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Der 28-jährige Schiller fährt mit einem beklemmenden spanischen Hof um Philipp II. auf. Das Stück spielt im engsten Herrschaftszirkel dieses absolutistischen Hofs auf, der aus Psychopathen und Intriganten besteht.

Philipp ist ein alternder, machtgieriger König, sein Sohn Karlos ein wohl aufgrund eines Übervaters ein verschüchterter, neurotischer, schwächlicher Thronfolger, der dauernd um Anerkennung bettelt, aber ein gutes Herz hat.

Dem Stück lässt sich letztlich nur durch das Herausfiltern verschiedenster Aspekte ein wenig beikommen:

  • Im spanisch beherrschten Belgien schwelt ein Aufstand, den Herzog Alba als Statthalter mit einem Militärregime niederhalten soll. Karlos selbst will - unterstützt von seinem Freund Marquis Posa - in Belgien der Repräsentant des Königs werden, um mit Verständnis und Sympathie die Belgier für die spanische Herrschaft zu gewinnen.
  • Marquis Posa - kein Höfling - erhält Zugang zu Philipp, der von dessen unabhängigem Selbstbewusstsein beeindruckt ist und ihn zu seinem Sonderberater ernennt.
  • Eine Intrige von Alba und einem einflussreichen Dominikaner am Hof fällt Posa wieder in Ungnade und wird von einem Heckenschützen abgeknallt (es bleibt offen, ob nicht sogar der König geschossen hat). Damit sind die Ambitionen Karlos' bezüglich Belgien auch dahin, und Philipp übergibt am Ende seinen Sohn dem Großinquisitor.
  • Aber nicht nur Belgien ist der Grund der Intrige, sondern auch die aus französischem Adel entstammende, viel jüngere Gattin Philipps, Elisabeth von Valois, die gemeinsam eine Tochter haben. Sie wird komplett abgeschlossen gehalten, von Hofdamen rund um die Uhr überwacht und darf ohne Erlaubnis des Königs mit keinem Mann sprechen, schon gar nicht Karlos. Denn sie war mit Karlos bereits verlobt, als dessen Vater seine Braut ihm wegschnappte, und Karlos liebt sie noch immer. Sie kommunizieren mittels geheimer Briefe und nach der Ermordung Posas wollen sie gemeinsam auf einem Schiff fliehen. Philipp, angetrieben von seiner Eifersucht, aber auch vom greisen und blinden Oberinquisitor, liefert Karlos aus.

Elf Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung der USA und fünf Jahre vor der Französischen Revolution ist Schillers Versuch, mit Posa und Karlos einen aufgeklärten Absolutismus zu propagieren, dem sich die Beherrschten gerne und freiwillig unterwerfen, nicht ein Beginn, sondern das Ende einer politischen Denkrichtung. Schiller selbst hat das wohl später auch eingesehen und mit Wilhelm Tell ein republikanisches Stück in die Welt gesetzt.

Nicht nur wegen der sehr verstaubten politischen Ansichten, die das Stück vermittelt, ist es mühselig zu lesen. Es ist ein Sprechstück, und die wenigsten sprechen miteinander, es wird in Blankversen deklamiert und monologisiert.

Am besten gelungen ist noch die Psychologisierung des neurotischen Karlos. Auf die Bühne gebrachte Psychoanalyse lange bevor es so eine überhaupt gab. Das überfordert viele Regisseure auch heute noch und aus Karlos wird ein Freak, während er eigentlich eine geknechtete Kreatur ist.

Der reale Karlos wurde am Ende seines Lebens in eine Dachkammer gesperrt, die im Sommer so heiß war, dass er Unmengen von Eiswasser in sich reinschüttete. Das war wohl nicht ganz keimfrei, er ruinierte sich seine Gedärme und starb elendiglich.