Pflegenotstand in Deutschland

@paxito
Danke für deine ausführliche Antwort, ok dann weiß ich wie du das meinst. Ich glaube aber das daß in Zukunft noch schlimmer wird.

Der Pflegenotstand ist zum Teil nicht erklärbar oder doch?

Es werden doch seit Jahren Krankenhäuser geschlossen und abgespeckt.
Gut ausgebildetes Krankenhauspersonal wird entlassen und gut eingearbeitete Angestellte von Krankenhäusern wurde und wird entlassen.

An Personal per se sollte es doch nicht liegen?

tomkyle schrieb am 15.11.2021:Der Pflegenotstand ist zum Teil nicht erklärbar oder doch?

Doch. Unattraktiver Beruf.. körperlich anstrengend, immer im Zeitdruck und bescheiden bezahlt. Dazu noch Wochenenddienste.

Dazu kommen noch die Eindrücke, die das Personal vielleicht auch mal "mit nach Hause nimmt".
Dies und das wird nicht immer leicht zu verkraften sein.

@paxito

Der dunkle Parabelritter hat wieder ein sehr gutes Video rausgebracht. Diesmal geht es über die Auswüchse und Machenschaften in der Pflege im deutschen Gesundheitssystem.

PFLEGE KATASTROPHE - Exposed

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Unser Gesundheitssystem steht kurz vor dem Kollaps. Das ist nicht erst seit Jens Spahn so. Kalr Lauterbach wird es nicht retten können. Die Pflegekrise hat sich über einen viel längeren Zeitraum angedeutet und ist ein Symptom einer Gesellschaft, in der Menschlichkeit keinen Wert mehr hat, aber der Wert des Menschen eine immer höhere Stellung einnimmt.
Was kommt jetzt auf uns zu?

Eine andere Sichtweise auf die Situation ist folgende:

Es gibt nicht zu wenig Pflegekräfte, sondern es gibt zu viele Patienten.

Heißt: Es gibt in Deutschland zu viele stationäre Behandlungen, die so eigentlich nicht notwendig wären, weil sie z. B. auch ambulant durchführbar wären.

Dies lässt sich natürlich nur auf die Krankenpflege und weniger auf die Altenpflege projizieren.

tomkyle schrieb am 25.09.2021:Oder, weil Menschen gerne andere Menschen ausbeuten?

Ja. In den Pflegeberufen ist das so. MMn kommt das daher, weil überwiegend Frauen in diesen Jobs waren und sind. Kirche und Politik fand es schon immer total praktisch das Frauen sich für wenig Geld maximal ausbeuten lassen.
Man denkt nicht im Traum daran etwas zu ändern, solange Frauen das mittragen.

TatzFatal schrieb am 27.01.2022:Man denkt nicht im Traum daran etwas zu ändern, solange Frauen das mittragen

Ist das denn nun ein Problem der Emanzipation, oder fehlt die?
So ganz werde ich aus deinem Satz nicht schlau.

Krautwurm schrieb:Ist das denn nun ein Problem der Emanzipation, oder fehlt die?

Es ist die Machtlosigkeit. Zu Streiken war ja verboten, beziehungsweise hat man das dem Personal so erzählt, vor allem auch an Kliniken bei denen die Länder die Träger sind. Allen voran der Betriebsrat. Eines Tages und Verdi sei Dank, wurde ein Streik organisiert. Während der Organisation hat man den Pflegekräften -natürlich inoffiziell, deutlich zu verstehen gegeben, wer sich beteiligt am Streik, der kriegt Probleme. Das Personal hat trotzdem gestreikt, anschließend die Kündigung abgegeben. Die die gekündigt haben, hatten Zeitgleich ihre Bewerbung bei Zeitarbeitsfirmen eingereicht, wurden von dieser Eingestellt und arbeiten seit dem zu deutlich besseren Konditionen in der gleichen größten Klinik des Saarlandes, auf der gleichen Station am exakt gleichen Arbeitsplatz.
In weiterer Folge haben damals so viele gekündigt, das manche Intensivstation mangels Personal nicht betrieben werden konnte.
Man war und ist durch diese Geschichte immer auf Personalsuche und das mit Mindererfolg. Nun hat man mexikanische Pflegekräfte angeheuert. Näher waren halt keine zu finden.
Da es bis auf den Import der mexikanischen Pflegekräfte natürlich keinen zu verlinkenden Artikel für diese Geschichte gibt, setze ich hierfür ein Helau.
Helau ist sehr passend. Insider wissen warum. Fasching steht auch bald wieder an. 😎

Frau.N.Zimmer schrieb:Wo ist das denn so? Da scheint ja dann genug Personal vorhanden zu sein.

