Wo beginnt die Perversion?

Doors schrieb:Wer auf der Suche nach Blut, Schweiss, Tränen und Sperma ist, wird schon in den entsprechenden Medien fündig.

Ich möchte behaupten komplett kommt man nicht drumrum. Wenn ich mir persönlich von den ganzen halbnackten Schönheiten auf Werbeplakaten auf die Füße getreten fühlen würde, würde man sie trotzdem deswegen nicht kleiner machen oder den Darstellern etwas anziehen.

Ich finde die heutige Gesellschaft geht in ihrer scheinheiligen Offenheit ein ganzes Stück zu weit denn so offen wie sie sich gibt ist sie nicht. Tabus ansprechen ok. Tabus brechen, nicht immer ok. Tabus alltäglich zur Schau stellen und trotzdem nicht drüber sprechen wollen - sinnfrei.

Pantheratigris schrieb:Ich finde die heutige Gesellschaft geht in ihrer scheinheiligen Offenheit ein ganzes Stück zu weit denn so offen wie sie sich gibt ist sie nicht. Tabus ansprechen ok. Tabus brechen, nicht immer ok. Tabus alltäglich zur Schau stellen und trotzdem nicht drüber sprechen wollen - sinnfrei.

Ich denke das auch! Es wird sehr viel offen präsentiert und ich glaube, dass die Gesellschaft mit dieser "Offenherzigkeit" überhaupt nicht klar kommt... bzw. sie hat keine Zeit, dieses in einer angemessenen Zeit zu "verarbeiten".

@Pantheratigris


Zwischen "halbnackten" Werbe-Ikonen und massiven Tabu-Brüchen in unserer Gesellschaft sehe ich allerdings Welten liegen.


@belphega


Nach wie vor reagieren Teile der Gesellschaft entsetzt oder verärgert, wenn jemand das Mäntelchen des Schweigens anhebt, so zuletzt geschehen in der kürzlich erregt geführten Diskussion über Verbrechen kirchlicher und staatlicher "Heimerziehung" in der BRD bis in die siebziger Jahre hinein.

Sexualität bei "Behinderungen" oder Sex im Alter, vor allem bei Frauen jenseits des Rentenalters, sind nach wie vor grosse Tabuthemen. Selbst unter Betroffenen.
Psychische Erkrankungen sind auch nicht unbedingt das Smalltalk-Thema bei Geschäftsessen.
Mir ist auch noch nicht passiert, dass mir auf einer Cocktailparty jemand sagte: "Hey, möchten Sie mal meinen künstlichen Darmausgang sehen?"

Nein, tabulos ist diese Gesellschaft wahrlich nicht.

@skeptikerin


Nur weil man selbst bestimmte Dinge nicht verarbeiten kann, muss das nicht generell für andere, "die Gesellschaft" gelten. Und umgekehrt.

@Doors

Klar aber irgendwo fängt es an und aufhören tut es in Extremen.

Wieso ist es denn so normal, dass an jeder Straßenecke Bilder von halbnackten Menschen hängen? Wozu tragen wir dann überhaupt noch Kleidung? Achja, dem Statussymbol wegen. Und weil die meisten halt nur Modelfiguren halbnackt bzw. am liebsten nackt sehen wollen. Aber ist das denn in deinen Augen wirklich gut und nötig?

Sex sells? Wer's glaubt, ich würde mein Mineralwasser auch kaufen wenn die Models nicht im Bikini rumstünden.

Menschen wurden schon immer nackt dargestellt. Das ist doch nichts neues, was soll daran ein Tabubruch darstellen. Wenn es überhaupt einer ist, dann ist es der "ewige" Tabubruch schlechthin.

Die Welt hat es verlangt, sie hat nichts besseres verdient.
Wer sich von sowas beeindrucken lässt, weil er ein Problem damit hat, muss sich halt ein dickeres Fell wachsen lassen.
Ich kann über Leute nur lachen, für die das Leben bei S anfängt und über dem E beim X endet.

