Staat und Kirche wirklich getrennt?

@Thalassa

Der Vatikan hatte über seine Banken lange Jahre seine Finger (bzw. Finanzen) tief in der italienischen Rüstungsindustrie stecken. "Friede auf Erden..."

Ist der Papst rechtlich gesehen eigentlich noch Deutscher?

Hallo zusammen,

ich bin neu hier und gerade etwas überrascht, nur zwei alte Themen zur Trennung von Staat und Kirche zu finden. Bisher bin ich öfter über Suchmaschinen auf Allmy gelandet und hatte den Eindruck, dass es hier auch viele religionskritische Nutzer gibt - daher meine Verwunderung.

Bitte seht es mir also nach, dass ich die große Diskussion vielleicht nicht gefunden habe und den aktuelleren der beiden Threads kapere, um meinem Unmut über die Entscheidung Der Linken von heute Morgen Ausdruck zu verleihen: da hat sie nämlich den gestrigen Beschluss, die Forderung nach einer Trennung von Kirche und Staat ins Wahlprogramm aufzunehmen, wieder rückgängig gemacht:

http://www.neues-deutschland.de/artikel/1053710.linke-nimmt-beschluss-zu-kirchenstaatsvertraegen-zurueck.html

Ich bin enttäuscht, dass die einzige Partei die bisher für Laizismus eingetreten ist und auch mehrheitlich gegen das "Beschneidungsgesetz" gestimmt hat, nun in dem Punkt auch eingeknickt ist.

On Topic: Solange es konfessionellen Religionsunterricht an Schulen gibt, wir aus allgemeinen Steuermitteln die Rhetorikausbildung der Geistlichen (aka "Studium der Theologie") und das Gehalt der Bischöfe bezahlen und die Kirchen größtenteils aus öffentlichen Mitteln finanzierten Einrichtungen ihr Label aufdrücken dürfen und dort ein eigenes Arbeitsrecht zugesprochen bekommen - solange kann von einer Trennung von Staat und Kirche meiner Meinung nach keine Rede sein!

Bis denn,
zigushen

dont.waver schrieb am 06.04.2012:dass heißt die Kirche darf sich nicht mehr in die Politik einmischen.

@dont.waver
Wie ? darf ich mich auch nicht in die Politik einmischen? wir haben doch freie Meinung äusserung und Demonstrationsrecht und abgesehen davon um was geht es in der Politik um die Menschen oder ? und warum darf  sich dann die Kirche nicht einmischen dürfen wenn dann um die Menschen geht ?

@zigushen - Aktuell hatte ich gerade im Selbstmord-Thread die destruktive Rolle der Kirchen bei der Frage der aktiven Sterbehilfe angesprochen. Bei diesem Thema besitzen sie ja noch immer das absolute Meinungsmonopol und die uneingeschränkte indirekte Verfügungsgewalt auch über Glaubensfreie :

Selbstmord (Seite 17) (Beitrag von DieSache)

Ansonsten ist zu den Linken zu sagen, daß sie bekanntlich seit´68 eng mit der evangelischen Kirche verfilzt sind und diese Kirche wiederum alles tut, uns den Islam schmackhaft zu machen. Man darf sich also nicht darüber wundern, daß den eigentlich in der Tradition der Aufklärung stehenden Linken nicht mehr zu trauen ist. Weil sie ihre ureigensten Ideale verraten haben...

@Threadkiller2 - Wenn sich mächtige Organisationen in die Belange der eigentlich nur dem Wähler verpflichteten Politik einmischen, dann nennt man das Lobbyarbeit, oder in unserem Fall massive Einflußnahme. Wobei die Grenze zur Korruption meiner Meinung nach dann überschritten ist, wenn die engen Verflechtungen zwischen Kirche und Politik so weit gehen, daß uns ein dauerpredigender evangelischer Pastor als Bundespräsident vor die Nase gesetzt wird bzw. wurde. Veranlasst von einer regierenden Pastorentochter und beklatscht von den nicht gerade wenigen Kirchenvertretern und Theologen im Bundestag.

Tja, gestern noch wollte die Linke die Kündigung aller Staatsverträge mit der Kirche ins Programm nehmen - nun ist sie wieder umgekippt. Vermutlich aus Angst vor einem göttlichen Strafgericht.

Genossinnen und Genossen - ihr seid rückgratlose Weicheier!

Entweder das oder berechnende Strategen...

@J.W.v.Kroethe

Genau. Aber wenn die Linke anfängt, Koppelschlösser mit der Prägung "Gott mit uns!" auszugeben - spätestens dann trete ich aus.

zigushen schrieb:Ich bin enttäuscht, dass die einzige Partei die bisher für Laizismus eingetreten ist und auch mehrheitlich gegen das "Beschneidungsgesetz" gestimmt hat, nun in dem Punkt auch eingeknickt ist.

Auch die Linke braucht Wähler. Da muss man gucken was ankommt bei den Wählern.

zigushen schrieb: Solange es konfessionellen Religionsunterricht an Schulen gibt, wir aus allgemeinen Steuermitteln die Rhetorikausbildung der Geistlichen (aka "Studium der Theologie") und das Gehalt der Bischöfe bezahlen und die Kirchen größtenteils aus öffentlichen Mitteln finanzierten Einrichtungen ihr Label aufdrücken dürfen und dort ein eigenes Arbeitsrecht zugesprochen bekommen - solange kann von einer Trennung von Staat und Kirche meiner Meinung nach keine Rede sein!

