Als wäre die Tragödie von Kitzbühel nicht schon grausam genug, ereifern sich sowohl Deutsche als auch Österreicher in den Kommentarspalten zum Fall über "Islamisten", "Mohamedaner" und Skandieren die Abschiebung, des Täters, der sicher ausländische Wurzeln habe. Scheinbar kann nicht sein was nicht sein darf und scheinbar ist es nicht genehm, dass ein deutschsprachiger Mann, gebürtiger Österreicher, zu dieser Tat fähig war - so, wie es seit der Flüchtlingsdebatte stets genehmer schien, dass "nur Ausländer" solche Taten begehen.

Sei es via N-TV oder OE24-Livestream: Die Meldung war noch keine Minute alt, da hagelte es rechte Kommentare. Der schnöde Mob sah scheinbar wieder mal seine Stunde als gekommen an. Dann betretene Enttäuschung, als es hieß, der Täter sei dann doch "von hier". Keiner "von ihnen" natürlich, aber eben einer von hier. Wohin nun also mit dem Problem?

Ganz einfach: Hin zur Ex, die mit ihrem Verhalten das Ganze ja erst ausgelöst habe. Binnen einer Minute, man glaubt es kaum, wurde sie, von der man nicht mal wusste, wer sie war, ein Flittchen, dass "es" ja selbst heraufbeschworen habe. Auch die Medien stimmen ein, ganz unbedacht, indem sie dem "Es" Namen geben wie "Beziehungsdrama" oder auch Eifersuchtstat. Wohin also mit dem Problem, das "Es" heißt und mitten unter uns lebt. Das womöglich in vielen von uns lebt?

"Es".

"Es", das nichtsahnend nach einem normalen Tag in ein Familienleben bricht, mitten in die Haustür hinein, die der letzte schloss, bevor es zum gemeinsamen Abendbrot ging. Noch das eine oder andere Gespräch zu dem, was man am Sonntag unternehmen oder machen werde. Vielleicht sieht man noch fern und textet später. Der Tisch längst abgeräumt, später dann das Licht gelöscht. Wer hätte geglaubt, dass die Sendung, die man sah, die Letzte sein würde? Wer hätte geglaubt, dass der Zahnarzttermin, der in drei Tagen wäre, einfach so verstreichen, die Reise, die geplant, nie angetreten und der Ordner, den man ordnen wollte, nie geordnet würde?

"Es", das ein Mensch am frühen Morgen, an dem es grad noch dunkel war, in ein Haus bringt, in dem er selber lebte. Den man seit fünf Jahren zu kennen glaubte, der nun aber nicht mehr streiten, nicht mehr einsehen, nicht mehr zuhören will, sondern Menschen für etwas bestrafen will, das in der Natur des Lebens liegt. Wohin nun also mit Problemen, die man nicht haben will? Es zu den Menschen schieben, die gezwungen werden, "es" mit ins Grab zu nehmen.

"Es" bedeutet, dass diese Familie in ihrem letzten Moment nur diesen einen Menschen sah. Womöglich aufzuwachen, nicht wissend, ob man träumt, was grad passiert, nicht wissend, was es zu bedeuten hat, die Situation nicht erfassen können, obwohl der Instinkt sich schon die Bahn bricht und der weiß, dass alles nach Bedrohung schreit. Dieses "Es", das für die Tochter der Familie womöglich bedeutet hat, die Schüsse zu hören, die zuvor fielen. Die dann womöglich erleben musste, wie sich der Täter an ihrer Tür zu schaffen macht.

"Verlobt seit 2014" schrieb er auf seinem Internetprofil. Da war sie 13 oder 14, schreibt da ein Blatt und 19 er. Der erste Freund, dann gleich verlobt, wer kennt das nicht, zu meinen, die erste Beziehung sei fürs Leben? Versprechen sind da schnell gegeben. Dann dreht die Welt sich weiter, etwas ganz Neues fängt an. Es wird Schmerzen geben, Leid und Zeit, die vermeintlich diese Wunden heilt. So denkt man es, wenn sich die Wege trennen. Es wird nicht leicht, aber man muss es bekennen. Vielleicht geht Porzellan zu Bruch, es könnte laut und traurig werden, für einige Zeit. Danach wird es besser, in einem anderen Heut.

Erschossen zu werden, weil der Mensch, mit dem man fünf Jahre seines Lebens teilte, es als geeignete Lösung ansieht, das Problem zu verschieben. Auf die eigenen Eltern, den eigenen Bruder, den neuen Freund und letztlich auf einen selbst.

Probleme und Schuld verschieben - kein Wunder, dass jene, die es selber tun, nicht wahrhaben wollen, dass der Täter die gleiche Kultur teilt, wie sie selbst.