Castrop Rauxel
Sonntag den 31.3.46

Liebe Frau und Töchterchen !
Der Tag neigt sich seinem Ende entgegen und so will ich noch ein paar Zeilen an euch schreiben.Zunächst liebe Frau,vielen Dank,für Deinen Brief vom 17.2.46 den ich gestern Mittag,ehe ich zur Arbeit fuhr erhielt.Sehe aus Deinem Brief,daß Du und Mimichen noch gesund seid.Hoffe und wünsche,daß ihr es auch weiterhin bleibt.Ich bin soweit auch noch gesund.Liebe Frau,ich freue mich daß du das Geld erhalten hast.Hoffentlich ist inzwischen auch das andere angekommen.Damit ich wenigstens die Sorge von dir genommen weiß.Die Einreisegenehmigung,kann ich dir noch nicht schicken,doch auch das kommt einmal in Ordnung.Wenn du das Geld alles erhältst,das ich dir abgeschickt habe und du so rüberkommen kannst,dann komm,zu Lisa kannst du immer kommen.Am liebsten würde ich mich ja selbst auf den Weg machen,doch ich weiß ja nicht was dort los ist und ob es Zweck hat
Hier will ich ja sowieso nicht bleiben.Die Arbeit ist ja nicht so schlimm,doch man muß zuviel Dreck fressen und man ist doch frische Luft gewöhnt und Sonne gewöhnt.Besonders jetzt,da manchmal schon so freundliches Wetter ist,kostet es schon etwas Überwindung in den dunklen Schoß der Erde ein zufahren.Aber man gewöhnt sich ja an alles.Wenn es ginge würde ich schon längst wieder beim Bauern arbeiten,denn es gibt doch nichts schöneres als in der freien Natur zu sein..
Liebe Frau,wie es mir geht und was ich anzuziehen habe,das habe ich dir ja geschrieben.Was vernünftiges ist es ja nicht.Es ist hier sowie dort dasselbe,die Flüchtlinge sind die umhergestoßenen,keine Heimat ,nichts anzuziehen und keine Angehörigen.Wenn man am Sonntag ,die Leute spazieren gehen sieht,dann könnte man richtig weinen.
Liebe Frau,für mich hat es in dem vergangenen Jahr eigentlich nichts als Arbeit gegeben.In den vielen Monaten,die ich hier bin,war ich zweimal im Kino gewesen.Dann diese einsamen Sonntage in Holstein und diese quälenden Gedanken.Doch davon einmal später ,wenn wir beisammen sind.Jetzt da ich weiß,daß Du und Annemariechen lebst und ich weiß ,wo du bist,bin ich wenigstens diese bohrende Frage los,wo ist meine Frau und mein Kind.Nun kann ich hoffen,daß doch bald wieder alles gut wird.Wie oft muß man die brennende Sehnsucht nach ein bischen Glück zurück drängen.Damit es immer nicht ganz so trostlos ist .Ich weiß nicht wie unser Wiedersehen einmal sein wird.Jedenfalls habe ich es mir einmal anders vorgestellt.Du kannst Dir ja die Stimmung eines Menschen vorstellen,der nach diesen langen Jahren Soldatenzeit heimkehrt und alles verloren hat ,Frau,Kind ,Heimat und alles war umsonst.Oft habe ich die Tränen zurück drängen müssen,wenn wir auch singend durch die Dörfer zogen und an den Straßen weinende Frauen standen,deren Männer ,Söhne nicht wiederkehrten.
Und über allem immer die Frage,wo ist mein Weib und Kind.Leben sie noch?Vielleicht wird später nach Jahren einmal alles ein böser Traum sein,den man einmal geträumt hat.Vergessen kann man es wohl nicht.

Doch nun liebe Frau,will ich für heute schliessen.Viele liebe Grüße,innige und süsse Küsse ,sendet dir geliebte Frau und Mimichen,
dein Mann und Papa
Glück auf und ein baldiges Wiedersehen.