In meinem letzten Beitrag hatte ich geschrieben, dass mir das Toronto-Experiment, wo eine Gruppe sich einen »Geist« erschuf, eine Möglichkeit eröffnet, wie ich mich trotz meiner Skepsis in der Magie versuchen kann. Nun stellte ich zu meiner Freude fest, dass die Ergebnisse dieses Experiments sogar als Buch veröffentlicht wurden und nicht wie so häufig nur als Zeitschriftenartikel. Ich hatte mich schon einige Zeit mit der parapsychologischen Forschung beschäftigt, hatte aber von diesem Experiment noch nie etwas gehört. Hierzu poste ich nun einen längeren Bericht (ich hoffe ihr habt genügend Sitzfleisch :)), wo ich den Ablauf des Experiments beschreiben und fragen werde, welche Schlüsse für die magische Praxis daraus zu ziehen sind.

1. Ziel des Experiments

Das Experiment sollte drei Hypothesen testen:

1. Können paranormale Phänomene auch bei Licht erzeugt werden?
2. Braucht es dazu ein spiritistisches Medium oder können dies auch Laien?
3. Sind die paranormalen Phänomene auf einen Geist oder auf die Teilnehmer zurückzuführen?

Kurz um: Die Parapsychologen von der TSPR* unter Leitung von Dr. George Owen wollten mit Laien (die Frau des Leiters war auch mit von der Partie) eine Séance (Geisterbeschwörung) unter kontrollierten Bedingungen veranstalten (Foto-, Film- und Tonaufnahmen). Die Debatte um die Authentizität paranormaler Phänomene beschäftige Wissenschaftler schon in damaliger Zeit (ca. von 1850-1930), wo der Spiritismus ein Massenphänomen in Amerika und Europa war. Letztlich schenkte die Mehrheit der Wissenschaftler, bis auf einige wenige, die sich zu parapsychologischen Vereinigungen zusammenschlossen, dem wenig Beachtung, zu groß war die Angst davor seinen wissenschaftlichen Ruf zu verlieren, zumal hier die Grenzen zwischen Tatsache, Selbsttäuschung und Betrug fließend verlaufen. Aus der Außenperspektive lässt sich daher kaum ein abschließendes Urteil darüber fällen (ich war am Ende meiner Recherchen über diese Zeit auch kein bisschen schlauer, vielmehr frustriert :{, aber dazu vielleicht später in einem anderen Beitrag). Nun gut, zum Experiment.