Der Ausruck von Vitalität, Gesundheit, Jugend wird nunmal in erster Linie über den Körper selbst erzeugt.

@Doors

Ich denke, dass ich in einem Alter bin, wo ich sehr viel verarbeitet habe. Nennt man auch Lebenserfahrung. ;)

Trotzdem seh ich bestimmte Dinge "skeptisch" ....

Mein Motto: Wenn ich Hunger auf Schokoladenpudding habe, möchte ich aber nicht den ganzen Kopf reinstecken, sondern Löffel für Löffel geniessen ;)

Alles andere sehe ich als "too much"....

@Pantheratigris


Bei den Durchschnittstemperaturen in unseren Breiten, allen Klimaerwärmungen zum Trotze, halte ich ein Minimum an Bekleidung (Sweater, Südwester) im norddeutschen Sommer durchaus für angemessen.
Betrachte ich mich kritisch vor dem Spiegel, so erscheint mir eine gewisse Bedeckung meiner (nicht geringen) Körperoberfläche im Interesse der Zumutbarkeit ebenfalls geboten.

Dass sich Mineralwasser mit Nackten (welches überhaupt?) besser verkauft als solches ohne, glauben Hersteller, die sich Kampagnen von Billighubern zusammen schustern lassen. Die sagen sich nämlich: Sex geht immer, da brauchen wir keine grosse Planung, haben wir nicht noch ein paar Titten in der Schublade? Ab damit an die Plakatwand. Frau Müller, machen sie schon mal die Rechnung klar!

Üblicherweise werden Kampagnen für Produkte zielgruppengerecht getestet, d.h. repräsentativen Ausschnitten der Zielgruppe werden Werbemedien präsentiert und diese beurteilen sie. Folglich kommt, wenn Millionen Fliegen befragt werden, was sie gern serviert hätten, nur Scheisse dabei heraus. Ich sage nur: Hausfrauen-Werbung!
Bei der von Dir angesprochenen Plakatwerbung werden von seriösen Agenturen sogar die Blickverläufe der Probanden aufgezeichnet. Da gucken Männer den Plakatmädels zuerst eben nicht ins Gesicht. Folge. wenn die männliche Zielgruppen-Mehrheit auf Arsch & Titten abfährt, dann bekommt sie eben diese.

Irgendwie hab ich den Eindruck, hier wird am meisten das Thema Sex als pervers dargestellt. Warum halbnackte Frauen hier, warum halbnackte Frauen da, warum der Porno hier, warum der Porno da?

Als Rom noch Piken kämpfte und Alexander der Große durch Griechenland ritt, war Sex mit Knaben gang und gäbe.
In Pompej war es normal nach der Arbeit mal den Puff zu besuchen.
Allgemein im Altertum wurden Abbilder von Sex und Sexpraktiken geschaffen auf Vasen und Wandbildern.
Dieses Thema wurde nur mit der Zeit tabutisiert. Wobei Sex nunmal zum menschlichen Handeln gehört wie der tägliche Stuhlgang.

Jetzt sollte sich die Frage stellen, warum das Thema Sex als Pervers angesehen wird bzw. dessen öffentliche Darstellung^^
Aber ich denke, die Threaderstellerin hatte nicht die Absicht, vorwiegend zu fragen, warum Sex bzw dessen öffentliche Zurschaustellung als Pervers gilt^^

Und pervers ist ein Extrem das im natürlich Auge des Betrachters liegt, das selbstverständlich subjektiv ist. Was nicht ausschliesst, dass die Wahrnehmung des Subjekt bestimmt wird von einer bestimmten, von der Gesellschaft geprägten Wahrnehmung.