Weil das jetzt so garnichts mehr mit SARS-CoV2 zu tun hat die Antwort hier.
In so ziemlich jeder Klinik, zumindest in denen, die ich kenne.
Das war sogar in der kleinen 200 Betten Klitsche so, in der ich damals Zivi gemacht habe und wo man sich das noch irgendwie hätte vorstellen können.
Aber in jeder größeren Klinik in die ich Einblicke hatte war das nicht der Fall. Teilweise springen die Bereichsleitungen ein, aber die Pflegedienstleitung oder die Direktion kommen doch höchstens mal zum Schauen vorbei. ^^

Frau.N.Zimmer schrieb:Na ja, es ist schon auch die Akzeptanz in der Bevölkerung. Wer will denn schon gefragt werden, ob ihn wirklich kein anderer Arbeitgeber genommen hätte.

Wahrscheinlich ist, wie bei den Bewerbern, auch bei den Ausbildungsstätten eine starke Streubreite vorhanden. Die einen müssen nehmen wer sich bewirbt wohingegen einige Unikliniken (zumindest vor wenigen Jahren noch) ein Abitur als Voraussetzung für ihre Pflegeschule fordern. Die erwähnte Freundin bekommt eben alles mit, da sie an einer staatlichen Schule ist wo Schüler verschiedenster Einrichtungen unterrichtet werden, mittlerweile durch die neue Ausbildungsordnung auch aus Pflegeheimen. Ich kann mir gut vorstellen, dass die auch nicht überall genommen worden wären - Mangel hin oder her.

Die Situation, die wir jetzt in der Krankenpflege haben, begann Ende der 80er Anfang der 90er Jahre.
Damals wurde das s.g. QM Management (QM Qualitäts-Management) eingeführt.
Ein eigentlich gut gemeintes Model um Prozesse in der Pflege objektiver zu beurteilen und Abläufe effizienter zu gestallten.

Leider hat sich dies zu einer Art Konkurrenz-Denken und Handeln entwickelt da damals umgesetzte Prozesse von den Krankenkassen mit Geldern honoriert wurde.

Dies führte im Verlauf dazu das sich Krankenhäuser zu Wirtschaftsunternehmen gewandelt haben und auch so auf dem Markt agierten und natürlich auch heute noch tun.

Das bedeutet, hohe Patientenfluktuation bei wenig Personal bedeutet Mehreinnahmen für den Träger. Diese Weichen hat die damalige Politik gestellt und heute, viele Jahre später gibt es immer noch kein Interesse dies zu ändern.

Unteranderem ist der Beruf der Pflegefachkraft dadurch unattraktiv geworden da die Intention eines jungen Menschen der diesen Beruf wählt ja ist, Hilfe zu Leisten und Menschen angemessen zu versorgen und zu pflegen.

Und dies braucht Zeit und Raum, den es heute nicht mehr gibt. Wo früher der Mensch im Mittelpunkt stand, sind es heute Fallzahlen die wichtig sind.

Die Bedürfnisse der Pflegenden und der Patienten finden heute leider kein Gehör mehr.

Es liegt auch daran, dass wir Pflegenden keine Lobby haben, was auch daran liegt das wir die letzten Jahre verpasst haben, uns Gehör zu verschaffen.

Streiken ist in unserem Beruf ein zweischneidiges Schwert. Natürlich habe ich ein Streikrecht und kann dies nutzen ohne Konsequenzen fürchten zu müssen.

Das Problem ist, ich kann dies nicht zu 100% einfordern. Denn wenn ich streike obwohl meine Station personell unterbesetzt ist, mache ich mich der Körperverletzung durch Unterlassung schuldig und es wird schnell klar, dass mein „Recht auf Streik“ seine Grenzen hat.

Und, wenn Pflege streikt, merkt es keiner!

Öffentlicher Nahverkehr, Abfallwirtschaft, Kita, Schulen…wenn diese Berufsgruppen streiken fällt dies einer breiten Bevölkerungsschicht direkt auf und wird in der Regel auch medial kommuniziert.

Wenn wir in der Pflege dies tun, haben wir vorher einiges dafür getan, dass der Betrieb auf den Stationen sichergestellt ist.

Soll heißen, wenn wir streiken fällt es niemandem auf. Und solange Kliniken Gelddruckmaschienen bleiben, hat auch die Politik kein begründetes Interesse daran etwas zu ändern.

@Nandalee
dein Beitrag und das Video weiter oben umreißt die Probleme sehr gut.

Streiken geht also schlecht. Wie sähe es mit Petitionen aus, hätten die auch 0 Wirkung?

