Verhältnis zwischen Türkei und Syrien
Gespannte Ruhe nach Abschuss von Militärjet
Der Abschuss eines türkischen Militärflugzeugs durch Syrien hat das seit Monaten angespannte Verhältnis zwischen beiden Ländern weiter verschärft. Das NATO-Mitglied Türkei verlangte von der syrischen Führung eine Erklärung für den Vorfall.
Appelle zur Besonnenheit
Nach einem derartigen Zwischenfall könne man nicht zur Tagesordnung übergehen, sagte Präsident Abdullah Gül. Zugleich war die Türkei sichtlich bemüht, die Situation nicht eskalieren zu lassen. Der Minister für EU-Angelegenheiten, Egemen Bagis, rief seine Landsleute zur Ruhe und Geduld auf. "Es ist wichtig, daran zu denken, dass nicht alles schwarz oder weiß ist", sagte er. Auch der stellvertretende Ministerpräsident Bülent Arinc mahnte zur Besonnenheit.
Ein UN-Sprecher erklärte, Generalsekretär Ban Ki Moon hoffe, dass "dieser ernste Vorfall von beiden Seiten mit Zurückhaltung auf diplomatischem Wege behandelt wird". Bundesaußenminister Guido Westerwelle äußerte sich "in großer Sorge". Er begrüße die besonnene Reaktion der Türkei.
Im syrischen Luftraum?
Der Militärjet war in der Nähe der Küstenstadt Latakia abgeschossen worden. Das türkische Flugzeug soll nach syrischen Angaben in den Luftraum des Landes eingedrungen sein. Präsident Gül räumte ein, dass die Maschine vom Typ F-4-Phantom den syrischen Luftraum verletzt haben könnte. Es sei ein "Routinevorgang", dass mit hoher Geschwindigkeit fliegende Militärmaschinen kurzzeitig Grenzen überqueren, zitierte ihn die Nachrichtenagentur Anadolu. In diesem Falle hätten aber "keine schlechten Absichten" vorgelegen, fügte er hinzu.
Gül kündigte an: "Es gibt keine Zweifel daran, dass die notwendigen Schritte unternommen werden." Worum es sich dabei handeln könnte, sagte er nicht. "Unsere Ermittlungen werden sich darauf konzentrieren, ob das Flugzeug innerhalb unserer Grenzen abgeschossen wurde oder nicht", sagte der türkische Staatschef. "Weil das ernste Konsequenzen haben könnte, wird es von uns keine Stellungnahme geben, bevor die Details untersucht worden sind."
Suche nach Piloten
Nach türkischer Darstellung war die abgeschossene F-4 ein Aufklärer und kein Kampfflugzeug. Das Flugzeug wurde nach syrischen Angaben einen Kilometer vor der Küste getroffen. Unklar blieb zunächst, warum das syrische Militär die F-4 abschoss. Die Maschine war auf dem Luftwaffenstützpunkt Malatya gestartet und flog in der Nähe des engen Luftkorridors, der die Türkei mit ihren Truppen im Norden der geteilten Insel Zypern verbindet.
Von den beiden Piloten fehlt noch jede Spur. Türken und Syrer suchen gemeinsam nach den zwei Vermissten. Flugzeuge der syrischen Luftwaffe und Marineeinheiten seien daran beteiligt, berichteten staatsnahe syrische Medien.
Türkei und Syrien - längst keine Verbündeten mehr
Vor Beginn des Aufstands in Syrien im März 2011 galten Ankara und Damaskus als Verbündete, seitdem wurde die Türkei zu einem der schärfsten Kritiker des Regimes von Präsident Baschar al Assad. Angesichts der anhaltenden Gewalt in Syrien hat auch die Türkei den Rücktritt Assads gefordert. Mehr als 30.000 Flüchtlinge aus Syrien fanden in der Türkei inzwischen Zuflucht. Syrien wirft dem Nachbarland vor, dass es Waffenlieferungen für die Rebellen passieren lässt. Die Regierung in Ankara bestreitet das.
Darüber hinaus wies die Türkei Ende Mai wie zahlreiche westliche Länder alle syrischen Diplomaten aus. Der Grund war das Massaker in Al Hula mit mehr als 100 Toten. Daraufhin erklärte Syrien auch türkische Diplomaten zu unerwünschten Personen.
http://www.tagesschau.de/ausland/syrien1672.html (Archiv-Version vom 24.06.2012)