@Saturius

Sex an sich ist nichts perverses aber dann auch konsequent. Wenn die Gesellschaft schon so "offen" ist dann müsste es völlig normal sein, beim Abendessen diverse Praktiken zu diskutieren. Ist es aber nicht weil dann selbst erwachsene Menschen rot anlaufen.

Das Altertum ist ein Weilchen her und nur weil es damals völlig normal war, nach der Arbeit mal eben in den Puff zu rennen heißt das nicht, dass dies ein Idealbild einer gesunden Sexualität und vor allem Moral darstellt.

@Doors

Ich glaube jeder der einigermaßen selbstkritisch in den Spiegel schaut wird auf den Trichter kommen, dass er selbst auf den überdimensionierten Plakatwänden eher abschreckend wirken würde. Schon, weil da ja noch ein paar Stündchen Photoshop drüber gehen. Nur wenn schon nackt dann doch konsequenterweise auch ältere, dickere, ungesundere Mitmenschen abbilden. Aber das isses ja, da würden alle "Ih, Nackte!" rufen.

Die männliche beworbene Gruppe ist schon sehr berechenbar und wir leben nun mal in einer, sagen wir mal, männlich dominierten Gesellschaft. So weit, so gut - aber gibt es denn wirklich keine Differenzierung mehr?

Noch vor zehn Jahren musste man in Schmuddellädchen gehen um die heute frei an jedem Zeitungskiosk erwerbbaren Heftchen zu kaufen. In den gleichen Schmuddellädchen bekommt man heute meist eher das, was gesellschaftsüblich dann doch als pervers gilt. Und in zehn Jahren bekommen wir auch das auf der Straße verkäuflich und in den abgeschotteten Lädchen liegen nur noch Snuff- und Pädophilen-DVDs. Und zehn Jahre später ...

@skeptikerin


"Mein Motto: Wenn ich Hunger auf Schokoladenpudding habe, möchte ich aber nicht den ganzen Kopf reinstecken, sondern Löffel für Löffel geniessen"

Ich glaube das sehen die meisten Menschen ähnlich. Nichts desto trotz wirkt gerade das anbieten von Massen verkaufsfördernd, das "überschwemmen", das suggerieren einer absoluten Verfügbarkeit animiert Menschen zuzugreifen, dabei sein zu wollen. Masse überzeugt.

Der Mensch wird überzeugt durch, Jugend Vitalität, Schönheit, Stärke, Intelligenz, Authorität und schliesslich durch die Gruppe. Also was machen Werbeschaffende anderes als die Vermittlung eben jener Begriffe.

Seht euch mal die oben stehenden Begriffe an, die meisten davon funktionieren schon allein nur durch die Darstellung einer schönen/es Frau/Manns. Was ist daran nochmal Pervers.

@fossil

Sicherlich funktioniert die Darstellung der Begriffe auch durch "schöne" Menschen aber das hat dann doch schon etwas mit Oberflächlichkeit zu tun. Jugend, Vitalität, hinter all dem steckt doch wesentlich mehr als das Aussehen eines Menschen. Du meinst also die Menschen wollen das offensichtliche sehen?

Ich sage, die Menschen nehmen das offensichtliche hin, weil ihnen niemand eine Alternative gibt. Werbung die zum Denken anregt würde Produkte genauso gut verkaufen und mit etwas Glück den IQ einiger Mitbürger um 2, 3 Pünktchen steigen lassen. Man müsste ihnen diese neue Werbung nur genauso eiskalt vorsetzen, wie die jetzige.

@Doors

Danke für die zahlreichen sinnvollen Beiträge :D Sowas liest sich gern (und von dir ist man eh nix andres gewohnt).