*TSPR = Toronto Society for Psychical Research

2. Vorbereitungen

Die TSPR war noch recht jung (1970 war ihre Gründung) als ihre Mitglieder, angeregt durch die Untersuchung von Spukphänomenen, der Frage nach gehen wollten, wo der eigentliche Ursprung dieser Phänomene zu suchen ist: Sind es tatsächlich Geister oder ist es eine okkulte Energie, die vom Menschen ausgeht? (nach meinem Kenntnisstand neigt die Mehrheit der Parapsychologen dazu letzteres anzunehmen). Von diesen Phänomenen interessierte die TSPR besonders das der Geistererscheinung, die von Menschen über mehrere Generationen hinweg gesehen wird. Stecken nun wirklich Geister dahinter oder handelt es sich hier um eine Halluzination? Letzteres vermutete die TSPR und damit fiel der Startschuss für das Experiment.
„Die Vernunft scheint für die Halluzinationstheorie zu sprechen. Selbst Kleinigkeiten, die aber in gewisser Hinsicht sehr bemerkenswert sind, scheinen die Halluzinationstheorie zu stützen. So ist es z.B. schwer zu glauben, daß die gute Tante Anna, wenn sie im Jenseits umherstreift, ausgerechnet die uns vertraute Kleidung, ihren uns wohlbekannten Schmuck und das altmodische schwarze Kleid mit dem hohen Spitzenkragen trägt, wie wir sie gekannt haben, als sie noch lebte.“ (S. 22)
Um dies zu überprüfen ging man dazu über einen eigenen »Geist« zu erschaffen, den dann alle Teilnehmer des Experiments gleichfalls halluzinieren sollten. Die Teilnehmer waren 8 Personen: 3 Männer und 5 Frauen (von ursprünglich 14 Personen). Auf die Personen möchte ich nicht näher eingehen, nur soviel: Die Mehrheit war zur Zeit des Experiments im mittleren oder fortgeschrittenen Alter und Teil der Mittelschicht (Bildungsbürger). Wichtig ist, dass sie alle Laien waren, also über keinerlei spiritistische Erfahrungen verfügten und nicht behaupteten medial/sensitiv veranlagt zu sein. Ebenso wichtig war es natürlich auch, dass sie keine Vorurteile gegenüber paranormalen Phänomenen hatten, also recht aufgeschlossen an das Experiment herangingen. So traf man sich nun einmal in der Woche zu einer gemeinsamen »Geisterbeschwörung«, wozu eine Teilnehmerin den »Geist« erdichtete.
„Philip war ein englischer Aristokrat, der in der Mitte des 17. Jahrhunderts (1624-1654, Autor) zur Zeit Oliver Cromwells lebte. Er war ein Anhänger des Königs und Katholik. Verheiratet war er mit einer schönen, aber kalten und frigiden Frau, Dorothea, der Tochter eines Adligen aus der Nachbarschaft. Als er eines Tages innerhalb der Grenzen seiner Ländereien einen Austritt unternahm, kam Philip zu einem Zigeunerlager, erblickte dort ein schönes Zigeunermädchen mit dunklen Augen und rabenschwarzem Haar namens Margo und verliebte sich auf der Stelle in sie.
Heimlich brachte er sie nach Hause zurück, wo sie dann im Torhaus bei den Stallungen von Schloß Diddington, seinem Familiensitz, wohnte. Einige Zeit konnte er sein Liebesnest geheimhalten, schließlich aber entdeckte Dorothea, die ahnte, daß er hier irgendeine andere verbarg, Margo und erhob gegen sie Anklage, sie habe ihr mittels Zauberei ihren Gatten abspenstig gemacht. Phillip fürchtete, er könnte seinen guten Ruf und seine Besitzungen verlieren und protestierte deshalb nicht gegen das Gerichtsverfahren, in dessen Verlauf Margo wegen Zauberei verurteilt und auf dem Scheiterhaufen hingerichtet wurde. Phillip aber wurde in der Folgezeit von Gewissensbissen geplagt, weil er nicht versucht hatte, Margo zu verteidigen und spazierte verzweifelt auf den Wällen von Diddington hin und her. Zuletzt fand man eines Tages seine Leiche am Fuße der Schloßmauern, nachdem er sich in einer Anwandlung von Agonie und Verzweiflung in die Tiefe gestürzt hatte.“ (S. 34)
Klingt wie eine Geschichte aus einem Groschenroman :D, aber nun gut, wichtig scheint die Dramaturgie zu sein (große Gefühle). Die Geschichte des »ruhelosen Geistes« Philip wurde von den Teilnehmern stetig weiter ausgeschmückt, sodass ein lebendiges Bild von ihm entstand, der ja, so das Ziel des Experiments, vor allen Teilnehmern als kollektive Halluzination erscheinen sollte.
„Demzufolge erörterte jedermann die Story ausführlich, einschließlich mancher Einzelheiten von Philips Charakter und Persönlichkeit, bis alle mit seinen Lebensumständen vertraut waren. Man war sich einig über seine physischen Merkmale, die Farbe seiner Augen und seines Haares, über seine Körpergröße, sein Temperament, seine Vorlieben und Abneigungen, seine Liebhabereien, seine Kleidung, seine Eßgewohnheiten und besonders über seine Gefühle gegenüber Dorothea und Margo, bis man schließlich ein vollständiges geistiges Bild von ihm geschaffen hatte, das allen zusagte. Um dieses Bild noch weiter zu festigen, zeichnete Andy, das künstlerisch begabte Mitglied der Gruppe, ein Bild von Philip. Darüber hinaus las man in der Gruppe Bücher über die Zeit Philips, man fand Aufzeichnungen und Lieder aus jener Periode, und man machte sich ganz allgemein vertraut mit den Verhältnissen, unter denen er damals gelebt haben würde.“ (S. 36)
Wichtig ist, dass zwar die Personen der Geschichte fiktiv waren, jedoch nicht der Ort des Geschehens die Grafschaft Warwickshire mit den Adelssitzen Packington und Diddington Hall (in der Nähe von Kenilworth Castle), wobei diese einen anderen Namen erhielten. Die Verfasserin der Biographie hatte in der dortigen Gegend selbst einige Zeit gelebt. Später reisten einige Teilnehmer sogar selbst dorthin und machten Fotos, die im Sitzungsraum aufgehangen wurden. Wahrheit und Fiktion vermengten sich auf diese Art immer mehr, bis die Illusion perfekt war: Warum sollte Philip denn nicht gelebt haben?

