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Artur dürfte so Mitte bis Ende dreißig sein, er ist seit acht Jahren mit Rita verheiratet, seit 15 Jahren mit ihr zusammen, kinderlos. Sie ist ehrgeizige Administratorin an einer Schule (will innerhalb der nächsten vier Jahre Direktorin sein), er ambitionslos, trotz akademischem Abschluss halbtags in einem Kopiergeschäft angestellt und Nachhilfelehrer. Das Leben läuft langweilig vor sich hin, abends besaufen sie sich und schlafen miteinander.

Artur ist abergläubisch und in Anlehnung an Schillers Der Ring des Polykrates hat er Angst vor einem zu glücklichen Leben, da dies am Ende - als Ausgleich - zum Unglück führen werde. Auch scheint er - trotz seiner Biederkeit - im Kopf ein wenig plemplem zu sein, da er immer wieder Halluzinationen hat, in denen Verstorbene auftauchen und beginnen, mit ihm zu reden.

Das ziemlich ereignislose Leben der beiden geht seinen Lauf, bis eines Tages eine etwas 25-jährige Deutsche (Alice) Artur mittels eines in einem Kopierer absichtlich liegen gelassenen Zettels aufreißt. Er geht ihr nach, wird von ihrem brutalen Prolo-Ex (das "Arschloch") im Wiener Bezirk Favoriten (ehemals Arbeiterviertel, jetzt Migrantenhochburg) zusammengeschlagen, aber Artur lässt nicht locker, kommt in den nächsten Tagen zu ihr in die Wohnung und findet das Arschloch erschlagen vor. Alice und Artur entsorgen sich der Leiche, indem sie ihn mit seinem Auto auf der Wiener Höhenstraße einen Abhang hinunterpurzeln lassen. Die Polizei geht von einem Mord im Drogenmilieu aus.

Also geht es unbehelligt weiter. Artur lebt seine Ehe und trifft sich mit Alice, die aber immer weiter in sein Privatleben eindringt, und einmal sogar als angebliche Sozialwissenschaftsstudentin an einem Adventsonntag für eine Umfrage auftaucht, nur im Arturs Frau Rita kennenzulernen.

Nach dem Tod von Arturs Mutter in einem Altenheim (seine Mutter war in ihrer Paranoia überzeugt, dass das Pflegepersonal die Alten ermordet - was es in Wien in den 80er Jahren im Krankenhaus Lainz ja wirklich gab), kommt Artur nach Hause und im Schlafzimmer liegt Alice mit gebrochenem Genick. Rita erzählt, dass Alice betrunken gekommen sei und sie mit einem Hockeyschläger ermorden wollte. Um Ritas Schulkarriere und das Kind, mit dem sie schwanger ist, nicht zu gefährden, zerstückelt Artur Alice und in vierzehn Müllsäcken wird sie in den Müllkontainer gestopft. Alices Auto wird an die Donau gefahren. Artur verliert jedoch seine Geldbörse in diesem Auto, und die Polizei tritt nun in ihr Leben. Offiziell weil etwas an den paranoiden Fantasien seiner Mutter dran sei.

Am Weihnachtsabend will Artur nun den Schal, den er bereits einmal Alice geschenkt gehabt hat, Rita als Geschenk geben. Der kleine Roman endet mit diesen Sätzen:
Ich nahm ihn heraus, wickelte ein Ende zweimal um meine linke Hand und zog am anderen. Gutes Material.
Eine spaßige Lektüre. Es wird sehr viel aufs Korn genommen, und nicht nur die Pointen sitzen, sondern auch die erotischen wie mörderischen Teile. Die Aufnahme in die Longlist des Buchpreises des deutschen Buchhandels 2014 erfolgte zurecht.

In Realität funktioniert das Zerschnipseln von Leichen und deren Entsorgung im Müllkontainer selbstverständlich nicht, wie der österreichische Radiomoderator Helmut Frodl und der hungaro-österreichische Rechtsanwalt Gábor Pesti feststellen mussten, nachem sie den Filmproduzenten Fritz Köberl 1992 in Budapest ermordet, zerstückelt und in Müllkontainern entsorgt hatten. Sie wurden erwischt.

Eine Verfilmung ist noch für dieses Jahr angekündigt:
https://k.at/life/glueck-gehabt-start-fuer-verfilmung-von-antonio-fian-roman/400349719

Infolinks im Spoiler

Verlagsinfo:
https://www.droschl.com/buch/das-polykrates-syndrom/

Interviews:
https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/reflexionen/zeitgenossen/602334-Ich-nenne-Namen-wenn-es-zur-Sache-geht.html?em_no_split=1
https://www.neue.at/kultur/2014/04/25/die-angst-vor-zu-viel-gluck.neue

Rezensionen:
https://oe1.orf.at/artikel/365234/Das-Polykrates-Syndrom
https://kurier.at/kultur/das-polykrates-syndrom-von-antonio-fian-auch-eine-fade-ehe-kann-als-thriller-enden/51.382.983
https://www.dieterwunderlich.de/Fian-polykrates-syndrom.htm
https://lesefreude.at/das-polykrates-syndrom/
https://literaturkritik.de/id/20056
https://steirerblutundhimbeersaft.com/tag/das-polykrates-syndrom/
https://www.nzz.ch/im-wunderland-des-ehebruchs-1.18264773