Ich wollte mal etwas dazu sagen, wie sich indirekte Faktoren auf Verbrechen auswirken können.
https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0048969718324446The risk of IPF increased three days after the heat wave, [RR(IC95%):1.40(1.00–1.97)], police reports of IPV increased one day after [RR (IC95%):1.02(1.00–1.03) and help line calls increased five days after [RR(IC95%):1.01(1.00–1.03)]. The AR% was 28.8% (IC95%: 0.3%–49.2%) for IPF, 1.7% (IC95%:0.3%–3.1%) for police reports and 1.43% (IC95:0.1%;2.8%) for help line calls.
Man hat in Madrid gewalt unter partnern untersucht bzw. wie sich hitze darauf auswirkt. Wenn die Temperaturen über 34% steigen, dann steigt die Anzahl der Hilferufe um 1%, polizeibreichte bezüglich häuslicher gewalt um 2% und die anzahl der Morde an der Partnerin um dann doch gewaltige 40%.
Das hat natürlich damit zu tun, dass es insgesamt viel weniger morde an der partnerin gibt als hilferufe wegen häuslicher gewalt, aber klar ist: Auch die 1% Erhöhung macht schon eine ganze Menge aus bei einer großen Masse an Fällen häuslicher Gewalt.
Eine andere Studie aus Italien:
https://www.researchgate.net/publication/264057940_The_number_of_Emergency_Department_visits_for_psychiatric_emergencies_is_strongly_associated_with_mean_temperature_and_humidity_variations_Results_of_a_nine_years_survey. We found a strong seasonal distribution of emergency psychiatric visits, peaking in summer and at the beginning of spring. The linear regression analysis showed a strong positive association between number of daily emergency psychiatric visits and mean daily air temperature (R=0.82; P<0.001), and an inverse association with mean daily air humidity (R=-0.52; P<0.001). These findings suggest that psychiatric disorders follow a significant seasonal variation, so that it may be advisable to strengthen psychiatric emergency services during the hottest months.
Auch was psychiatrische Notsituationen angeht, ist Hitze ein wichtiger Faktor, den man oft vielleicht nicht auf dem Schirm hat.
Worauf ich damit hinaus will ist: Man kann verbrechen, wenn man es verhindern will, nicht als Taten von Individuen sehen. Es ist vollkommen unsinnig, das zu tun. Das kann man irgendwann machen, wenn einer vor Gericht steht und man dann abwiegt, wie hoch da wohl die persönliche Schuld sein mag, aber bei der eigentlichen verbrechensbekämpfung macht das keinen Sinn.
Denn Verbrechen ist etwas, was strukturell passiert. Wenn in Madrid durch den Klimawandel die Temperaturen steigen, wird es dort auch mehr häusliche Gewalt geben. Das ist jedes mal ein persönliches Drama für die Betroffenen, aber für die verbrechensbekämpfung ist es eine Statistik, die ganz unabhängig davon ist, wer da die einzelnen Täter und Opfer sein mögen.
Und dieses nüchterne Nachdenken über Faktoren, die Menschen zu Gewalttaten bringen, muss unser Maßstab sein.
Es ärgert mich, wenn Menschen, die sich angeblich der Verbrechensbekämpfung verschreiben, immer nur dann auftauchen, wenn es ums bestrafen und veruteilen geht, aber nicht, wenn es ums Nachdenken geht.
Jeder Mensch hat eine gewisse Frustrationstoleranz und jeder Mensch ist zu Gewalt fähig. Bei manchen reicht dafür ein kleines Ärgnernis, andere müsste man erheblich dazu drängen. Aber der Punkt ist, dass Gewaltbekämpfung folgerichtig zwei Teile hat:
Der erste Teil ist die Vermeidung von Frustrations- und Angstsituationen. Dazu zählen nicht nur direkte Situationen (Wir leuchten eine Unterführung besser aus, damit Menschen sich dort besser aus dem Weg gehen können bei Nacht), sondern auch sehr Indirekte, Abstrakte (Wir senken den Stresslevel in der Gesellschaft, damit weniger Menschen Frustration durch Existenzangst aufbauen).
Der zweite Teil ist die Arbeit am Menschen. Wie können wir erreichen, dass Menschen eine höhere Frustrationstoleranz haben bzw. in der Lage sind, Frustrationssituationen gesund und sinnvoll zu bewältigen?
UNsere Methode 'Strafe' ist für beides denkbar ungeeignet. Wenn ich jemanden nur deshalb nicht verprügle, weil ich dann bestraft werde, wächst mein Frustrationslevel und irgendwo wird sich das seinen Weg bahnen.