3. Es geht los!

3.1 Meditation

Anfang des Jahres 1972 begann das Experiment mit Meditationssitzungen. Dabei saßen die Teilnehmer im Kreis, in dessen Mitte das Bild von Philip lag, und hofften auf sein Erscheinen. In den Pausen zwischen den Meditationen tauschten sie sich über ihre Erfahrungen aus und spannen weiter an seiner Geschichte. Mit der Zeit meinten einzelne Teilnehmer Philip wahrnehmen zu können, indem er mit ihnen »redete« und sie ihn manchmal auch »sahen«. Das war aber nicht im Interesse der Wissenschaftler, die sie zurechtwiesen.
„Während dieses Stadiums wurde die Gruppe nachdrücklich darauf hingewiesen, daß Philip ein Gruppenerlebnis sein sollte. Wenn er überhaupt erscheinen würde, dann müßte das für jeden gleichzeitig geschehen. Um vom Standpunkt des Experiments aus glaubhaft zu sein, hatte er sich in der Mitte des Kreises und nicht gerade bei irgendeiner Person zu zeigen. Es war sehr wichtig, eine, bildlich gesprochen, Zersplitterung der beabsichtigten kollektiven Halluzination zu verhüten. Die Gruppe hatte im Auge zu behalten, daß Philip dem Unterbewußtsein der Gruppe gehörte und daß er, sollte er sich zeigen, auf die gleiche Weise und für jedermann gleichzeitig zu erscheinen hätte.“ (S. 38)
Wenn die Wissenschaftler das hätten weiter laufen lassen, dann hätte sich Philipp wahrscheinlich durch einen der Teilnehmer, wie im Spiritismus üblich, der Gruppe mitgeteilt (Medium). Nach einem Jahr fleißigen Meditierens war von Philips aber nichts zu sehen, dementsprechend niedergeschlagen war dann auch Gruppe und so versuchte man es mit einer anderen Methode.

