Wolf of Wall Street - Werbung oder Kritik?

Habe mir den Film "Wolf of Wall Street" angesehen, toller Streifen, genial gemacht. Eigentlich eine böse Satire auf ausgeflippte Trader, dekadent und auf Koks, allesamt.

Nach dem Film noch was trinken gegangen und vom Nachbartisch (der den Film auch gesehen hatte) Kommentare wie: "Genau so möchte ich auch sein. Toller Kerl! Die ganzen Bitches, die der gehabt hatte. Am Schluss nicht mehr so lustig, wie sie ihn gekriegt haben leider"

Ich befürchte, dass ein haufen junger Leute (wie zb schon bei Wallstreets Gordon Gekko), diesen Film als riesige Empfehlung für einen zynischen, schäbigen, skrupellosen Lebensstil empfindet.

Wie seht ihr das?

@staples

Ich habe den Film noch nicht gesehen, liebe aber die Filme von Martin Scorcese - auch wenn sie sehr unterschiedlich ausfallen können. Obwohl Scorcese Filme sehr unterschiedlich sein können, von Gangsterepos, Banddoku, Psychothriller, Kriegsdrama, Biopic bis Historienfilm ist alles dabei, seine Figuren sind einfach keine Vorbilder.

Niemand sagt finde das gut, finde das schlecht. Es ist sein Betrachtungswinkel auf die Dekadenz der Broker, er benutzt das Stilmittel der Satire um einen Abgesang auf die Welt der Wallstreet anzustimmen, zeitgleich glorifiziert und überhöht er den Mythos Wallstreet bis zum Anschlag. Der Reiz soll auf den Zuschauer übergehen, er soll dieses Hochgefühl selbst miterleben, er soll sich identifizieren mit dem "Bösen", um sich nach 3 Stunden zu fragen "Huch, auf welcher Seite stehe ich eigentlich gerade" Ich habe diese Faszination erfahren, ich habe gelacht und gleichzeitig auch die Skrupellosigkeit dieser Branche erlebt. Ein moralinsaures Werk braucht man von diesem Regisseur nicht erwarten, und sicherlich wird es Menschen faszinieren und erschrecken in gleichem Maße.

Was ich dann doch am wenigsten glaube ist, dass er die Kraft hat als Werbung zu dienen. Welcher Kriminelle ist einer geworden weil er Goodfellas gesehen hat, wer ist durchgeknallt wie Travis Bickle weil er Taxi Driver gesehen hat, auch wenn jeder der die Filme verstanden hat, auch ein Stückweit von den Hauptfiguren fasziniert war..

Wenn du diesen Eindruck von dem Film gewonnen hast, wie du im Ep schreibst - mach dir keine Gedanken dass dieser Film böse Superbroker hervorbringt, sondern kauf dir eine Sammelbox Scorcesefilme, weil dieser Mann einfach einer der größten Regisseure der Welt ist, und geniale Filme erschaffen hat.

@staples

Glaubst du warum so viele Kritiker den Film als widerlich bezeichnet haben? Viele Leute werden sich daran ein Beispiel nehmen, die Frage lautet aber auf welche Weise. Gibt so viele Filme, wo man sich fragen kann, ob das überhaupt moralisch akzeptabel ist.
Auf der anderen Seite ist es Kunst und jeder halbwegs psychisch gesunde Mensch wird sich wohl kaum von Kunst derartig beeinflussen lassen.
Ich hab zumindest noch nie Crystal Meth geraucht oder gekocht. Du etwa?
Die meisten sowieso zwielichtigen Charaktere ziehen sollte Dinge auch an. Selten derartiges wirklich sowas hervorrufen ;)

@staples
@Hesher


Was ich aber anmerken muss ist, dass sicher eine nicht zu unterschätzende Schnittmenge an Leuten die den Film sehen wollen, selbst ziemlich verrohte Typen sind, gleich welcher Gesellschaftsschicht und welchen Geschlechts, die diesen - ich nenn es mal mitleidslosen und rücksichtlosen Lifestyle unreflektiert gut fnden. Das aber liegt an den Menschen selbst, dafür kann das Thema oder der Film nichts.

@DeadPoet

Ich will den Film auch sehen und kann mir vorstellen, dass ich das im Grunde auch auf gewissen Ebenen bewundere. Vielleicht aber auch nur, weil ich mich damit überhaupt nicht identifizieren kann und gerne mal ein wenig rücksichtsloser wäre. Im gesellschaftlich akzeptierten Rahmen selbstverständlich.

