Valentino-Schoenste

Die Adaption von Schneewittchen ist nicht ganz so schlimm wie die von der Schönen und dem Biest, aber ungemein langatmig, um die Geschichte in Romanlänge auszudehnen. Wie die Tochter eines berühmten Spiegelmachers zur narzisstisch psychopathischen Schwiegermutter wird, umfasst das ganze Buch, und der Mordkomplott an ihrer Stieftochter wird im Schnellverfahren abgehandelt.

Die Ansätze, warum die Stiefmutter zur Furie wird, sind teilweise nachvollziehbar. Ihr Vater war ein begnadeter Spiegelmacher, seine Frau jedoch unfruchtbar. Durch einen Zauber ist ihnen eine Tochter geboren worden, der Preis jedoch war der Tod der Mutter bei der Geburt, woran der Vater verzweifelt ist und der Tochter die Schuld gegeben hat. Aus diesem Grund erniedrigt er sie so lange mit der Aussage, sie sei hässlich, bis sie ein König wegen ihrer Schönheit heiratet.

Die beiden haben kein Kind, aber der König bringt eine Tochter aus der ersten Ehe mit, Schneechen bzw. Schneewittchen. Von ihrer Stiefmutter wird sie abgöttisch geliebt, bis ihr Mann bei einer Schlacht stirbt. Ab dann geht es abwärts, auch mit der Geschichte.

Wie in der anderen Geschichte spinnen die drei als böse konzipierten und mit Zauberkraft ausgestatteten Hexen Ruby, Martha und Lucinda die Schicksalsfäden. Sie waren es, die der Mutter der Königin die Fruchtbarkeit gaben, mit dem Preis, dass sie stirbt. Sie geben der Königin nach dem Tod ihres Vaters den Zauberspiegel, in den sie die Seele des Vaters eingesperrt haben, die mit seiner Tochter spricht und nur die Wahrheit sagen darf, wodurch ihm zwar die Möglichkeit gegeben wird, seine Tochter endlich als Schönheit zu preisen, aber sie erfährt auch, dass ihre Zofe Verona (sie wird verstoßen) und ihre Stieftochter Schneewittchen (ihr Todesurteil) schöner seien. Die Königin kann schlichtweg nicht damit umgehen, dass irgendwer schöner ist als sie selbst.

Verona wird verstoßen, findet aber ihr Glück in der Ehe mit einem Lord, Schneewittchen wird gejagt. Der Jäger, der beauftragt wird, Schneewittchen zu ermorden und ihrer Stiefmutter das Herz zu bringen, erlegt ein Schwein und überreicht ein Schweineherz, obwohl angedroht worden ist, ihn und seine Familie zu töten, wenn er den Auftrag nicht erfüllt. Schneewittchen kann zu den Zwergen hinter den sieben Kristallbergen fliehen.

Ihre Schwiegermutter plant nun mit Unterstützung der drei Schwestern den zweiten Mordanschlag. Mit Hilfe eines von den Schwestern bereitgestellten Zauberbuchs fabriziert sie einen Giftapfel, und die drei Schwestern verwandeln sie in eine alte Frau, damit sie unerkannt bei Schneewittchen erscheinen kann. Der Anschlag gelingt, Schneewittchen stirbt, ernüchtert blickt die Stiefmutter auf ihr vermurkstes Leben zurück und stürzt sich - von ihrem Gewissen geplagt - einen Felsen hinunter. Die drei Schwestern wollen sie davon abhalten, doch sie haben keine Gewalt mehr über sie. Das Böse wird bestraft, aber es stirbt geläutert. Schneewittchen wird durch den Kuss des von ihr geliebten Prinzen aus einem Nachbarkönigreich zum Leben zurückgeholt und übernimmt das Königreich ihres Vaters.

Die Idee, die hinter diesem Text steht, ist schon erkennbar: Es gibt einen freien Willen und ein Gewissen, die das Böse verhindern können. Und die Reue der Schwiegermutter am Ende ist ein Hoffnungslicht, beinahe eine klassische Katharsis: Durch Mitgefühl soll die Leserschaft zum richtigen Handeln geführt werden - keinen eigensüchtigen Hass entwickeln.

Die Umsetzung ist jedoch schwerer Tobak. Abgesehen von der sehr einfach gehaltenen Sprache (fast nur Hauptsätze, die permanent Neues aufgreifen und somit einen nicht unterstützen, den roten Faden zu verfolgen, und einen primitiven Eindruck hinterlassen) sowie einer der Märchenkonvention widersprechenden Namesgebung (ein Onkel heißt zum Beispiel Markus) sind auch absurde Fehler zu finden. Das Setting ist definitiv im europäischen Mittelalter angesetzt, auch wenn es nicht expliziert genannt wird. Da irritierten dann nicht nur die Bezeichnungen "Nanny" oder "Granny", sondern auch rote Kartoffel und Süßkartoffel sind komplett fehl am Platz.

Wie viel der Fehler und Unzugänglichkeiten auf Kappe der Übersetzung gehen oder im Original bereits in Druck gegangen sind, kann ich nicht zurückverfolgen. Auf jeden Fall zeugt das Buch von einer sehr mangelhaften Lektorierung vermutlich im Original wie auch in der Übersetzung.