3.2 Tischerücken

Nach diesem Fiasko ging man zum Tischerücken über, so wie es unter Spiritisten üblich ist. Auch die Experimente der Parapsychologen K. J. Batcheldor (1966) sowie C. Brookes-Smith und D.W. Hunt (1970) hatten mit dieser Methode Erfolge erzielt, wobei physikalische Phänomene aufgetreten waren (Tischklopfen, das Rücken und sogar Schweben des Tisches); doch leider unter den spiritistischen und nicht unter wissenschaftlichen Bedingungen (schlechte Lichtverhältnisse bis komplette Dunkelheit). Die Voraussetzungen für eine Séance waren in der Gruppe ideal, denn durch das einjährige Zusammensein hatte sich eine gewisse Vertrautheit, ja Freundschaft zwischen den Teilnehmern entwickelt (selbstredend, dass die Wissenschaftler der Gruppe die Artikel über die erfolgreichen Experimente von Batcheldor und Co. als Lektüre mitgaben). Die Séancen begannen gewöhnlich mit leichter Konversation, Erzählen von Witzen oder Singen von Liedern. Dann bei der 3./4. Sitzung fühlte die Gruppe eine Vibration an der Oberfläche des Tisches, wie ein leichtes Schlagen oder Klopfen, was aber noch nicht gehört wurde. Von Sitzung zu Sitzung nahm dann das Klopfen zu und wurde damit auch hörbar, schließlich glitt sogar der Tisch, um den sich die Gruppe jetzt immer versammelte, über den Boden. Das ursprüngliche Ziel, die Erscheinung Philips, trat erst mal in den Hintergrund und man ging dazu über sich in die Kommunikation mit dem »Geist« zu stürzen (1x Klopfen = Ja, 2x Klopfen = Nein).
„Die Gruppe begann jede Sitzung derart, daß man um den Tisch herum Platz nahm. Jedes Mitglied sagte der Reihe nach: »Hallo, Philip!« Gewöhnlich ertönte dann ohne Einleitung oder irgendeine Erwärmungsübung ein Klopfen unter der Hand der sprechenden Person. Das war schon an und für sich ein interessantes und in der Tat bedeutsames Phänomen. Die Klopftöne schienen sich um den Tisch herum zu bewegen und der Person zu antworten, die gerade sprach oder Fragen stellte. Man hatte das unheimliche Gefühl, dieses Klopfen unmittelbar unter seiner eigenen Hand zu spüren. Auch als sich dann die Gruppe allmählich mehr für die Phänomene interessierte und ihre Aufmerksamkeit auf die Phänomene richtete, nachdem sie sich noch besser an sie gewöhnt hatten, brauchte man keine Erwärmungs- oder Entspannungsübungen wie Singen oder Späße erzählen. Als das Experiment dann weiterging, hatte man das Empfinden, daß es die beste Prozedur für gute und beständige Resultate wäre, die Fragen durch Lieder, Scherze und Konversation zu unterbrechen. Wenn das Fragen zu anstrengt war, wurden die Klopftöne ‒ wie Batcheldor schon in seinen Artikel festgestellt hatte ‒ schwächer und verminderten sich zeitweise zu wenig mehr als einem bloßen »Fühlen« einer Vibration. Wenn aber hartnäckiges Fragen trotzdem noch weiterging, hörte das Klopfen oft gänzlich auf. Man entdeckte, daß die in einem fortdauernden ununterbrochenen Fragen liegende Spannung eindeutig einen Hemmungsfaktor für das Klopfen bildete.
Eine typische Sitzung lief etwa folgendermaßen ab: Man betrat das Zimmer, grüßte einander und setzte sich um den Tisch herum. Der Reihe nach sagte man: »Hallo!« zu Philip. Jeder Teilnehmer bekam dann gewöhnlich auch eine Antwort. Gelegentlich redete einer den Tisch an mit Worten wie: »Es ist nett, wieder hier zu sein, Philip.« Oder, wenn jemand unpünktlich war: »N. N. wird in einer Minute da sein Philip.« Häufig folgte auf solche Bemerkungen ein Klopfton. Dann fragte vielleicht einer: »Ist Margo bei dir?« Worauf die Frage mit Ja oder Nein beantwortet wurde. Gelegentlich, wenn ein Nachzügler das Zimmer betrat, und die anderen Teilnehmer schon um den Tisch herum saßen, glitt der Tisch durch das Zimmer, als wolle er den Neuankömmling begrüßen: »Jetzt ist N. N. da«, sagte dann jemand, und es folgte ein lautes Klopfen.“ (S. 51f.)
In der Art und Weise wie Philip antwortete, zeigten sich seine »Gefühle«: War er sich z.B. unsicher, klopfte er verhalten, wurde gesungen, so hämmerte er im Takt dazu und wenn die Gruppe eine zu persönliche Fragen stellte, kratze es unter dem Tisch, vor allem auf seine Ehefrau war er nicht gut zu sprechen.
»Wir würden gerne nach Dorothea fragen«, äußerte jemand. »Und nach deiner Familie. Hast du Kinder?«
Sofort heftiges Kratzen unter der Tischplatte.
»Weigerte sich Dorothea, Kinder zu bekommen?« fragte Dorothy.
Weiteres Kratzen.
»Habt ihr zusammengelebt?«
(Zwei Klopftöne) »Nein.« (Begleitet von weiteren Kratzgeräuschen.)
»Vielleicht versucht er, uns zu sagen, wir würden zu persönlich«, meinte Bernice. »Vielleicht wünscht er nicht, alle diese persönlichen Einzelheiten zu erörtern.«
(Lautes Klopfen) »Ja.«
»Meinst du, daß uns das nichts angeht?« frage Iris.
(Klopfen) »Ja.«
»Willst du uns darüber später erzählen?« fragte Sid.
(Lautes Klopfen) »Ja.« (S. 57)
Der Tisch selbst vollbrachte dann ähnliche Kunststückchen, wie das auch bei spiritistischen Tischerücken der Fall ist (Drehen und Kippen, manchmal auch Schweben, wie auf diesem Foto :o: ).

b0ea74 1892 Eusapia Palladino Levitation
Das bekannte Medium Eusapia Palladino (1854-1918) bei der Levitation eines Tisches (1892)

Die Gruppe begann erst mal Philip über seine Biographie auszufragen, um zu sehen, ob diese auch mit der erdachten übereinstimmte, was der Fall war ‒ erweitert durch viele weitere Details aus seinem Leben und die damalige Zeit (Beziehung zu den Eltern, Militärzeit, Eheleben usw.).

