phenix schrieb:Aber da ich schon mal einen Fachmann an der Angel habe....
Nein, das hast Du nicht. Auch in meinem Studium hatte die Beschäftigung mit der menschlichen Psyche ihren Platz (Schwerpunkt Entwicklungspsychologie), und auch als Gasthörer hatte ich noch das Vergnügen gelegentlichen Reinschnupperns. Aber dennoch bin ich nur ein interessieerter Laie.
phenix schrieb:Jaynes schreibt das die Natoufiens kein Bewusstsein hatten. Er schreibt sie konnten nicht narrativeren und es gab für sie kein "Ich".
Er schreibt:" Sie waren, so könnte man aus heutiger Sicht sagen, signalverhaftet, das heiß, sie reagierten fortwährend reflektorisch auf Hinweisreize gesteuert.
Tut mir leid, aber das ist grober Unfug. Nicht daß ich das nicht kennte, auch von anderen. Aber das ist schlicht Schrott. Wer seine Toten begräbt, der hat eine konkrete Vorstellung vom Ich, sowohl des eigenen Ich als auch des Ichs der anderen. Eine Ich-Vorstellung, die sich nicht im Agieren des Körpers erschöpft, sondern eine, die sogar über den physischen Tod hinaus Bestand hat. SOlche Vorstellungen vom Ego und voneinem Jenseits lassen sich nicht ohne Narratio in einer menschlichen Gemeinschaft entwickeln, verbreiten und über Generationen bewahren. Die ältesten gesicherten Bestattungen stammen aus dem Mittelpaläolithikum aus der Levante (90 bzw. 120.000 Jahre); seit dieser Zeit kann dem Menschen weder Bewußtsein noch ein zu Abstraktion fähiger Geist samt Sprache abgesprochen werden.
Sämtliche der heute noch rund 6000 gesprochenen verschiedenen Sprachen der Menschheit lassen sich auf ca. 300 Ursprachen zurückführen, die vor deutlich weniger als 10.000 Jahren auf der Erde gesprochen wurden. Das so ermittelte Vokabular der indogermanischen Ursprache umfaßt zumindest 10.000 gesicherte Vokabeln. Sicher kannte das Urindogermanische deutlich mehr Vokabeln, doch haben diese sich bei der Radiation der Sprachfamilie in die heutigen Einzelsprachen in ihrem Klang nicht mehr bis in die Gegenwart erhalten, sondern sind in den meisten Einzelsprachen zu stark abgewandelt worden, als daßsich die gemeinsame Ursprungsform daraus rückschließen ließe.
Diese 300 Ursprachen waren damals sicher nicht die einzigen; auch damals mag es mehrere tausend Sprachen gegeben haben; nur daß seither die meistenausgestorben sind. Vor allem aber haben auch jene damaligen Sprachen eieVorgeschichte gehabt und werden ebenfalls aus mehreren nochmals älteren Ursprachen hervorgegangen sein. Doch je weiter die Sprachforschung in die Zeit zurückgeht mit ihren Rekonstruktionen, desto weniger Urvokabeln kann sie ermitteln. Vor einiger Zeit hieß es mal, 10.000 Jahe wären quasi die Dead Line für solche Forschung nach gemeinsamem Vokabular; kein Wort könnte über solch einen langen Zeitraum den Charakter seines Klangs beibehalten.
Doch stimmt dies so nicht. Die Geschwindigkeit der Veränderung einer Vokabel ist umgekehrt proportional zur Häufigkeit seiner Verwendung im Sprachgebrauch. Und tatsächlich gibt es Wörter, die quasi in allen Sprachen sehr häufig verwendet werden. Nur werden es eben keine 10.000 Vokabeln mehr, sondern sehr viel weniger, die sich auf diese Weise für eine mehr als 10.000 Jahre alte Ursprache rekonstruieren und damit zum Abgrenzen dieser Ursprache verwenden lassen.
Interessanterweise gehören gerade auch "du" und "ich" zu eben diesen Vokabeln.
So lassen sich wenigstens sieben Sprachfamilien zur Superfamilie "Nostratisch" zusammenfassen. Ein Gleichklang der Vokabeln für "ich" ist dabei in sechs der sieben Sprachfamilien bzw. ihrer Familien-Ursprachen erkennbar; für das "du" sogar in allen sieben. Die hypothetische nostratische Ursprache wurde vor vielleicht 15.000 Jahren gesprochen, eventuell aber ist sie auch jünger. Doch der Beginn der Radiation des Urnostratischen in verschiedene Dialekte und Sprachen und somit zur heutigen nostratischen Sprachenvielfalt muß wenigstens vor 12.000 Jahren stattgefunden haben.
Im Nostratischen sind eben nur gesichert sieben der bekannten 300 Sprachfamilien zusammengefaßt, es können noch ein paar mehr gewesen sein. Andere Sprachfamilien werden sich ebenfalls zu Superfamilien zusammenfassen lassen, wenigstens zu einem Dutzend Superursprachen. Aber auch diese Superursprachen werden nicht der Anfang der Sprachentwicklung gewesen sein, sondern ihrerseits auf eine oder mehrere Ursprache(n) zurückgehen. Und diese dürfte(n) nochmals einige Jahrtausende älter sein.
