http://kurier.at/kultur/4484523-michael-jackson-the-immortal-auf-welttournee.php (Archiv-Version vom 12.02.2012)Convention Centre im „Mandalay Bay“ in der Spieler-Hauptstadt Las Vegas, auch „Sin City“ genannt. Backstage. Schon am Vormittag gehen die Superlative aus. Alles am 2009 verstorbenen Pop-Sänger Michael Jackson war bigger than life. „The Immortal World Tour“ des kanadischen Cirque du Soleil ist es erst recht – die optisch opulente Show, die Kreativdirektor Jamie King auf die Beine gestellt hat, eine gigantische Materialschlacht mit 1400 Kostümen und 64 Tänzern, Livemusikern und Akrobaten aus 15 Ländern. 45 Trucks werden nötig sein, um den Tross quer durch Europa zu karren.
Lange war Jackson ein König, der souverän sein Reich regierte. In den 80er-Jahren erkannte er als Erster das Potenzial, das in der neuartigen Verbindung von Ton und Film lag. Er putschte sich zur Macht, indem er das Musikfernsehen für sich entdeckte. In seinen Videos lebte der zum Merkwürden gereifte Kinderstar die nächtliche Seite des Pop aus, erschien dem Publikum als Werwolf aus dem Reich der Trivialmythen, während er zugleich das Bild eines geschlechtslosen Püppchengenies kultivierte, harmlos im Auftreten und edel in der Gesinnung. Am Ende behandeln ihn die Medien als schlechten Scherz. Und heute? Der König ist tot. Hoch lebe der König.
„Jacko“ selbst singt, tanzt und erzählt im knapp zweistündigen Mammutspektakel und ist omnipräsent auf den riesigen Video-Walls, die allein eine Fläche von 500 Quadratmetern haben. Mehr als ein Basketballfeld.
Auf der Bühne bringt er der Welt, Kitsch sei dank, als riesige Marionette in einem Heißluftballon zur Ballade „Childhood“ ein großes rotes Herz. Oder parodiert als kleiner Junge mit Pieps-Stimme und Stars-and-Stripes-Schlaghose die Jackson-Five-Zeiten. Da werden all die Hip-Hopper, Tänzer, Schlangenfrauen und Luftakrobaten, die mit ihrer Kunst die Szenerie beackern, zwangsläufig zu Statisten. Jamie King hat Michael Jackson auf der „Dangerous Tour“ (1992) als einer von vier Haupttänzern begleitet.
Für die Arrangements engagierte er Kevin Antunes, der schon mit Justin Timberlake, Madonna und Janet Jackson gearbeitet hat: „Michael war – immer dynamisch – der beste Entertainer aller Zeiten – bei Komposition, Gesang, Tanz, Choreografie, Video und Produktion. Außerdem war er ein wunderbarer Mensch.“ Genau dieses Bild zeichnet die mit 32 Songs gefütterte megalomane Juke-Box. Menschenfreund, Umweltaktivist, Träumer, Weltverbesserer und, klar, King of Pop – das ist das skandalbereinigte Jackson-Bild, das die Kostümrevue mit Märchenwunderlandkulisse, Blitz und Donner, Tanzfurioso und pastos aufgetragene Gefühligkeit vermittelt.
Hit-Revival
Die „Immortal World Tour“ ist kein Posthum-Musical, auch keine akustisch bebilderte Biografie, sondern gefeiert wird eine Supernova des Pop quasi mit einem bombastischen Konzert aus dem Jenseits. Mit Fantasy-Bildern in allen Farben des Regenbogens. Dreh- und Angelpunkt sind die Pop-Hymnen. Zu „Will You Be There?“ pulsieren purpurne Herzen im Auditorium. Zu „Beat it“ tänzelt ein 1,80 Meter großer, paillettenbesetzter Handschuh als Skulptur. Bei „Bad“ setzen schwarze Slipper, geschätzte Schuhgröße 528, mit weißen Socken drin zum Moonwalk an.
Breakdance-Manöver folgen auf Feuerfontänen und futuristische Lichtspielereien. Michaels Gesang aus der Konserve begleitet eine dem Stadionrock verpflichtete Liveband. Schlagzeuger Jonathan Moffett war schon zu Lebzeiten Jacksons dabei. Auf der „Victory“-Tour. Beim Cirque treibt nun sein erdiger Bassbeat zu „Thriller“ eine ganze Horde tanzbesessener Mumien aus ihren Bühnengräbern. „Yeah“, sagte Tito Jackson in Las Vegas über seinen Bruder Michael, „he would have liked it“. Ja, ihm hätte die Show gefallen.