Weiner-FBI

Der Journalist und Korrespondent der New York Times, Tim Weiner, hat sowohl über die CIA als auch über das FBI einen Abriss deren Geschichte vorgelegt. Die deutsche Übersetzung des Buchs über das FBI erschien 2013, endet also zur Präsidentschaft Barack Obamas.

Weiner konzentriert sich auf den geheimdienstlichen Aspekt des FBI, weniger auf seine Arbeit gegen organisierte Kriminalität. Außerdem liegt der Fokus auf der obersten Ebene (FBI-Chefs und ihre Politik gegenüber Justizministerium, Präsident oder Kongress). Aus diesem Grund ist mehr als die Hälfte des Buchs J. Edgar Hoover gewidmet, der bis zu seinem Tod 1972 das FBI geleitet hat.

Das Bureau of Investigation wurde 1908 gegründet und 1919 übernahm Hoover die Radical Division, welche die Aufgabe hatte, Terroristen des linken Spektrums ausfindig zu machen. Bereits früh verdächtigte Hoover für linke Aktivitäten die bolschewistische Regierung Russlands der Infiltration linker Organisationen (Kommunisten, Anarchisten, Gewerkschaften) in den USA. Im Januar 1920 ließ er mittels Razzien bis zu 10.000 Linke verhaften und auf ihre Kontakte zur Sowjetunion überprüfen. Ausländische Staatsbürger:innen, vornehmlich aus Russland, wurden wie die Anarchistin Emma Goldman abgeschoben.

Gedeckt von den jeweiligen Präsidenten baute Hoover ein Netz an Special Agents auf, welche Organisationen infiltrierten bzw. Informationen durch illegale Aktionen wie Einbrüche oder Abhöraktionen beschafften. Franklin D. Roosevelt weitete die Möglichkeiten des FBI in den 1930er Jahren aus, um kommunistische wie faschistische Infiltration aufzudecken. Auch Botschaften wurden überwacht. Womit aber das FBI mit einem neuen Phänomen konfrontiert war: Daten waren vorhanden, wurden jedoch nicht weitergegeben, sowohl innerhalb des FBI als auch zwischen FBI und dem Militärgeheimdienst OSS, was schließlich dazu führte, dass niemand den japanischen Angriff auf Pearl Harbor im Radar hatte, obwohl die Daten durch die Krypto-Abteilung unter dem Code-Namen Magic vorhanden gewesen wären (wenn auch nicht das Datum).

Zu Beginn des Kalten Kriegs gelang die spektakuläre Aufdeckung der Spione, welche die Baupläne der Atombombe an die Sowjetunion lieferten. Das FBI war bis Watergate und Hoovers Tod auf seinem Höhepunkt. Zielobjekte waren kommunistische Agenten, linke Organisationen wie die Bürgerrechts- und später die Anti-Kriegsbewegung. Hoover sah alle Bewegungen als sowjetisch gesteuert wie auch zum Beispiel Martin Luther King. Einziges Ziel auf der rechtsextemen Seite war der mörderische Ku-Klux-Klan, der in den 1960er Jahren mit denselben Methoden zerschlagen wurde.

Dass das FBI Probleme mit den überbordenden Daten hatte, zeigte sich Ende der 1960er Jahre anhand der radikalisierten Antikriegs-Organisation Weather Underground. Von den 38 Bombenanschlägen wurde kein einziger aufgeklärt. Dem FBI wurde auf der Nase herumgetanzt.

Nach Hoovers Tod wurde die Amtszeit des Direktors des FBI auf 10 Jahre beschränkt, jedoch blieb niemand so lange in der Spitzenposition. Das FBI war am Rande der Auflösung, die Mittel wurden zurückgeschraubt, Abhöraktionen ohne Gerichtsbeschluss wurden endgültig illegal (der Präsident konnte sich nicht mehr auf Notstandskompetenzen berufen). Eine erste Rückkehr zu einem neuerlichen Erstarken war die Errichtung eines Sondergerichts, das binnen kürzester Zeit Überwachungsaktionen genehmigen konnte.

Problematisch war auch das Verhältnis zu der CIA. Informationen wurden kaum ausgetauscht, was sich ab den 1990er Jahren mit dem verstärkten islamistischen Terrorismus und dem ersten Attentat auf das WTC wie mit Anschlägen auf US-Einrichtungen außerhalb der USA (Botschaftsattentate, Attentat auf die USS Cole) zeigte. Die Informationen über die Attentäter des 11. September 2001 wären vorhanden gewesen, aber sie wurden nicht ausgetauscht, niemand zog irgendwelche Schlüsse, um diese Personen zu überwachen. Die Meisterleistung der Aufklärung des Bombenanschlags auf eine PAN AM-Maschine 1988 über dem schottischen Ort Lockerbie blieb ein singuläres Beispiel, wie gearbeitet werden könnte, wenn verschiedene Organisationen ihre Daten koordinieren.

Nach 9/11 muss dem FBI zugute gehalten werden, dass es nicht die brutalen Verhörmethoden der CIA bzw. der Armee anwendete. Der neue Direktor Robert Mueller untersagte dies dezitiert und FBI-Agenten meldeten Foltermethoden, welche sie beobachteten. Was das FBI weiterhin anwandte, waren illegale Methoden der Informationsbeschaffung. So wurden durch FBI-Agenten von Telefongesellschaften Informationen über Telefongespräche eingefordert, ohne dass die Zentrale informiert wurde oder gar ein gerichtlicher Beschluss vorlag. Auch verdeckte Ermittlungen wurden wieder intensiviert und waren weiterhin die erfolgreichste Form der Informationsbeschaffung.

Da sich das FBI nach 9/11 wieder verstärkt auf Terrorbekämpfung konzentrierte, wurde - wie schon in den 1920er Jahren - der Kampf gegen organisierte Kriminalität vernachlässigt. Weiner ist der Ansicht, dass nicht zuletzt dies zu den kriminellen Machenschaften an der Wall Street führte, welche letztlich Auslöser der Finanzkrise 2008 waren.

Mit Präsident Barack Obama wurden die Anti-Terroraktionen ausgeweitet und sowohl Militär als auch Geheimdienste bekamen die Lizenz zum Töten. Das FBI wurde gestärkt und hatte nun als folterfreie Organisation die Kontrolle über die Al-Qaida-Häftlinge erhalten. Dafür wurden die Befugnisse der elektronische Überwachung wie der Überwachung des öffentlichen Raums durch Kameras ausgeweitet, aber ihnen wurde mit neuen Regelungen für das FBI im Jahr 2011 auch Grenzen gesetzt und sie besagen, "dass das FBI nicht befugt ist, gegen jemanden zu ermitteln, weil er »sich gegen den Krieg oder gegen die Außenpolitik stellt, weil er gegen das Vorgehen der Regierung protestiert oder bestimmte religiöse Überzeugungen propagiert« oder weil er ein Ausländer, ein Anarchist oder ein arabischstämmiger Amerikaner ist."

Mit diesem Stand endet das im Original 2012 erschienen Buch Weiners über das FBI, das streckenweise sehr interessant ist (zum Beispiel die Nickeligkeiten zwischen den Kennedys und Hoover), aber trotz der vielen herangezogenen Archivquellen manchmal zu sehr an der politischen Oberfläche bleibt. Wer sich Informationen über die konkrete Vorgangsweise des FBI erhofft hat, bleibt etwas enttäuscht zurück.