Das Highlight des Experiments stellte sicherlich die Levitation des Tisches dar ‒ 1,3 cm vom Boden ‒ die aber leider nicht aufgezeichnet werde konnte, weil der Kamerawinkel es nicht zu ließ. Zu dieser Zeit verewigte die TSPR gerade die Ergebnisse des Experiments auf Film [Philip: The Imaginary Ghost (1974)]. Den ganzen Film habe ich leider nicht gefunden, nur ein paar Szenen daraus, wo man sehen kann, was die für einen Spaß mit ihren Philip hatten :D.

https://www.youtube.com/watch?v=ZlbxXv2mbbI (Video: The Philip Experiment)

Sogar im kanadischen Fernsehen trat die Gruppe auf, zwar schwebte der Tisch da leider nicht durchs Studio, vollbrachte aber dort seine sonstigen Kunststückchen.
„Die Mitglieder der Gruppe saßen im Studio zu ebener Erde, vor ihnen auf dem Podium Pfarrer Lindsay King, Dr. (George) Owen und Dr. (Joel) Whitton (Arzt und Psychologe). Falls Philip sich »manifestieren« sollte, konnte er vom Fernsehen aufgenommen werden. Philip erwies sich jedoch, entsprechend den Vermutungen der Gruppe, wahrhaft als ein schlechter Schauspieler. Der Tisch begann bald, sich zu bewegen, und schoß mit hoher Geschwindigkeit durchs Studio. Es wurde bald klar, daß Philip meinte, sein Platz sei oben auf dem Podium bei dem Moderator und den Diskussionsteilnehmern. Der Tisch unternahm alles, um auf das Podium zu gelangen. Drei überhängende Stufen führten hinauf zum Podium. Es kostete eine ganze Weile Zeit und eine Menge von Kunststückchen, bis er das fertigbrachte. Die ganze Prozedur war erheiternd und es gelang dem Kamerateam, sämtliche Vorgänge zu filmen. Philip erlaubte sich, in einigen ganz komplizierten Stellungen mit den Beinen des Tisches auf das Podium zu klettern. Hier angekommen, ging er geradewegs auf den Moderator zu, der von einem Gruppenmitglied aufgefordert wurde, Philip »guten Tag« zu sagen. Er stutzte etwas, tat aber dann wie gewünscht, legte seine Hand auf den Tisch und sagte: »Hallo Philip.« Er und in gleicher Weise das Fernsehteam sowie das Publikum waren überrascht, als zur Erwiderung von rechts ein sehr lautes Klopfen ertönte. Er stellte dann Fragen und erhielt als Antwort Klopftöne. Alles wurde aufgezeichnet und gefilmt.“ (S. 97)
(Autor)

Vergleicht dazu mal die Fernseh-Doku, wie falsch dort die Geschehnisses im Fernsehstudio wiedergegeben werden ‒ typisch Privatsender :nerv:. Ansonsten ist es eine gute Zusammenfassung des Experiments.

Youtube: The Philip Experiment
The Philip Experiment
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4. Fazit

Zunächst einmal sind die paranormalen Phänomene festzuhalten, die während des Experiments auftraten:

1. Klopfgeräusche und Tischbewegungen (unabhängig von Material und Form: ein schwerer Holztisch war ebenso geeignet wie ein leichter Kartentisch)
2. Vereinzelte Spukphänomene (z.B. Klopfgeräusche in der Wand, Flackern der Zimmerbeleuchtung)