Oder auch etliche Jahrtausende, wenn nicht Jahrzehntausende. Denn mit zunehmender Geschwindigkeit der Veränderung von Gesellschaften / Kulturen verändert sich auch deren Sprache umso schneller. Klar ist, daß mit dem Aufkommen von Ackerbau und Viehzucht das Tempo kultureller Veränderungen der Menschheit zugenommen hat. Im Jungpaläolithikum hingegen dauerten kulturelle Veränderungen deutlich länger. Und sie dauerten nochmals länger, je weiter wir in die Vergangenheit zurückgehen.
Sprache dürfte allerdings nicht nur mehrere Jahrzehntausende alt sein, sondern mehrere Jahrhunderttausende. In der Kebarahöhle am Karmel in der Levante wurden 1983 Knochen eines 60.000 Jahre alten Neandertalers gefunden, darunter auch ein Zungenbein, das fast wie dasZungenbein eines Homo sapiens aussieht. Nun, die meisten Knochen des Neandertalers sehen ihren Pendants beim Sapiens sehr ähnlich. Kein Wunder bei gemeinsamer Abstammung! Dennoch ist das für das Zungenbein ungewöhnlich.
Das Zungenbein sitzt an der Basis der Zunge. An diesem Knochen setzen Zungenmuskeln an. Nur durch diesen Knochen können wir unsere Zunge zu feinmotorischen Bewegungen zwingen. Das Besondere: keiner unserer Menschenaffen-Verwandten besitzt solch ein Zungenbein. Dieser Knochen ist also erst im Lauf der separaten Homininenentwicklung entstanden. Und da eher spät als früh.
Denn dieser Knochen hat nur einen einzigen Nutzen: für eine feinartikulierte Sprache ist eine feinmotorische Bewegung der Zunge unerläßlich. Das Zungenbein konnte also erst entstehen, als es bereits eine (sicher sehr rudimentäre) Sprache gab. Das Aufkommen des Zungenbeins erlaubte eine deutliche Vergrößerung des akustischen Repertoires und brachte somit einen evolutiven Vorteil.
Wäre Sprache nun jünger als eine halbe Million Jahren, wäre sie erst entstanden, nachdem sich die Linien des Homo sapiens und des Neandertalers voneinander getrennt hatten. In dem Fall wäre das Zungenbein des Neandertalers eine unabhängige Parallelentwicklung zu unserem Zungenbein. Dann aber sähe es schwerlich dem unsrigen so ähnlich. Nun ist es aber ähnlich, was bedeutet, daß unser beider Zungenbein auf einen gemeinsamen Ursprung zurückgeht. Somit muß wenigstens der letzte gemeinsame Vorfahre bereits ein rudimentäres Zungenbein besessen haben. Damit aber mußte bereits dieser Vorfahre, der Homo heidelbergensis, über eine wenigstens rudimentäre Sprache verfügt haben, sodaß das Zungenbein entstehen und sich durchsetzen konnte.
Vor wenigstens 500.000 Jahren also besaß und benutzte der damalige Urmensch eine Sprache; und sie war bereits für sein Überleben von solcher Bedeutung, daß eine Verbesserung der Sprachfähigkeit einen evolutiven Vorteil bedeutete.
phenix schrieb:Kann es nicht sein das sich dieser Rahmen mit den Menschen mitentwickelt hat?
Ich meinte etwas anderes, nicht die selbstverständliche neurologische Manifestation der psychischen Entwicklung eines Individuums. Was ich meinte, war eher sowas in der Art von: zu welcher Art von Logik befähigt uns die neurologische Grundstruktur unseres Gehirns.
phenix schrieb:Das wir anfangs alles ungefiltert in uns aufgenommen haben, das zu Verwirrung ( oder Gehörhaluzination) führte und später sich das Gehirn an die Kommunikation angepasst hat?
Jaynes "Gehörhaluzination" müßte erstens um ein vielfaches älter sein als zwischen Natufien und Odyssee. Zweitens wäre es selbst da schwer dazu gekommen (quasi als Sprachanpassungs-Streß). Denn schließlich entstand menschliche Sprache nicht aus dem Nichts, sodaß den ersten Sprechern das Sprechen fremd vorkam. Vielmehr kann menschliche Sprache sich nur aus der tierischen Kommunikation unserer Vorfahren heraus gebildet haben. Und sobald der Mensch nicht nur seine ersten Sprach-Vokabeln nicht nur laut sprechen, sondern auch im Stillen denken kann, kann er auch seine vorsprachlichen Lautsignale denken. Die wird er auch schon vor dem Aufkommen der ersten "Vokabel" leise gedacht haben können - jedenfalls sofern Denken die Voraussetzung für Sprache ist.
Ich sehe also keine Chance dafür, daß sich der Mensch eine "Fremdheit von Gedanken in sprachlicher Gestalt" hätte antrainieren können,um dieses Fremdheitsgefühl dann jahrtausendelang(eigentlich jahrhunderttausendelang) mit sich rumschleppen zu können.
phenix schrieb:eigentlich ein netter Spruch um sich davor zu drücken es Wissenschaftlich zu untersuchen :D
Dieser Satz verrät womöglich mehr über Dich als über Jung.
phenix schrieb:Mir ist im übrigen eingefallen, das ich auch in der Familie einen Fall habe von Schizophrenie. Der Mann hielt die Katze für den Mond Gott und seine Tochter für die Mondprinzessin. In dem Falle würde das was Jaynes schreibt ja eigentlich passen.
Nee. Das würde höchstens bedeuten, daß Schizophrene in einer bikameralen Gesellschaft erst dann als Kranke aufgefallen wären, wenn ein Schade entstanden ist.