Du hast es exakt auf den Punkt gebracht.

Gibt es außer Deutschland ein Land in dem Kirchensteuer erhoben wird?

In Deutschland wird Kirchensteuer erhoben, während der Messe geht der Klingelbeutel um, die Messen z.B. bei Beerdigungen muss bezahlt werden.
Man kann Messen lesen lassen gegen Gebühr, Spendenaktionen zu Ostern, an Kommunionen, ect.
Deutschland ist lukrativ für die Kirche, und natürlich mit dem Go vom Staat.
Eine Trennung kann ich da nicht sehen, außer das keine Kirchenmänner Richter sind.

J.W.v.Kroethe schrieb:Ansonsten ist zu den Linken zu sagen, daß sie bekanntlich seit´68 eng mit der evangelischen Kirche verfilzt sind ...

@J.W.v.Kroethe

Mir ist das nicht bekannt, worauf beziehst Du damit? Als Partei gab es Die Linke damals ja noch nicht, und für die Linke als politische Bewegung ist mir der Bezug auch nicht bewusst.

Aktuell habe ich vielmehr den Eindruck, dass unserem Bundestag und vor allem der Merkel-Bande jeder mit allem kommen darf, sofern er nur das Banner der Religionsfreiheit vor sich her trägt. Aufgrund unserer Geschichte ist man da bei den Juden besonders hellhörig. Und so war das (zumindest im Phoenix-Zusammenschnitt der Debatte) auch bei der heutigen Entscheidung Der Linken das schlagende Argument.

TatzFatal schrieb:Gibt es außer Deutschland ein Land in dem Kirchensteuer erhoben wird?

Ja, aber nur eine Handvoll. Insbesondere Schweden scheint ein dem unseren sehr ähnliches System zu haben:

In Schweden heißt diese nach der Trennung von Staat und Kirche „Kirchenabgabe“ (kyrkoavgift) und wird von der staatlichen Steuerbehörde eingezogen. Die Höhe der Abgabe wird dabei von der Kirchengemeinde bestimmt, der man angehört.

https://de.wikipedia.org/wiki/Kirchensteuer_(sonstige_Staaten)

Es gibt in Spanien und Italien auch ein Modell mit einer für alle verbindlichen Kirchen- und Kultursteuer, die man wahlweise einer Glaubensgemeinschaft oder sozialen Zwecken zukommen lassen kann. Was auch immer das dann heißt?!

@Doors - Die tragen sie längst, virtuell. Und das erwarten sie natürlich auch vom Rest der Welt.

Wobei ich nicht denke, daß sie tatsächlich religiös sind, ebensowenig wie die meisten evangelischen Theologen und Pastoren. Sie haben den Glauben nur als Mittel zum Zweck entdeckt, ihr utopisches Gesellschaftsumformungsprojekt doch noch durchzuziehen. Statt Solidarität heißt es nun eben Nächstenliebe und anstelle des Arbeiterparadieses auf Erden übernimmt man eben nur zu gerne das christliche Geschäftsmodell einer gebührenpflichtigen Vertröstung aufs Jenseits. Das ist auch viel praktischer, als sich andauernd in Erklärungsnot zu befinden, wo denn nun das angekündigte kommunistische Utopia bleibt... ß´)

@J.W.v.Kroethe

Denkst du, dass das Maß tatsächlicher Religiösität bei den katholischen Theologen und Geistlichen deutlich größer ist?

TatzFatal schrieb:In Deutschland wird Kirchensteuer erhoben, während der Messe geht der Klingelbeutel um, die Messen z.B. bei Beerdigungen muss bezahlt werden.
Man kann Messen lesen lassen gegen Gebühr, Spendenaktionen zu Ostern, an Kommunionen, ect.

Das finde ich alles gar nicht schlimm - ganz im Gegenteil: genau davon sollten sich die Kirchen meiner Meinung nach finanzieren. Mitgliedsbeiträge, Gebühren für einzelne Leistungen und Spenden - von allen, die das zahlen möchten und sie in Anspruch nehmen.

(Den Einzug der Kirchensteuer lässt sich der Staat bezahlen. Und unter der Annahme, dass das etwas mehr als kostendeckend geschieht, hätte auch kein Problem damit, wenn dieser Weg des Einzugs von Mitgliedsbeiträgen auch jedem Dackelzüchterverein offen stünde.)

@zigushen - Die kirchlichen Großkonzerne Caritas und Diakonie werden übrigens vom Staat finanziert und eben nicht von den Kirchen, wie von diesen gerne kolportiert. 98,2 Prozent Staatsanteil aus dem allgemeinen Steueraufkommen stehen gerade einmal 1,8 Prozent Eigenanteil an der Finanzierung dieser Organisationen gegenüber. Über 19 Milliarden Euro sind es Jahr für Jahr, die den Kirchen an offenen und versteckten Subventionen zugeschanzt werden, bei "gerade einmal" knapp 10 Milliarden an vom Staat eingetriebenen Kirchensteuern.

@zigushen - Der war eher allgemein gedacht. Quelle ist übrigens Carsten Frerks "Violettbuch Kirchenfinanzen". :-)

@J.W.v.Kroethe - kann man ja auch nicht oft genug klarstellen! :)