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Nicolae Ceausescu (links) und Michail Gorbatschow (rechts). Bild: wilsoncenter.com

Die Rede Ceausescus an der Tagung des Politischen Beratetenden Ausschusses am 7. Juli 1989 hat schon was, wenn die Entwicklung in den sozialistischen Staaten berücksichtigt wird: Die ungarische Arbeiterpartei hat Anfang des Jahres ihr Machtmonopol zurückgelegt und den Weg zu einer pluralistischen Gesellschaft (politisch wie wirtschaftlich geöffnet), was der ungarische Präsident Rezső Nyers vor ihm auf dieser Tagung nochmal bekräftigt hat, und Polen ist auf demselben Weg.

Dennoch versucht Ceausescu nochmal alle Register des kommunistischen Bullshitbingo zu ziehen und das sozialistische System wie die rumänischen Errungenschaften, allen voran die Schuldenrückzahlung, weiters die Industrialisierung und einen Weizenertrag von 8 Tonnen pro Hektar (Weltdurchschnitt heute unter 4 Tonnen, 8 Tonnen erreichbar bei feuchten Böden bzw. eher minderwertigem Weizen) als Beispiel vorbildhaften Wirtschaftens herauszustreichen. Dass die Bevölkerung hungerte, fror und um die Güter des täglichen kämpfen mussten, ist natürlich nicht Thema. Ceausescu spricht von "Mängeln", die aber nicht zur Unterschätzung der Errungenschaften des Sozialismus führen dürfen.

Eine Karte, die er versucht zu ziehen, aber nicht mehr sticht, ist die der "Nichteinmischung in innere Angelegenheiten", eine Politik, die er seit seinem Amtsantritt als Generalsekretär der rumänischen KP 1965 auch gegen die Sowjetunion durchgezogen hat und mit der er 1968 wegen der Ablehnung des Einmarsches des Warschauer Pakts in die Tschechoslowakei sogar eine Einladung von Nixon in die USA erhielt. 1989 bedeutete diese Phrase nur mehr, dass er mit dem Geheimdienst Securitate beliebig herumfuhrwerken wollte.

Der abgefeuerte Schuss ging einerseits gegen die Sowjetunion, was durch seinen Vorschlag eines ABC-Waffen freien Balkan ohne ausländische Militärpräsenz unterstrich. Was aber ein inhaltsleeres Blabla war: Rumänien und Bulgarien waren zwar Mitglieder des Warschauer Vertrags, aber in beiden Ländern waren keine sowjetische Truppen stationiert.

Das Hauptziel des Schusses war, dass Ceausescu freie Hand innerhalb Rumäniens haben wollte. So verteidigte er das Vorgehen Chinas gegen die Studentendemonstrationen am Platz des himmlischen Friedens mit Hilfe des Militärs. Ceausescu betonte, dass das Militär eines sozialistischen Staates zwei Aufgaben zu erfüllen habe: den Schutz der Grenzen und die Verteidigung des Sozialismus auch gegen innere Zersetzung.

Diese Auffassung kostete ihn und seiner Frau ein halbes Jahr später das Leben. Das rumänische Militär war nicht bereit, von Temeschwar ausgehende Demonstrationen niederzuschlagen, und stellte sich letztendlich gegen seine Vorherrschaft in der Partei wie in Rumänien. Auf Basis des noch von Ceausescu ausgerufenen Kriegsrechts wurden er und seine Frau am 25. Dezember 1989 auf Basis von vier Paragraphen des Strafgesetzbuchs von einem Schnellgericht zum Tode verurteilt und umgehend hingerichtet.

Die Rede in der deutschen Übersetzung (vermutlich DDR-Exemplar):
http://www.php.isn.ethz.ch/kms2.isn.ethz.ch/serviceengine/Files/PHP/19041/ipublicationdocument_singledocument/834cdcae-bec8-488a-a41f-4994a83b2cff/de/Speech_Ceausescu_1989_6.pdf

Übersicht über die Dokumente dieses Treffens:
http://www.php.isn.ethz.ch/lory1.ethz.ch/collections/colltopic4001.html?lng=en&id=17114&navinfo=14465

Einstiegsseite zum "Parallel History Project on Cooperative Security" der ETH Zürich:
http://www.php.isn.ethz.ch/lory1.ethz.ch/index-2.html