berndw. schrieb:Ok, dann gebe mir doch wenigstens mal ein Beispiel zu Deinen Kolibris
Nö, denn ich hab ja die Kolibris selbst als Beispiel gegeben. Das Waldhabitat, in dem die Kolibris leben, ist nicht geeignet, a) Fossilien zu bilden, und b) dort nach Fossilien zu suchen. Daher kann hier wenn, dann allenfalls mit der molekularen Uhr gearbeitet werden.
Die große Artenvielfalt der Andenkolibri-Arten (derzeit ca. 140) ist erst der Radiation der letzten 10 Millionen Jahre zu verdanken, die der nordamerikanischen der letzten ca. 5 Millionen Jahre. Bei einigen verdoppelt sich die Arten erst nach ca. 11 Millionen Jahren, bei anderen (Mellisugini, "Bienen") hingegen bereits nach nur knapp 1,2 Millionen Jahren. Da diese Clade derzeit über 36 Spezies verfügt, sind in den letzten 1,2 Millionen Jahren wenigstens 18 neue Spezies entstanden (Artverdopplung bedeutet, daß aus einer Art zwei Schwesterarten werden, wobei die eine der beiden neuen Arten mit der alten Art identisch sein kann, aber nicht muß. Deswegen sind in den letzten 1,2 Millionen Jahren wenigstens 18, aber maximal sogar 36 neue Arten entstanden.)
Da nun aber diese Arten nicht alle zur selben Zeit entstehen, sondern ihre Entstehung einer statistischen Streuung entspricht, wäre rein arithmetrisch (linear) alle 666.666 Jahre und acht Monate mit einer neuen Art zu rechnen. Da die Artzunahme aber exponentiell erfolgt, sollte die letzte Artentstehung allenfalls eine halbe Million Jahre zurück liegen. Doch damit ist nur der Zeitraum der letzten Speziation benannt, nicht jedoch der Zeitraum, den diese Speziation benötigt hat. Sie wird nur einen Teil dieser Zeit gebraucht haben. Für die Kolibris wird generell eine rapide adaptive Radiation veranschlagt. Daher wird ihre Artbildung nicht in Jahrhunderttausenden, sondern in Jahrzehntausenden zu zählen sein (wenn nicht in Jahrtausenden; der Viktoriasee-Buntbarsch hat es in 15.000 Jahren geschafft, sich in 500 verschiedene Spezies aufzugliedern). Der Rest der Zeit, die eine Art bis zu ihrer Extinktion (oder der Umwandlung in zwei neue Spezies) existiert, befindet sie sich die meiste Zeit über in einem Gleichgewicht der infraspezifischen Konstanz.
Wir können also für die Kolibris die Zeit für eine Adaption tatsächlich in Jahrzehntausenden angeben. Nicht in 60 Millionen. Und selbst bei Deinen Ameisen besagen die 60 Millionen Jahre ja nur, seit wann diese Symbiose währt, nicht aber, wie lange es gedauert hat, bis diese Symbiose gebildet war.
Wenn Du das mit den Kolibris selbst nachlesen willst, hier ein Fachartikel:
Molecular Phylogenetics and the Diversification of HummingbirdsApropos Symbiose. Richtig ist, daß im deutschen Sprachgebrauch Symbiose exklusiv der Mutualismus gemeint ist. Im angelsächsischen Bereich dagegen sind mit symbiosis auch noch andere interspezifische Lebensgemeinschaften erfaßt, bis hin zum reinen Parasitismus.
Gefühlt würden wohl die meisten von uns die menschliche Zucht und Ausnutzung von Pflanzen und Tieren am ehesten unter Parasitismus einreihen. Denn der Nutzen für uns und der Schaden für die Pflanzen und Tiere ist ja augenfällig. Aber interessanterweise sind die Wildformen vieler Nutzpflanzen und Nutztiere ausgestorben, oder ihr natürliches Vorkommen war selbst vor der Nutzung durch den Menschen angesichts der heutigen Zuchtformen verschwindend klein. Was die Radiation und Verbreitung betrifft, so sind die kultivierten Pflanzen und Tiere geradezu Erfolgsmodelle. Jedenfalls bei nüchterner, rein statistischer Betrachtung. So hatte ich denn auch von Anfang an darauf verwiesen, daß der Nutzen, den eine Tier- oder Pflanzenart hat, daran gemessen wird, wie erfolgreich sie ihr Erbgut weitergeben kann. Wie erfolgreich sie sich also unter den Bedingungen, denen sie ausgesetzt sind, fortpflanzen können. Dieser Nutzen ist aber kein kultureller Wert, sondern ein evolutiver, ein selbst bei künstlichen Bedingungen "natürlicher Wert".
Im angelsächsischen Bereich gibt es sechs FOrmen der Symbiose, die sich nach der Verteilung dreier Effekte auf die zwei beteiligten Spezies untergliedern: Nutzen, Schaden, neutral.
