Erasmus-Torheit

Das vom niederländischen Humanisten Erasmus von Rotterdam in England auf Latein verfasste und seinem Freund Thomas Morus (bekannt für den ersten "utopischen" Roman) gewidmete Werk zählt zu den ganz großen ironischen Texten der Weltliteratur.

In Ich-Form lässt er die Torheit ein Lobpreis auf sich selbst sprechen und gestaltet dies dermaßen geschickt, dass es des öfteren schwer ist festzustellen, was nun ironisch gebrochen und was nun vielleicht doch ernst gemeint ist. Die von mir gelesene Übersetzung von Alfred Hartmann halte ich für sehr gelungen, das Lesen hat Spaß gemacht.

Inhaltlich lässt sich der Monolog in drei Teile gliedern: die Torheit der Menschen, die Torheit der Gelehrten, die Torheit in der Religion und der Bibel.

Erasmus beginn gleich mit der Grundthese: Ohne Torheit gäbe es keine Menschheit, denn niemand (ob Mann oder Frau) würde bei Verstand eine Ehe eingehen und keine Frau bei Verstand würde nach dem ersten Kind noch einmal die Qualen der Schwangerschaft und der Geburt durchleben wollen. Auch sei die Zeit der Kindheit und des Alters die glücklichste Zeit, da in beiden Lebensabschnitten der Verstand entweder noch nicht vorhanden ist oder am Verschwinden ist. Die Kinder sind glücklich und die Alten vergessen ihre Leiden über Saufen und Spiel.

Andererseits gäbe es ohne Torheit auch keine Heldentaten. Denn wer mit Verstand würde freiwillig in einen Krieg ziehen? Die Kriegsherren brauchen die Dummen, die Helden werden wollen.
Stramme, stämmige Kerle, das sind die rechten Krieger, möglichst frech und möglichst dumm.
Aber selbst für die positiven Heldentaten braucht es Menschen, die töricht sind und nicht Leute, die permanent abwägen, ob eine Handung ihnen zur Scham gereicht oder Angst einflößen könnte. Es braucht Menschen, die ohne viel nachzudenken sofort handeln.

Bezüglich der Gelehrten wird sich darüber lustig gemacht, dass sie Tag und Nacht über Bücher brüten und ihre Gesundheit ruinieren, um ihre Gedanken zu Papier zu bringen, die nur ein so kleiner Teil der Menschheit überhaupt lesen will, sodass sie in Armut ihr Dasein fristen müssen. Viel glücklicher sind die Verfasser törichter Unterhaltungsromane. Diese werden massenweise verkauft und die Autoren schwelgen in Reichtum.

Ätzend wird mit den christlichen Kirchen verfahren, welche die Grundwerte der Lehren des Christentums einfach ins Umgekehrte wandeln.
Im Evangelium steht zwar Petri Wort: »Wir haben alles verlassen und sind Dir nachgefolgt«; sie aber heißen sein Erbe Ländereien, Städte, Steuern, Zölle und Herrschaftsrechte.
Die Bibel selbst ist die Zeugin der Torheit und oft wird Apostel Paulus herangezogen wie auch hier:
»Gott hat beschlossen, durch die Torheit die Welt zu retten«, da sie durch die Weisheit nicht konnte erlöst werden.
Aber auch die beiden anderen Buchreligionen bekommen ihr Fett ab: Das törichte Festklammern an Moses bei der jüdischen Religion bzw. die törichte Selbstüberschätzung des osmanischen Glaubens, die beste Religion überhaupt zu haben.

Defintiv lesenswert. Online im Projekt Gutenberg