EclipseFirst schrieb:Es gab m. E. überhaupt keine Anzeichen für "freiwilliges Verschwinden".
Ich sehe das ähnlich, zumindest bis zum Zeitpunkt der Abreise seiner Begleiter. Bis dahin schien er einen "normalen" Partyurlaub zu verbringen und aus dem Vorfeld zum Urlaub wurden keine Informationen über entsprechende Ambitionen publik. Erst im Zuge des Alleinaufenthaltes entwickelte er seltsame, teils unlogisch wirkende Verhaltensweisen, so man denn den Aussagen der Mutter zu den Telefonaten folgt.
@Tinker schrieb davon, dass seine "Flucht" aus dem Flughafengebäude freiwillig erfolgt sein könnte. Eine Art Kurzschlussreaktion mit offenem Ende. Das ist durchaus möglich. Doch einen "Point of no return" hatte er mMn zu jenem Zeitpunkt damit noch nicht überschritten. Erst wenn er später, nachdem er in seinem "neuen" Leben angekommen wäre, sich den Suchaktionen und Bitten seiner Angehörigen/Freunde zum Trotz, gegen ein Lebenszeichen und/oder Rückkehr entschieden hätte, wäre für mich dieser Punkt -zumindest psychologisch- überschritten worden.
Das führt mich zu der Annahme, dass ihm entweder das "Kunststück" gelang, aus einer denkbar schlechten, weil völlig unvorbereiteten Flucht in einem völlig fremden Land, ohne Sprachkenntnisse, Jobperspektive usw. tatsächlich ein neues, anonymes Leben aufzubauen, oder es gelang eben nicht und endete im schlimmsten Fall mit seinem Ableben. Dazwischen sehe ich kaum eine andere Möglichkeit. Ein freiwilliges "Leben" ohne jede Versorgung, Obdach, Einkommen und Lebensqualität ist mMn ein zu schlechter Tausch gegen seine vorherige Situation, so das dafür schon eine ziemlich gravierende -uns unbekannte- Begründung vorliegen müßte.
EclipseFirst schrieb:Früher oder später braucht man irgendwelche Ausweisdokumente. Jedenfalls wenn man weiterhin am zivilisierten Leben teilhaben will. Früher oder später braucht man mal einen Arzt. Bulgarien ist kein Land, wo man als blonder Europäer ungeklärter Identität mal eben "Asyl" stammelt und auf Jahre hin staatlich versorgt wird, ohne dass sich jemand für die Herkunft (und evtl. Geldquellen) der Person interessiert. Leben kostet auch dort Geld.
Ja richtig. Es gibt zwar Möglichkeiten, auch ohne den Einsatz von Dokumenten zu überleben. Doch ein einigermaßen komfortables Leben ist ohne Job und ohne Einkünfte kaum möglich. Zumindest kann ich mir das in Bulgarien oder überhaupt süd-/osteuropa nicht vorstellen. Nur dann, wenn er von dritter Seite versorgt wird, was ich persönlich jedoch nicht als sehr wahrscheinlich ansehe.
EclipseFirst schrieb:Eine dermaßen vollständige Amnesie, dass man sich an überhaupt gar nichts mehr erinnert, auch nicht an seine Muttersprache, ist ein medizinischer Ausnahmefall. Falls es passieren sollte, unwahrscheinlicher Weise, spürt der Amnestiker, dass er dringend Hilfe braucht. Er kann sich ja nicht verständlich machen! Der geht auch nicht einfach in die Wildnis und lebt erinnerungslos vor sich hin!
Eine
dauerhafte Totalamnesie (ohnehin eine äußerst seltene Erkrankung) ist normalerweise nur bei einem vorherigen, schweren Trauma (schweres SHT und/oder schweres psychologisches Ereignis) zu erwarten. Das ist hier mMn aber nicht der Fall. Seine Verletzung am bzw. im Ohr und auch die verschriebenen Medikamente sollten eine solch gravierende Erkrankung nicht hervorrufen können, zumal er die Medis ja angeblich auch garnicht genommen hat. Und selbst im Falle dieser Amnesie sehe ich das genauso wie Du. Er würde nicht irgendwo in der Wildnis unentdeckt vor sich hin vegitieren. Er würde eher wahrscheinlich an der Lösung des Problems arbeiten und Hilfe suchen.
Tinker schrieb:Lars wird aber als ganz normaler Typ beschrieben. Keine Anzeichen von psychischen Problemen. Es fällt mir schwer zu glauben, dass er so plötzlich an einer schweren psychischen Störung erkrankt ist.
Da stimme ich zu. Die Psychose eignet sich allerdings hervorragend, um irrationales oder unverständliches Verhalten zu erklären und wird deshalb gerne als Universalerklärung und/oder Totschlagargument herangezogen. Doch tatsächlich sind dauerhafte (!) und sehr schwere Psychosen eine seltene Ausnahme und für gewöhnlich mit einer entsprechenden Vorgeschichte verbunden. Die kommen normalerweise nicht aus dem "Nichts".
sooma schrieb:Ein paar Sachen waren wohl schon auffällig... er hat z. B. angeblich wenig gegessen, war wohl auch ab und zu ein bißchen provokant drauf, dann die Schlägergeschichte in der Nähe des McDonalds, auf die keiner so recht verwundert reagiert hat.
Die "Auffälligkeiten" reichen mMn nicht aus, um daraus auf eine so schwere Psychose zu schließen. Es gibt viele Menschen, die -gerade im Zusammenspiel mit "erhöhtem" Alkoholkonsum- eher aggressiv sind und wenig Appetit zeigen.