Traunstein/Bad Reichenhall
Zeuge über Angeklagten Christoph R.: "Man merkt nicht, dass er da ist"Der mutmaßliche Mörder von Bad Reichenhall, der in der Fußball-WM-Nacht am 14. Juli 2014 einen 72-Jährigen erstochen und eine 17-jährige Auszubildende mit einem Bundeswehrkampfmesser lebensbedrohlich verletzt haben soll, gilt im Gefängnis in Traunstein als "idealer Gefangener". Vor dem Schwurgericht schilderte ein 52-jähriger Vollzugsbeamter den Untersuchungshäftling als zurückgezogenen Einzelgänger, sparsam mit Worten, völlig gelassen, teils träge und ohne jedwedes Anliegen in Bezug auf Hafterleichterungen wie telefonieren. Nie habe er einen Wutausbruch oder andere Aggressionen bei dem 21-Jährigen erlebt, betonte der Abteilungsleiter: "Man kann genauso gut mit einem Pfosten reden. Man merkt eigentlich gar nicht, dass er da ist." Mit Enttäuschung oder Freude könne man als Vollzugsbeamter arbeiten - "aber nicht, wenn jemand eine Maske trägt".
Der Mittwoch stand im Zeichen des Versuchs, mehr über die Persönlichkeit des Angeklagten zu erfahren, speziell hinsichtlich der Frage, ob er im Fall der Verurteilung als Erwachsener oder als noch nicht ausgereifter Heranwachsender einzustufen ist. Der Ex-Soldat selbst trug in dem Verfahren überhaupt nichts zur Klärung bei. Er schwieg an allen Prozesstagen, so auch am Mittwoch.
Angeklagter sucht keinerlei Kontakt zu MitgefangenenDer 52-jährige Vollzugsbeamte der JVA Traunstein kennt den Angeklagten, der Anfang August 2014 in Norwegen festgenommen und im Oktober 2014 nach Bayern ausgeliefert wurde, seit knapp einem halben Jahr. Der Ex-Soldat verhalte sich im Gefängnis nicht anders, als ihn das Gericht kennen gelernt habe. Er sei ruhig, verzichte auf Hofgang, bleibe beim Aufschluss zumeist in seiner Einzelzelle, verlasse sie nur zum Müllentsorgen oder Duschen. Der 21-Jährige entziehe sich dem Gespräch mit Mitgefangenen, suche keinerlei Kontakt. Besuch von Verwandten bekomme er äußerst selten. Kurze Gespräche mit der Psychologin und dem Seelsorger habe der Untersuchungshäftling nicht verlangt. Rede er mit anderen Gefangenen, gehe die Initiative ebenfalls nicht von ihm aus, informierte der Zeuge.
Einzige Ausnahme sei seit kurzem ein "ziemlich skurriler, penetranter und neugieriger" älterer Mitgefangener, der sich dem 21-Jährigen aufdränge. Die Beiden hätten zwei oder drei Mal zusammen Schach gespielt. Als einer der Opferanwälte einen entsprechenden Beweisantrag andeutete, warf Verteidiger Harald Baumgärtl ein: "Ich kenne den Angeklagten am Längsten. Er erzählt auch Mitgefangenen nichts. Wenn wir den 55-Jährigen vernehmen, werden wir lediglich einen halben Tag Spaß haben. Sonst kommt nichts dabei heraus."
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