Meiner Meinung nach hat das Experiment klar belegt, dass hier keinerlei Geist seine Finger im Spiel hatte und Philip ein reines Psychogon war (s. meinen letzten Beitrag). Dies zeigte sich sehr deutlich bei den Fragen nach den historischen Fakten, wo die Antworten immer nur insoweit korrekt waren, wie auch die Gruppe darüber informiert war. Auch fiel auf, dass Philip so reagierte, wie es der Fragesteller erwartete, wie das folgende Beispiel zeigt:
„Sue ist allergisch gegen Zigarettenrauch und hat es nicht gern, in einem Zimmer zu sein, in dem andere Leute rauchen. Einige Gruppenmitglieder sind Raucher, die anderen, die nicht rauchen, sind aber ihnen gegenüber tolerant. Wenn Sue anwesend war, lautete die Antwort auf die Frage: »Rauchst du (Philip) gern?« ‒ »Nein«. Wurde die Frage gestellt, wenn ein Aschbecher auf dem Tisch stand, so kam es vor, daß der Tisch auf zwei Beine umkippte und der Aschenbecher in den Schoß des Rauchers rutschte. Das geschah, wenn Sue im Zimmer war, auch dann, wenn sie in dem Augenblick nicht am Tisch saß. War Sue aber nicht zugegen, so bestand die Antwort auf die Frage: »Hast du etwas dagegen, wenn wir rauchen, Philip?« aus zwei Klopftönen, lautete also »nein« und die Aschenbecher bleiben auf dem Tisch.“ (S. 91)
Philip brachte also weder etwas originäres zustande noch konnte er ohne die Zuwendung der Gruppe existieren. Das zeigte sich besonders, als zwei Teilnehmer geschwächt waren (Kopfschmerzen und Anfang einer Grippe), wo dann die Klopfgeräusche leiser und die Tischbewegungen träger als sonst waren. Interessant war auch der Fall gewesen, wo ein Teilnehmer Philip gedroht hatte, dass wenn er nicht bald etwas spektakuläres zustande brachte, sie sich einen anderen »Geist« suchen müssten, woraufhin in der Sitzung keinerlei Phänomene mehr auftraten. War durch diese Drohung das Vertrauen der Gruppe in ihre Fähigkeiten erschüttert worden? Obwohl keiner der Teilnehmer je daran zweifelte, dass Philip ihre Erfindung war und durch sie auf unbewusste Weise hervorgebracht wurde, war doch positives Denken unabdingbar, um ihn »am Leben« zu erhalten. Die TSPR sah daher ihre Halluzinationstheorie bestätigt, auf die Geistererscheinungen zurückgehen sollen, obwohl Philips Erscheinung noch weiter auf sich warten ließ.
„Gruppenprojektion könnte eine Erklärung abgeben für die traditionelle Geistergeschichte. Der historische Geist benimmt sich so wie man es von ihm erwartet. Das geht soweit, daß man sich vorstellt, die enthauptete Anna Boleyn trage ihren Kopf unter ihrem Arm. Der Familiengeist im Spukschloß erscheint immer auf der gleichen Treppe, im gleichen Gewand und mit dem gleichen Ausdruck und denkt in der gleichen Richtung, weil die Familienmitglieder alle wissen, daß das alles so ist, wie es zu sein hat.
Ist das eine Erklärung für den umgehenden Geist, insbesondere für einen solchen, der eine geraume Zeit hindurch erschienen ist, so könnte das auch erklären, warum in gewissen Fällen der von der Familie erbetene Fürbittegottesdienst oder Exorzismus, der dem Geist Ruhe bringen soll, so oft wirksam ist. Es ist gerade so, wie wenn in Fällen, da ein Mitglied unserer Gruppe drohte, Philip wegzuschicken, dann der in der Gruppe entstandene Glaube und ihr Vertrauen auf ihre Fähigkeit, Philip zu projizieren, geschwächt oder zeitweise zerstört wurde, und Philip dann überhaupt nicht mehr antwortete. Was das Bewußtsein in einer solchen Situation erschaffen kann, kann es auch zerstören, wenn es das will.“ (S.116)
Lässt man mal das Ziel (die Erscheinung) beiseite, dann stellen die paranormalen Phänomene, die während des Experiments auftraten, nichts besonderes dar, vielmehr sind diese schon seit Jahrhunderten als Spuk bekannt. Hierzu verweist die Autorin auf zwei Fallbeispiele, in denen genau die selben Phänomene unter den gleichen Bedingungen (am Tag und bei guten Lichtverhältnissen) auftraten, nur führte der Forscher ‒ der englischen Parapsychologen William F. Barretts (1844-1925) ‒ diese auf Geister zurück.* Auffällig ist aber, dass diese Phänomene immer im Zusammenhang mit der Anwesenheit einer mediale/sensitive veranlagten Person auftreten, die unbewusst diese hervorzubringen scheint, aufgrund eines psychischen Leidens heraus (emotionaler Konflikt oder akute Stresssituation).