@DeadPoet

Bin ein großer Scorsese Fan, hab fast alles gesehen von ihm. Wahrscheinlich hab ich mich ertappt gefühlt, weil der Dicaprio wahnsinnig gut spielt und man sich gut in die Figur hineinversetzen kann, er nimmt dich mit auf die Reise.
Ich glaube einfach, dass er die Absicht hatte die Leute mit seiner Satire aufzurütteln, aber das geht mm bei jungen, ehrgeizigen Typen völlig daneben. Könnte mir vorstellen, dass dieser Belford für das richtige Publikum ein Held ist.

@Hesher

na noch nie Meth gekocht hehe. Bei BB wird man ja auch auf die Reise genommen, aber am Ende dreht sich das Gefühl für den Protagonisten ja doch ziemlich. Bei Wolf of Wallstreet irgendwie nicht.

@Hesher

Ja, ich denke auch dass eine Identifikationsfigur wie Belford einem immer auch etwas zeigt oder vorlebt, was man selbst gerne hätte. Der Sprung allerdings vom Betrachten eines Kunstwerkes hin zur Berufswahl, der ganzen Vorqualifikation und dann auch wenn man soweit ist mit dem entsprechendem Impetus rücksichtlos durchzustarten, ist aber denke ich ein ziemlich Großer :D

Diejenigen die in entsprechenden Positionen sitzen, sind dort sicherlich mit einem anderen Hintergrund, und sind mit tiefergehenden und persönlicheren Motiven bestückt.

@staples

staples schrieb:Ich glaube einfach, dass er die Absicht hatte die Leute mit seiner Satire aufzurütteln, aber das geht mm bei jungen, ehrgeizigen Typen völlig daneben. Könnte mir vorstellen, dass dieser Belford für das richtige Publikum ein Held ist.

Glaube auch dass der ein oder andere total aufgepeitscht aus dem Film kommt. Aber ziemlich schnell stellt sich doch dann die Ernüchterung ein, wenn der Alltag sich zurückmeldet und der Mensch mit seinen geistigen, finanziellen und körperlichen Grenzen konfrontiert wird.

@staples

Wollte die beiden auch garnicht vergleichen. Ging mir eher um das kontroverse Thema.
Ich kann allerdings nur sagen, dass ich in meinem Leben bisher wesentlich erfolgreicher gewesen wäre, wenn ich skrupelloser wäre.
Daher kann ich die Faszination des Nachbartisches schon verstehen, aber die Art und Weise sollte dir schon zu denken geben. Da könntest du jedes Medium heranziehen. Das würde dann schon bei der "Frauen sind Bitches" Philosophie anfangen, die du da zuhören bekamst.
Unterstreicht ja schon fast das Unvermögen des Klientels das Ganze als Satire zu erkennen. Was kann man da großartig erwarten?

EDIT:

Hatte vermeiden anstatt vergleichen geschrieben.

@Hesher

Da bin ich völlig deiner Meinung, ich zb. kann keine Ellbogen einsetzen weil sichs bei mir da psychisch sperrt - geht einfach nicht. Erziehung, Veranlangung ka. Möglicherweise hab ich auch Angst vor so Typen, die es können, werde mich deswegen aber nicht auf die Couch legen^^.

Ich bin leider überzeugt davon, dass die überwiegende Mehrzahl der Leute diesen Film nicht so reflektieren werden. Die sehen: Kohle ohne Ende, die schärfsten Mädels (Margot Robbie!!!!!), Haufen Drogen, Party ohne Reue, lustige Kumpels - WILL HABEN

@staples

Ist das nicht bei allen Filmen so? Dass die Mehrheit allgemein den tieferen Sinn sowieso nicht entdeckt. Ist halt ein Film, angucken, abschalten und entweder reflektieren oder eben nicht. Bin vielleicht auch ein zu großer Filmfan, als dass ich da noch eine "normale" Meinung abgeben könnte. Hab den Film zwar noch nicht gesehen, aber eine Gefahr sehe ich da absolut nicht.
Beispiel:
"Hast du von dem Film mit dem Neger gehört?"
(Sinn wohl direkt im Vorfeld verfehlt)

@staples
Wie bei so vielen Dingen wird der Eindruck und die İnterpretation unterschiedlich ausfallen.

İch habe diesen Film gestern gesehen und finde ihn klasse! Die Schauspielerische Leistung von Di Caprio ist unglaublich. İch finde sogar, dass der Film mit dem ersten Teil von Wall Street mithalten kann.

Wie Wall Street äußert dieser Film gegenueber der Boerse starke Kritik aus. Einige werden die Kritik verstehen und andere werden den Film als ansporn sehen.

John_Brook schrieb:Wie Wall Street äußert dieser Film gegenueber der Boerse starke Kritik aus. Einige werden die Kritik verstehen und andere werden den Film als ansporn sehen.

