dem Argument dass Katzen (ich rede jetzt mal primär von Katzen weil wildernde Hunde ein marginaleres Problem sind) Bodenbrüter durch ihre Jagdtätigkeit an den Rand der Ausrottung befördern können ab mit dem Argument: Die Natur regelt das von alleine, da muss der Mensch nicht eingreifen, etc. (Also, nur ein mögliches Szenario, oder sie sagen meine Mausi macht sowas nicht etc.)
Das ist ein Satz der mich persönlich aufregt und von Unkenntnis über die Gegebenheiten zeugt.
Ihr verzeiht, ich hole ein bisschen weiter aus:
Vor kurzem wurde es wissenschaftlicher Konsens dass wir nicht mehr im Zeitalter des Holozän leben, sondern im Anthropozän. D.h. der Mensch gestaltet die Welt bis in den letzten Winkel, den Weltraum, nach seinen Vorstellungen. Es gibt also praktisch keine Natur, nichts natürliches mehr auf dieser Welt. Das ist leider nicht übertrieben. Und besonders hier in Deutschland leben wir in einer vom Menschen überaus intensiv genutzten Kulturlandschaft.
Ich persönlich würde es begrüßen wenn es viel weniger Menschen auf der Welt gäbe, und dem Tierreich und der Natur im allgemeinen mehr Platz eingeräumt werden würde, soviel vorab. Da das aber bis zum nächsten Atomkrieg nicht gerade absehbar erscheint müssen wir mit dem leben und vor allem das bewahren was wir haben. D.h. in dieser Kulturlandschaft soviel Artenreichtum und allgemein ökologisches Gleichgewicht erhalten wie möglich. Und ja - ihr ahnt schon worauf es hinausläuft, und ich weiss dass es vielen die die Jagd aus ideologischen und persönlichen Gründen ablehnen die Zornesröte ins Gesicht treibt - die Jagd spielt beim erhalten dieses Gleichgewichts eine wichtige Rolle. Wenn die Jagd nicht regulierend eingreifen würde, würden sich viele vom Menschen geschaffene Probleme noch verschärfen. Würde man z.B. die Jagd auf Schalenwild einstellen, würden die Waldschäden Ausmasse annehmen die den Fortbestand von gesunden Wäldern, die gerade in Zeiten des Klimawandels überaus wichtig sind, faktisch bedrohen würden. Von Wildunfällen in unserem "ich geb Gas ich will Spaß Land" ganz zu schweigen.
Was die Bejagung von Raubwild (bzw. „Raubzeug“ - wildernde Hunde und Katzen, nennt man so weil sie ja eben nicht „wild“ sind) angeht, KÖNNTE die Jagd auch einen Beitrag zum Gleichgewicht leisten, in dem sie „regulierend“ eingreift.
Ich sage bewusst könnte, denn diese aktive bejagung von Hunden und Katzen, wie sie oft von Tierbesitzern in einem Horrorszenario dargestellt wird, findet bei weitem nicht in dem dargestellten Maß statt. Warum? Aus vielen Gründen.
Zum Beispiel weil man als Jäger, wie hier im Thread auch schon oft erwähnt, schon bei kleinen Ordnungswidrigkeiten mit dem Verlust seines Jagdscheins (meistens auf Lebenszeit) bedroht ist. Selbst wenn man im Recht wäre und zum Beispiel einen wildernden Hund erleget wird es u.U. schwierig das auch nachzuweisen - wenn man zwei Hundebesitzer gegenüber hat die sich in ihrer Zeugenaussage (natürlich zum Nachteil des Jägers) decken und man selbst keinen Zeugen hat. Die Ordnungsmacht wird sich im Zweifelsfall sicher nicht auf die Seite des Jägers schlagen. Denn nur ein entwaffneter Bürger ist ein guter Bürger, und so wird sicher keine Gelegenheit ausgelassen einem Waffenbesitzer seine Erlaubnis zu entziehen. Abgesehen davon wird auch oft vergessen dass die Jagd bei weitem nicht so im geheimen abläuft wie sich das so mancher vorstellt. Gerade im ländlichen Bereich wo primär gejagt wird gibt es kaum Geheimnisse. Wenn da vermehrt Katzen verschwinden bzw. nicht nach Hause kommen ist ziemlich schnell klar was abgeht. Ich kenne kaum einen Jäger der mit der Ruf als Haustiermörder im Ort leben will, mal ganz davon abgesehen dass ihm recht schnell das Revier entzogen werden würde, wenn der Ruf dermaßen gelitten hat.