Doch war das Experiment nicht nur aus wissenschaftlicher Sicht ein Erfolg, sondern trug auch für die Arbeit der TSPR Früchte (nämlich bei der Untersuchungen von Spukphänomenen).
„In einem anderen Fall war die Familie von unerklärlichen Schlägen und Geräuschen wie Rasseln geplagt. Man fand ein altes Bild von einer früheren Hauseigentümerin. Später, nach dieser Entdeckung, wurde dann die Erscheinung dieser alten Dame von mehreren Mitgliedern des Haushalts erblickt. In diesen besonderen Beispielsfällen suchte die Familie die Hilfe der Toronto Society for Psychical Research, um mit ihrem Problem fertig zu werden. Nachdem wir den Leuten von unserem Philip-Experiment erzählt hatten, mit ihnen über einige unserer Theorien gesprochen und sie ein gewisses Verständnis dafür gewonnen hatten, wie und warum nach unserer Meinung solche Phänomene entstehen, rief einer von ihnen aus: »Also, vielleicht war irgendein Bild, das wir gefunden haben, die Erscheinung, die wir zuletzt gesehen haben!« Er wird wohl Recht gehabt haben. Sicherlich machte sich die Familie in diesem Fall eine richtige Vorstellung von dem, was geschehen war, und nachdem sie das gemacht hatte, gab es keine weiteren Störungen mehr.“ (S. 148f.)
Selbstredend, dass diese Erklärung nicht für alle Fälle gelten kann (s. mein erstes Fundstück).

Wichtig ist noch zu erwähnen, dass das Experiment mit einer anderen Gruppe und mit einem neuen »Geist« erfolgreich wiederholt werden konnte.
„Diese neue Gruppe erfand für sich die Story von Lilith, einem kanadischen Mädchen mit französischer Muttersprache, die während des zweiten Weltkrieges nach Frankreich ging und Mitglied der französischen Widerstandsbewegung wurde. Sie wurde jedoch gefangengenommen und als Spionin erschossen. Die Gruppe wandete das gleiche Verfahren an wie die Philip-Gruppe, indem sie ein Bild ihrer Heldin entwarf und es dann mit einer vollständigen Geschichte ausstattete. Schon nachdem erst fünf Wochen vergangen waren, kam es erstmals zu physikalischen Phänomenen, nämlich zunächst zu einem Ziehen am Tisch und dann zu Klopfgeräuschen, die auf Fragen antworteten, die die erfundene Heldin der Story zum Gegenstand hatten. Während wir dieses zu Papier bringen, dauert das Lilith-Experiment noch an, und wir dürfen hoffen, daß wir später vollständig darüber berichten können. Wir haben den Beweis für unsere Behauptung erbracht, daß es sich hier um etwas handelt, was zu einer Fähigkeit wird, die man erlernen kann, daß jede Gruppe von Personen, die das wünscht, diese Fähigkeit zu erwerben vermag und, was sogar noch wichtiger ist, daß wir es hier mit einem wiederholbaren Experiment zu tun haben.“ (S. 228f.)
Dem letzten Satz würde ich widersprechen, eine erfolgreiche Wiederholung von den selben Forschern ist noch kein wirklicher Beweis. Dazu müssten erst andere ‒ international ‒ zu den gleichen Ergebnissen kommen. Vorausgesetzt, dass diese Phänomene echt waren, heißt das noch lange nicht, dass jede Gruppe bzw. jede Person dazu in der Lage ist. Wenn dem wirklich so wäre, müsste es dann nicht z.B. vielmehr Spukfälle geben? Es könnte doch durchaus seien, dass an diesen Experimenten Menschen teilnahmen, die ohnehin eine mediale/sensitive Veranlagung mitbrachten, obwohl sie von der noch gar nichts wussten oder sich darüber unsicher waren und deswegen der TSPR beitraten. Eine Bestätigung dafür findet sich in den Mitteilungen der Teilnehmer, die sie nach den Experiment gaben.
Andy:
„Wir haben herausgefunden, daß andere Gruppen ganz gewöhnlicher Menschen, die nach den gleichen Richtlinien arbeiten, zu ähnlichen Resultaten kommen. Unter »gewöhnlichen Menschen« verstehe ich diejenigen, die vielleicht ab und zu einmal ASW-Erlebnisse gehabt hatten (Telepathie oder Präkognitation), die aber in keiner Weise »medial« sind im Sinne regelmäßig sich manifestierender außersinnlicher Wahrnehmungen oder psychokinetischer Kräfte. Mitglieder der Philip-Gruppe hatten früher gelegentlich paranormale Erlebnisse, aber keiner von ihnen behauptet, »medial« im üblichen Sinn des Wortes zu sein.“ (S. 202f.)

Bernice:
„Abgesehen von einem telepathischen Verhältnis zu Mitgliedern meiner eigenen Familie, ist es mir nicht bewußt, daß ich andere Arten von paranormalen Fähigkeiten erlebt hätte.“ (S. 204)

Dorothy:
„Bevor das alles anfing, hatte ich eine gewisse hellseherische Fähigkeit und auch präkognitive Träume, die vielleicht immer vorhanden waren, aber erst an die Oberfläche kamen, als die Philip-Phänomene auftraten.“ (S. 206)
Dieses beiden Damen waren übrigens auch mit von der Partie, als die Gruppe nur zu viert paranormale Phänomene hervorbrachte.