Die Kritik ist ja nur: Schau her was für abgehobene dekadente Leute mit zu viel Geld das sind. Und wenn man sie erwischt gehen sie nur für 2 Jahre ins Gefängnis (mit allen Annehmlichkeiten). Nachher wieder Millionär.

Für viele heisst dass: Sei besser einer von denen! Lieber der Verarscher als der Verarschte!

Das di Caprio fantastisch war ist unumstritten und nicht nur er. Sein Mentor am Anfang (Mcconnoghan??) war fast noch besser.

staples schrieb:Die Kritik ist ja nur: Schau her was für abgehobene dekadente Leute mit zu viel Geld das sind. Und wenn man sie erwischt gehen sie nur für 2 Jahre ins Gefängnis (mit allen Annehmlichkeiten). Nachher wieder Millionär.

Siehst du, meine Interpretation der Kritik ist voellig anders. :)
Es ist ein Warnsignal dafuer, dass Unsummen an Geld uns in eine oberflaechlichen Realitaet werfen, in der wir keine echten Freunde, keine echte zwischenmenschliche Beziehungen fuehren und in Rage versuchen uns mit materiellen Habseeligkeiten zu erfuellen und uns dennoch staendig Leer fuehlen.

@John_Brook
sehr reflektiert und tiefsinnig. Also: Selten :)

Ich war ja schließlich auf Koks und Lemon als ich den Film gesehen habe. Haha ;). Spass

Tja in der City ist es genau so wie ich gedacht habe:

DiCaprio sagte: 80% der Burschen mit denen ich sprach, gingen in die Finanzwelt, weil sie wie Gordon Gekko in Wall Street (Film-Vorgänger,1987) sein wollten.

Die Firmen in London organisieren derzeit (2014) spezielle Privatparties für ihre Leute in denen der Film gespielt wird. Es gibt mehr private Firmenvorstellungen als für irgendeinen Film zuvor .

http://www.standard.co.uk/lifestyle/london-life/the-wolf-of-wall-street-why-londons-bankers-love-reallife-fraudster-jordan-belfort-9064038.html

@staples


Ja ich glaube, man sollte jetzt aber nicht auf den Werbefeldzug, der den Film selbstredend begleitet reinfallen. Was ich auch schon öfters bemerkt habe, dass die Caprio mit dieser Rolle auf dem Zenit seiner Karriere beschrieben wird. Und man muss sich bei einigen Kommentaren wirklich fragen ob es nun DiCaprio ist, der da so hochgejazzt wird, oder doch Belford.

Man sieht, ich halte nicht viel davon einen Film so zu pushen und zu tun als ob jetzt iwas gesellschaftlich relevantes daraus erwächst. Es ist ein satirischer Film, der gelungen ist, was ihn derzeit schon zu etwas besonderem macht, aber die eingangs gestellte Frage, ob nun junge Leute diesem skrupellosem Lebensstil nachgehen, ich glaube nicht dass dies so ist.

Wir haben bereits das Problem mit den Finanzmärkten, und das liegt auch nicht bloß an irgendwelchen schäbigen skrupellosen Menschen..Wir sind immer schnell dabei Sündenböcke zu finden, um sie als nächstes auf der Strasse niederzutrampeln. Das ist aber falsch. Das System ist so, dann muss jenes halt geändert bzw. angepasst werden. Denn es ist doch logisch dass der Mensch zu seinem Vorteil arbeitet, und Vorteile und Möglichkeiten die sich bieten auch nutzt. Dann muss man eben diese Einschränkungen vornehmen, aber es ist ein systemisches Problem, von dem Menschen betroffen sind, das Problem sind nicht die Menschen. Fehler des Wertpapierhandels werden ganz oft abgeschoben auf die Menschen, auf die Millionen Kleinanleger, die ihr Häusschen verzockt haben, auf die Kreditnehmer, die ihre Häuser verloren haben, auf die bösen skrupellosen Broker und Bankkaufleute die zu Risikoinvestments raten oder nicht richtig aufklären. Das aber das System vlt. nicht richtig sein könnte, das ist zu abwegig, nein die Menschen nutzen es nur nicht richtig. Das ist das Problem, das wir ein menschenunwürdiges System für nicht so schlecht halten aber die Menschen abwerten die an diesem System zwangsläufig beteiligt sind.

@staples

staples schrieb:Ich befürchte, dass ein haufen junger Leute (wie zb schon bei Wallstreets Gordon Gekko), diesen Film als riesige Empfehlung für einen zynischen, schäbigen, skrupellosen Lebensstil empfindet.

Die, die so empfinden werden, sind die, die so ein Leben verdienen. Es wird für einige ein Vorbild, für andere genau das Gegenteil sein. Was kann man schon von einem Leben erwarten, in dem man das Reichtum, seines Lebens, in etwas vergänglichem sieht? :)