JeanLucP schrieb:Und wie erklären die denn die Todesstrafen aus dem Alten Testament?
Vielleicht ist es Dir ja bekannt, daß die Zeugen Jehovas staatliche Autorität nicht so richtig anerkennen. (OK, sie halten sich an Gesetze und so, aber wirklich anerkennen tun die Staaten nicht.) Dahinter steht eine theologische, geradezu menschheitsgeschichtliche Vorstellung.
Gott schuf den Menschen, aber der übertrat gleich zu Anfang das eine gegebene Gebot. Dennoch kümmert Gott sich weiterhin um den Menschen, bietet ihm an, in Unterordnung unter Gott ein gutes, gerechtes Leben zu führen. Dennoch suchten die Menschen nach Autarkie, gründeten Gesellschaften, Staaten, Königreiche. Auch die Israeliten riefen irgendwann, am Ende der Richterzeit, nach einer menschlichen Herrschaft, nach einem König. Und so ließ Gott die Israeliten das Projekt "Wir regieren uns selbst" durchziehen. Doch von König Saul bis König Zedekia klappte es dennoch nicht mit einer durch und durch gerechten Gesellschaft, und das Projekt "wir regieren uns selbst" gilt seither (jedenfalls für die Zeugen) offiziell als gescheitert. Wenn einer regiert, dann kann das nur Gott himself sein. Und so soll es am Ende ja auch wieder kommen.
Viele Gebote des AT schreiben zwar vor, was gut ist und was schlecht (du sollst nicht töten, ehebrechen, dies das jenes...), sagen aber nicht, was denn zu tun sei, wenns doch jemand macht. Andere Gesetze hingegen beschreiben auch die dazugehörigen Konsequenzen (wer X tut, dem soll man Y tun). Letztlich kann man nun diese letztere Art der Gesetzgebung so auffassen, daß dies die von Gott gegebenen Rechtsmittel waren für obiges Projekt "wir regieren uns selbst". In diesem Sinne galten die Todesstrafen des Gesetzes nur für die Zeit der von Gott erlaubten Menschenherrschaft. Also als Israel noch nen König hatte. Ohne eine gottgewollte Regierung jedoch gibt es auch keine Instanz mehr, die berechtigt wäre, die gottgefügten Strafen auszuführen, und so sind auch die Thoragesetze mit Strafauflage nur noch als ethische Forderungen á la "Du sollst nicht popeln" zu verstehen, ohne ein "ansonsten gibts was auf die Pfoten".
Es mag todeswürdige Vergehen weiterhin geben. Aber letztlich hat nur Gott die Berechtigung dazu, das Urteil zu vollstrecken, nicht der Mensch.
So ungefähr hab ich die Auffassung der Zeugen dazu verstanden.