Menasse-Hauptstadt

2017 veröffentlichte der österreichische Schriftsteller Robert Menasse diesen Roman über die EU. Hauptsächlich spielt er in Brüssel und er wird aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt. Letztlich ist es ein trauriger Roman, da dem europabegeisterten Menasse alles aus dem Ruder läuft. Alle Europaträume zerplatzen.

Da ist die Brüsseler Beamten-Riege mit ihren Intrigen, und es soll eine positive Veranstaltung zum fünfzigsten Jahrestag der EU-Kommission durchgeführt werden, die aber an allem scheitert, was nur scheitern kann. Eine Kunstausstellung, die nichts kostet, da sie aus dem Archiv einer Kunstsammlung genommen wird, baut die Rampe in Auschwitz nach ("vergessene" Kunst wird zur Todeskunst), und weder KZ-Überlebende noch gesunde Mitglieder der ersten EG-Kommission lassen sich noch auftreiben. Der in einem Altersheim lebende und Auschwitz überlebt habende de Vriend wird bei einem U-Bahn-Anschlag in Brüssel getötet, bevor ihn die EU-Beamt:innen kontaktieren können.

Eingebettet ist ein Mord im Brüsseler Hotel Atlas (gibt es wirklich), dessen Ermittlungen eingestellt werden müssen, da Geheimdienste und wohl auch die Nato wie der Vatikan intervenieren, da sie anscheinend die Auftraggeber sind. Auch ist die falsche Person, ein Tourist, ermordet worden. Der polnische Auftragsmörder Matek stirbt bei einem Zugunglück in Polen. Worum es wirklich gehen soll, bleibt im Dunkel.

Dann gibt es auch noch einen pensionierten österreichischen Wirtschaftsprofessor, Alois Erhart, der bei einer Arbeitsgruppe, einem "Think Tank" zur Förderung Europas mitarbeitet und in einer Rede wünscht, dass Europa eine Hauptstadt erhält, die bei Auschwitz neu gebaut werden solle.

Überhaupt ist Menasse von Auschwitz besessen, so legt er eine Rede zur Gründung der EG von Walter Hallstein, dem ersten EG-Kommissionspräsidenten, nach Auschwitz, wofür er ziemlich zeitnah nach Erscheinen des Romans von Historikern zerlegt worden ist.

Der Roman beginnt eigentlich witzig, mit einem frei herumlaufenden Schwein und einem Mord, und der Lobbyismus der Schweinezüchter ist durchaus amüsant dargestellt, aber nachdem letztlich nichts zusammenläuft und Themen einfach ins Leere laufen, bleibt im Kontext der historischen Fehler, die nicht unbedingt den Romanfiguren zuzuschreiben sind, das Gefühl, dass Menasse mit dem, was er sich vorgenommen hat, etwas überfordert war.