Der Entzug der Jagd- und Waffenbesitzerlaubnis, ggf. ein Verfahren und der Verlust des guten Ruf steht also einer, uns Jägern natürlich wohl bekannten, schadhaften Tätigkeit der Katzen gegenüber die wir eindämmen könnten. Kaum ein Jäger wird da viel überlegen müssen wofür er sich entscheidet. Nämlich bei Katzen den Finger grade zu lassen.
Irgendwo in der Diskussion ist das Argument gebracht worden, dass viel schlimmer als die Dezimierung von Vögeln, Hasenartigen, Insekten oder Amphibien durch Katzen der Verlust des Lebensraums ist, vor allem durch die Landwirtschaft, aber auch durch Wohnsiedlungen, Industrie und Infrastruktur. Sehe ich genauso. Und ich stehe der Landwirtschaft ablehnend und im Allgemeinen dem Verlust von Biotopen sehr verzweifeltet gegenüber. Aber das ist aber etwas worauf wir als Jäger offensichtlich keinen Einfluss haben (Wobei wir ab und zu für Geld Grund und Boden von den Landwirten pachten um dort Wildäcker und Hecken anzulegen, sogar ohne den Hintergedanken dass wir dann mehr schiessen können).
Im übrigen ist das immer wieder der Punkt an dem man als waidgerechter Jäger, für den ich mich halte, verzweifeln könnte: Das man überall zwischen den Fronten steht, oder salopp gesagt - der Depp ist. Warum?
Auf der einen Seite haben wir die .. ich nenne sie mal .. etwas naturentfremdete Allgemeinbevölkerung. Für die sind wir vor allem eins, Lustmörder. Bambi-killer. Schiesswütig und noch dazu dauerbesoffen. Wenn wir unseren dunklen Triebe nicht befriedigen können dann schiessen wir eben auf das nächstbeste. Und jeder kennt eine Geschichte von jemandem dessen Hund durch einen Jäger getötet wurde, klar.
Auf der anderen Seite steht die Forst- und Landwirtschaft. Für die sind wir Lumpen weil wir nicht das machen was sie von uns erwarten - nämlich MEHR zu erlegen. Und zwar, wenn auch bei vorgehaltener Hand, egal was. Wer einmal bei einer Jagdgenossenschaftsversammlung dabei war (das ist die Versammlung der Grundbesitzer, also meistens der Landwirte und privaten Waldbesitzer in einem Jagdbezirk) der bekommt eine Vorstellung davon wie diese Menschen ticken. Praktisch ALLES, was in Wald und Flur lebt ist denen ein Dorn im Auge, ist ein Schädling in weitesten Sinne. Das beginnt beim kleinsten Insekt (wird torgespritzt) geht über Tauben, Spatzen, Kormorane, einschliesslich natürlich alles Schalenwild. Also z.B. Wildschweine und Rehewild, hört aber auch bei geschützten Tierarten wie Biber und Luchs nicht auf. Katzen sind davon übrigens ausgenommen, sie sind für die Landwirte Nutztiere die Mäuse im Feld töten, besser so für den Ertrag. Der sonstige Artenreichtum auf den sich die Katzen auswirken ist den Bauern natürlich egal.
Der amüsante Punkt ist dass wir für die Land- und Forstwirtschaft die „Umweltschützer“ mit Skrupeln sind während wir für die andere Seite, den Stadtmenschen nahezu das Gegenteil sind, der „Herr über Leben und Tod“, der aus niederen Beweggründen Wildtiere tötet oder sogar gleichgültig quält.
Entschuldigung, ich bin vom Thema abgekommen. Ich persönlich habe noch keine Katze erlegt (und ich kenne auch keinen Waidgenossen der das macht), obwohl ich oft wenn ich weit draussen eine antreffe darüber nachdenke. Aber der Gedanke daran dass ein kleines Kind traurig ist weil sein Haustier nicht nach Hause kommt überwiegt dann doch immer den, meiner Ansicht nach berechtigten, Tierschutzgedanken. Den Schutz von Vögeln, Hasen, Kaninchen und anderem VOR der Katze nämlich. Aber dafür hab ich meinen Hund viel zu gern und kann mich in den Kopf eines Haustierbesitzers hineinversetzen, wie man sich fühlen muss wenn einem der geliebte Begleiter (gewaltsam) genommen wird.
Das Problem mit den Katzen für die Artenvielfalt besteht also, zumindest in unserem Revier, weiter.