Therese

Dieser 1928 erschienene Altersroman von Schnitzler begleitet über 20 Jahre lang das harte Leben einer alleinstehenden Mutter im Habsburgösterreich vor dem Ersten Weltkrieg bis zu ihrem tragischen Tod.

Therese wächst in einer Offiziersfamilie in Wien auf, ihre Mutter stammt aus kroatischem Adel. Nach der Pensionierung des Vaters zieht die Familie ins Salzburger Land, der Vater verstirbt jedoch bald, nachdem er aus Verwirrtheit ins Irrenhaus gekommen ist. Die Mutter widmet sich immer mehr ihrer Tätigkeit als Romanschriftstellerin, finanziell beginnt ein Abstieg. Therese hat einige Liebesverhältnisse, ihr Bruder zieht zum Medizinstudium nach Wien zurück, wohin Therese auch flieht, als sie aus Geldgründen mit einem alten Grafen verheiratet werden soll.

In Wien verdient sie ihr Geld als Erzieherin in verschiedenen Familien, und von einer Zufallsbekanntschaft wird sie schwanger. Sie strebt zwar eine Abtreibung an, doch schreckt sie zurück, als einer der Abtreibungsärzte verhaftet worden ist. Noch bei der Geburt ihres Sohnes möchte sie ihn am liebsten mit Pölstern ersticken, gibt ihn aber schließlich einer Bauernfamilie in einem Dorf gegen Geld in Pflege.

Die nächsten 20 Jahre lebt Therese zunächst von ihrem Einkommen als Erzieherin, schließlich verdient sie ihr Geld als ungeprüfte Privatlehrerin. Eine fixe staatliche Anstellung ist nicht möglich, da sie keine formale Ausbildung als Erzieherin oder Lehrerin abgeschlossen hat. Ihr Liebschaften werden seltener, eine geplante Hochzeit als 40-Jährige scheitert am Tod ihres Verlobten.

Ihr Sohn Franz wächst als unsteter Junge auf, der Schule schwänzt und schließlich auf Abwege gerät, sich Diebsbanden anschließt und Zuhälterei betreibt. Mehrfach sitzt er im Gefängnis, immer wieder und immer aggressiver bedrängt er seine Mutter um Geld, ihr auch seine uneheliche Herkunft und die Abschiebung vorwerfend, bis schließlich als 20-Jähriger er sie auf der Suche nach Geld in ihrer Wohnung fesselt und knebelt, sodass Therese an den Folgen stirbt. Vor ihrem Tod fleht sie noch, ihrem Sohn mildernd nachzusehen, da sie selbst ihn ja töten wollte, der Richter kommt diesem Ansinnen nicht nach. Franz wird zu 12 Jahren schwerem Kerker verurteilt.

Auch wenn letztlich der Roman zur Katastrophe führt und Schnitzler meisterhaft das Leben Thereses vorführt, so ist die Umsetzung dieses Lebens zum Teil langatmig zu lesen. Muss es auch sein. Denn es ist der soziale Abstieg und das Nichtgelingen des Wiedereinstiegs in die gehobene bürgerliche Gesellschaft, das Theresens Leben prägt. Wieder und wieder werden die Familien vorgestellt, deren Kinder sie erzieht oder unterrichtet, der Versuch, ihnen näher zu kommen, was manchmal gelingt, aber nie dauerhaft. Ebenso verhält es sich mit ihren Liebesbeziehungen, die aus unterschiedlichsten Gründen nie zu einer beständigen Form finden. Am Ende hat Therese als 40-Jährige sogar Angst vor der Ehe, weil sie trotz ihrer ständigen Geldsorgen begonnen hat, das Alleinsein und die Selbständigkeit zu schätzen.

Interessant, wie der aus einer jüdischen Arztfamilie stammende Schnitzler den Wiener bürgerlichen Antisemitismus in den Roman einwebt. Thereses Bruder schließt sich als Student der Deutschnationalen Partei an, und Therese lässt er von der "Verjudung" der akademischen Welt sprechen, obwohl sie selbst Liebesbeziehungen zu jüdischen Männern hat und am Ende sogar gewillt ist, einen jüdischen Lederwarenhändler zu heiraten. Bei einem Erscheinungsjahr 1928 ist anzunehmen, dass Schnitzler durchaus auch gegenwärtige politische Strömungen anspricht und den Antisemitismus nicht als historisches Phänomen einflicht.

Schnitzler zählt zu den ganz Großen, aber letztlich ist er ein Großmeister des Dramas und der Erzählung. Insgesamt hat er nur zwei Romane veröffentlicht, dies war sein zweiter.