@Optimist

Ich weiß gar nicht mehr, wie viele Petitionen schon unterschrieben wurden?!
Ich sitze nicht in Berlin und kann nicht objektiv beurteilen wie diese Petitionen behandelt werden.
Aber so lange Krankenhäuser Wirtschaftsbetriebe bleiben und so mit viel Geld generieren, wird es wie gesagt, kein großes Interesse daran geben etwas zu verändern.

Es sind ja auch nicht nur die Krankenhäuser auch Pflegeheime und andere Einrichtungen die nicht staatlich sind unterliegen so vielen undurchsichtigen Trägerschaften, die alle ein Interesse an Gewinnoptimierung haben.

Es gab mal ein interessantes Video zum Thema Finanzierung, vom ZDF (Irrenanstallt), ich werde mal versuchen es zu finden und zu posten.

Nandalee schrieb:Aber so lange Krankenhäuser Wirtschaftsbetriebe bleiben und so mit viel Geld generieren, wird es wie gesagt, kein großes Interesse daran geben etwas zu verändern

das sehe ich genauso (und genau so problematisch, wenn Stromversorger und Wasserwerke privatisiert werden).

Nandalee schrieb:Es sind ja auch nicht nur die Krankenhäuser auch Pflegeheime...

genau, hatte ich vorhin noch nicht gelesen, aber du meinst sicher auch Obiges.

Weißt du zufällig ob in den Petitionen eben auch genau dieses Problem der Privatisierung angesprochen wurde?

@Optimist

Ja, natürlich wird dies thematisiert. Die Trägerschaften verfügen über eine sehr große Lobby und haben natürlich auch Interessensvertreter in der Politik. Im Prinzip das gleiche Problem wie "du schreibst" mit der Privatisierung von Wasser und Strom.

Pflegenotstand - Die Anstalt vom 5. Dezember 2017 | ZDF

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hier das Video, von 2017 aber immer noch aktuell.

Nandalee schrieb:Im Prinzip das gleiche Problem wie "du schreibst" mit der Privatisierung von Wasser und Strom.

aber da hatte es in manchen Städten schon Proteste dagegen gegeben und dann wurde von der Privatisierung abgesehen.
In der Nähe wo ich wohne gibts ein Krankenhaus, das sollte auch mal privatisiert werden.
Da gabs Proteste und dann wurde eine Abstimmung gemacht -> es wurde nicht privatisiert.

Klar, bei Pflegeheimen ist solch eine Mobilisierung der Bevölkerung sicherlich nicht so einfach.
Die Jüngeren betrifft es noch nicht, denken nicht daran dass sie mal alt werden könnten und die Älteren haben oft keine Energie mehr, sich politisch zu engagieren.

Hab schon mal kurz in dein Video reingehört - klasse 👍 (später schaue ich es vollständig an)

@Optimist
Wie schön zu sehen, dass an mancher Ort die Proteste der Bevölkerung ernst genommen werden! Bleibt zu hoffen das sich andere Städte ein Beispiel daran nehmen.

Ich wünsche Die viel Spaß beim schauen und freue mich über deine Rückmeldung!

@Nandalee
leider hatte mein System gesponnen und diesen Thread aus der Beobachtung raus genommen. Durch Zufall sah ich jetzt erst deinen Beitrag.

Dein Video ist wirklich klasse - genauso lustig wie es gleichzeitig auch traurig ist.
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Weil es im anderen Thread OT wäre, mal hier her kopiert:

shionoro schrieb:Es gibt keine Streiks, die viel bewirken, wenn niemand darunter leidet. Denn dann leidet auch der AG nicht darunter.
Streiks sind dann besonders effektiv, wenn sie zu großen Verwerfungen führen.
Pilotenstreiks, Bahnstreiks, groß angelegte Kitastreiks, sowas zieht. Streiks irgendwo , wo die Leute höchstens mal entt nicken, interessieren niemanden.

Die Kollateralschäden sind letztendlich bei den Menschen zu finden, für die sich langfristig die Qualität verschlechtert. Die Patienten sind nicht Leidtragende von Pflegestreiks, sie sind leidtragende davon, dass es nicht genug empfindliche Pflegestreiks gab um die AG zum Umdenken zu zwingen. Darum siechen in manchen Pflegeheimen Leute dahin und werden schlecht versorgt, und das dauerhaft, nicht nur über eine Streikphase hinweg.

das überzeugt mich, was du geschrieben hast.

Nun würde mich mal interessieren, an alle user hier im Thread die evtl. mit der Pflege zu tun haben, weshalb nicht mal im Pflegesektor gestreikt wird?

Optimist schrieb:Nun würde mich mal interessieren, an alle user hier im Thread die evtl. mit der Pflege zu tun haben, weshalb nicht mal im Pflegesektor gestreikt wird?

Im Pflegesektor wird andauernd gestreikt, es interessiert aber niemanden.