Competition / Konkurrenz: Spezies a: Schaden; Spezies b: Schaden
Amensalism / Amensalismus: Spezies a: Schaden; Spezies b: neutral
Parasitism / Parasitismus: Spezies a: Schaden; Spezies b: Nutzen
Neutralism / Neutralismus: Spezies a: neutral; Spezies b: neutral
Commensalism / Kommensalismus: Spezies a: neutral; Spezies b: Nutzen
Mutualism / Mutualismus = Symbiose: Spezies a: Nutzen; Spezies b: Nutzen
Zum Amensalismus gehört eine Sonderform der Konkurrenz, nämlich die deutlich ungleiche Konkurrenz. Invasive Arten z.B. verdrängen endemische Arten, ohne selbst durch die Konkurrenten nennenswert bedrängt zu werden. Aber esgibt auch andere Formen. Wenn z.B. eine Art in einen Lebensraum eindringt und diesen verändert (so wie Heidschnucken aus lichtem Wald ne baumarme Heide machen und dadurch waldtieren die Lebensgrundlage nehmen). Das ist keine Konkurrenz um eine gemeinsame Nahrung. Neutralismus liegt z.B. in den afrikanischen Mix-Herden vor, wenn also Zebras, Gnus, Gazellen, Büffel, Giraffen... total vermischt im selben Bereich leben, qusi als eine Herde. Zuweilen ist solch ein Herdenmix von Vorteil, etwa wenn Löwen in der Nähe sind: Bei einem Angriff schafft die große Masse dem einzelnen Schutz, und die verwirrende VIelfalt erschwert es den Jägern nochmals, sich auf Beute zu konzentrieren. Doch finden sich solche Herden auch ohne diese bedrohliche Situation, also ohne Nutzen. Beim Kommensalismus lassen sich z.B. Tiere oder Pflanzensamen (Kletten) von anderen Tieren mittransportieren, ohne daß jene etwas davon haben.
Interessanterweise ist Mutualismus, also Symbiose im exklusiven Sinn, die häufigste Form, in der eine Tier- oder Pflanzenart existiert. Und selbst die Zucht von Pflanzen und Tieren durch den Menschen gehört zur exklusiven Symbiose / zum Mutualismus, denn nichtbeim Parasitismus, und auch nicht beim Kommensalismus hat die "genutzte" Tierart aus dieser "Lebensgemeinschaft" den Nutzen einer verbesserten Fortpflanzung des eigenen Genoms. Nutzvieh und Nutzpflanzen aber schon.
berndw. schrieb:Dass sich nämlich immer ganz bestimmte Spezies aufeinander einstellen, indem sie sukzessive ihre Merkmale zum jeweils stetigen nachhaltigen eigenen Nutzen ausrichten (automatisch über die gesamtheitliche Selektion).
Das beleg mal, daß dies konstitutiv ist. Die Blattläuse scheiden den Honigtau auch ohne Ameisen ab. Sie haben sich also nicht verändert, um Teil der Symbiose mit den Ameisen zu werden, welche die Blattläuse einerseits melken, andererseits vor Freßfeinden schützen. Nee Du, esistbeileibe nicht zwingend, daß die Arten einer Symbiose sich für die Symbiose auch abändern müssen. Wo auch immer Du diesen Schei* her hast, es bleibt Schei*.
berndw. schrieb:Das hat mit der "Breitbandzucht" des Menschen nicht wirklich etwas zu tun, es gibt da also sehr klare grundsätzliche Unterschiede.
Wie Du siehst, wünschst Du Dir diese "sehr klare[n] grundsätzliche[n] Unterschiede" nur zusammen. Seien es nun die notwendigen langen Zeiträume oder die notwendige Abänderung von Merkmalen aller Beteiligten... Wissenschaft ist nicht Herbeiwünschen.
berndw. schrieb:Das was man die Bevölkerungsexpolsion nennt, ist Teil meiner These zu den Auswirkungen der Zucht.
Tscha, Mülleimerthese eben. Auch bei natürlichen Spezies führt ein starkes Anwachsen der Populationen bzw. ein engeres Auf-, Mit- und Nebeneinander zu Erhöhung von Ansteckungswegen usw. Gerade bei Tieren wie den Wildkaninchen schwankt die Populationsgröße zuweilen erheblich, was dann zu großen Epidemien führen kann, wie sie alle paar Jahre mal durch die Medien geistern (nach Seuche und Wildkaninchen googeln). Bei Nutztieren sind die Ansteckungswege halt "von Natur aus" recht hoch. Daranliegts, nicht daran, daß Zuchtvieh besonders "schwach" sei gegenüber Naturformen. Klar kann Überzüchtung auch ein Problem sein, aber doch deutlich seltener, als Du denkst (/wünschst).
berndw. schrieb:Aber es kommt eben ganz automatisch zu einem Punkt, an dem dieser Prozess in sich zusammenbrechen muss.
Na wenn Du das so sagst, dann wirds auch stimmen. Schließlich kann man aus diesen Vokabeln diesen konkreten Satz bilden, also wird er auch nen Aussagewert haben.
Oder auch nicht.
Echt, hast Du nen Floskelgenerator im Keller?
Summa summarum: Du hast schlicht keine Ahnung von dem, worüber Du sprichst. Außer Zusammengewünschem kam von Dir kaum mal was. Wenn Du es doch nur bemerken würdest! Dann hätte ein weiterer Dialog mit Dir noch Sinn. Hat er aber nicht.