Jaine schrieb:Ich arbeite unter anderem mit psychisch kranken Menschen und kann aus Erfahrung sagen, dass sich besonders im Obdachlosenmilieu einige Menschen finden, die aufgrund ihrer Erkrankung so verwirrt sind, dass sie kaum Angaben zu ihrer Person machen können.
Wie wahrscheinlich ist es denn dass einer urplötzlich zum Kaspar Hauser regrediert, ansonsten aber voll funktionsfähig bleibt und fortan wie ein Straßenköter in einem fremden Land weiterlebt?
Ich sehe das Ganze als ein überkonstruiertes Hoffnungsszenario, das einzig und alleine dazu dient Frau Mittank's Wünsche nach einem lebenden und nicht freiwillig verschwundenen Lars zu erfüllen. Auch wenn ich verstehen kann dass sich Frau Mittank an so etwas klammert, ist es doch von allen möglichen Szenarien das mit großem Abstand unwahrscheinlichste.
Es ist schon äußerst unwahrscheinlich, dass einer ohne jegliche Vorgeschichte und mit keiner schwereren Diagnose als einer Trommelfellverletzung plötzlich vergisst, wer er ist. Selbst wenn man das noch für möglich hält, ist es fast noch unwahrscheinlicher dass einer mit einer derartig massiven psychischen Beeinträchtigung noch in der Lage ist, in einem fremden Land auf der Straße zu überleben.
Leider ist der Fall ein besonders eindrückliches Beispiel dafür, wie die Ungewissheit über das Schicksal von Angehörigen Menschen regelrecht zerfressen kann. Ich verstehe mittlerweile gut, wenn sich Angehörige Vermisster irgendwann nur noch nach einer Todesnachricht sehnen, um die Ungewissheit nicht mehr ertragen zu müssen.