Wieso sich nicht darüber reden lassen sollte?
Hm.. ich weiß es nicht. Ich persönlich bin eigentlich zu allen Themenbereichen offen :/ Nur ab und zu wird diese Offenheit von meinem Umfeld als abnormal angesehen. Hitler hatte neulich Geburtstag und das warn Gesprächsthema. Hitler war krank, aber nicht dumm. Sprich das mal vor ein paar Leuten aus denen in der Erziehung eingetrichtert worden ist dass dieser Mensch Satan ist. Das war für die schon wieder ne perverse Denkweise, weil Hitler ja dumm und dümmer geredet wurde, weil keiner nur annähernd den Neonazismus mit sich in Verbindung bringen will.

Oder wenn sich wieder ne Bekannte aufregt, dass ihr Sohn immer wieder für Frauen bezahlt – ich hab mir gedacht ihre Augen platzen, als ich ihr veranschaulichen wollte dass Bordelle gar nicht so unnütz sind wie sie jeder darstellt.

Das sind so Dinge die in ewig großer Schrift mitten auf den Klatschmagazinen stehn. Ein jeder liest sich das durch. Erinnert euch an den Inzestfall von Amstetten. Je detaillierter das Szenario beschrieben wurde, desto besser wurden die Verkaufszahlen. Menschen wollen über Gewalt lesen, stillschweigend zuhause, da wo sie keiner damit in Verbindung bringt.
Ein Amoklauf in Afrika? Pf.. normal.
Ein Kannibale in Deutschland? 4 Wochen Schlagzeilen.


Ich frage mich warum einfach so viele Leute in der heutigen Zeit die Augen verschließen sobald sie direkt damit konfrontiert werden. Außerhalb von Gesprächen fliegen ihnen diese nämlich bei jedem Artikel beinahe raus.

@Pantheratigris


Die "Sonnenfreunde" und vergleichbare sogenannte FKK-Zeitschriften, in denen schamhaarlose Minderjährige die Beine spreizten, gab es schon Mitte der Sechziger an Zeitungskiosken im öffentlichen Aushang. DAS ist allerdings vorbei, soweit ich weiss.

Die (alten) SPN boten schon Ende der Sechziger die Möglichkeit "Fotografier Deinen Liebling" und ermöglichten Exhibitionisten wie Voyeuren die Befriedigung ihrer jeweiligen Bedürfnisse in Printform.

Allerdings kenne ich keinen Sexshop (und ich kenne einige!) in denen "Snuff" oder Pädo-Material angeboten werden würde.

Zumal diese "Snuff"-Geschichte ja nach wie vor nicht vom Ruch des medienwirksamen Fakes befreit ist.

( http://www.melonfarmers.co.uk/basnuff.htm )

Weil die meisten zwei Gesichter haben, eins für die Strasse und eins für die Kammer

@belphega


Was weit weg passiert, ist immer uninteressant. Nicht zuletzt deshalb wird schon gern mal getitelt: "Flugzeugabsturz: 137 Tote. Zwei Deutsche verletzt", um so wenigstens eine gewisse "Nähe" herzustellen.

Medien gehen nach Märkten. Menschen bekommen, was sie haben wollen. Was früher der Tratsch im Treppenhaus war, das Gerücht über den Dorfdeppen, ist heute die Talkshow oder sind die Boulevard-Formate in Print und TV. Dieter Bohlen und Verona Poth als Dorfdeppen des Elektronikmediums.

Das wollen Leute - also bekommen sie es. Das hat mit tatsächlichen Tabus aber nichts zu tun. Die gibt es immer noch. Und wenn es eine Debatte jenseits aller political correctness ist - oder die eigene Betroffenheit.

Doors schrieb:Allerdings kenne ich keinen Sexshop (und ich kenne einige!) in denen "Snuff" oder Pädo-Material angeboten werden würde.

Ich spreche nicht von den hübschen Sexshops in sauberem Ambiente mit netten Verkäuferinnen und gemischtem Kundenstamm.

martialis schrieb:Weil die meisten zwei Gesichter haben, eins für die Strasse und eins für die Kammer

ist was ich eigentlich damit sagen wollte. Zumal bei kleinen verdreckten Eckenlädchen.