Ich denke mal, wären ASW-Erlebnisse etwas so gewöhnliches, wie Andy behauptet, dann wäre die Parapsychologie schon weiter und müsste nicht dauernd um ihre Seriosität kämpfen :nerv:. Ich selber z.B. und die Mitglieder aus meinem Freundeskreis haben noch nie etwas dergleichen erlebt, auch nicht jene aus meinem Familienkreis, die schon etliche Jahre mehr auf dem Buckel haben als ich (bei den meisten hier im Forum dürfte es wohl anders seien).

*Barrett, William F.: On the Threshold of the Unseen: An Examination of the Phenomena of Spiritualism and of the Evidence for Survival After Death. London: Kegan, Trench, Trübner & Co, 1917.

5. Nutzen für die magische Praxis

Ich muss gestehen, dass ich mir noch mehr vom Experiment erhofft hatte. Die Phänomene gingen über den üblichen spiritistischen Unfug eigentlich nicht hinaus.

Wie gesagt, bevor ich sage, dass diese Phänomene tatsächlich existieren, bleibe ich ein ungläubiger Thomas ‒ aber ich muss ganz ehrlich sagen, dass dieses Experiment mir wirklich zu denken gibt (beim Schummeln wurde jedenfalls keiner der Teilnehmer erwischt), zumal da es erfolgreich wiederholt werden konnten. Was es meiner Meinung nach so wertvoll macht, ist der Umstand, dass es eine Art Aufklärungseffekt hat und damit vor allem die Ängste abbaut sich mit okkulten Dingen zu beschäftigen.

Zweifellos ist der wichtigste Punkt bei der Hervorbringung eines Psychogons der, dass man daran glaubt, dass dieses Phänomen auch existiert und die Hoffnung, dieses auch selbst hervor bringen zu können, größer seien muss als die Skepsis. Auch finde ich interessant, dass als man sich darauf am meisten konzentrierte (Meditation) nichts passierte und erst als man weniger verbissen an die Sache heran ging ‒ mehr spielerisch ‒ es funktionierte und Philip sich meldete (Tischerücken). Sicherlich hat hier eine gewisse Gruppendynamik eine Rolle gespielt (Gefühl einer »Schicksalsgemeinschaft« oder »Familie«), d.h. man hat sich gegenseitig angeheizt und als die Teilnehmer dann sahen, dass sie Philip Leben eingehaucht hatten, wurde es zum Selbstläufer. Ja, vielleicht kann man hier sogar von einem »Schneeballeffekt« sprechen.

Mein Fazit lautet, dass der Erfolg des Experiment zum einen auf eine medial/sensitive Veranlagung der Teilnehmer zurückgeführt werden kann (Bernice und Dorothy) und zum anderen auf den Zufall. Die Teilnehmer haben einfach gut zusammen harmoniert. Bei der Lilith-Gruppe könnte dies ebenfalls der Fall gewesen seien, wie gesagt, ich gehe stark davon aus, dass einige von den Menschen, die einem parapsychologischen Verein beitreten, schon eine gewisse Veranlagung oder Neigung zu einer medial/sensitive Fähigkeit haben. Kurz um: Man müsste die Personen, die an solchen Experimenten teilnehmen, viel gründlicher untersuchen als wie das hier der Fall war, um wirklich sagen zu können: Das kann praktisch jeder.

Nun ja, ich für meinen Teil muss meinen magischen Ansatz wohl nochmal überdenken :|. Doch was sagt ihr zum Experiment? und was meint ihr könnte man daraus für die eigene magische Praxis ableiten?

Freue mich auf eure Kommentare

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John Henry Fuseli (1741-1825): Gertrude, Hamlet und der Geist von Hamlets Vater (1785)

Quellen

Owen, Iris M. & Sparrow, Margaret: Eine Gruppe erzeugt Philip: Das Abenteuer einer kollektiven Geistbeschwörung: Die psychische Macht der Masse. Freiburg im Breisgau: Aurum, 1979.

(Orig.: Conjuring Up Philip: An Adventure in Psychokinesis. New York: Harper & Row, 1976.)

http://www.spiritarchive.org/eusapina-palladino---levitation.html (Archiv-Version vom 06.10.2015)

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