Die drei Türen

Ich weiss nicht, ob es ,,typisch deutsch¨ ist, wie man so sagt. Doch fast augenblicklich, sobald über ein Thema aus dem Bereich Integration, Flüchtlinge, Hilfe gegenüber bedürftigen Menschen gesprochen wird, stellt jemand schroff folgende Fragen:

,,Was soll das kosten? Wer bezahlt das?¨

Die Absichten hinter diesen Fragestellungen sind unterschiedlicher Natur.

Manche haben wirklich lediglich ein Interesse daran, vorher zu überlegen, was eine Handlung, eine Integrationsmaßnahme, eine Aufnahme von Flüchtlingen kosten wird.

An und für sich ist es keineswegs falsch, darüber vorher nachzudenken. Denn es muss für einen Wohnraum gesorgt werden, für Nahrungsmittel und Kleider, für medizinische Versorgung und sinnvolle Beschäftigung bei einem Flüchtling. Oder es muss, auch bei einem einfachen Migranten, festgestellt werden, ob und was für einen Sprachkurs er benötigt, wie man ihn weiterbilden kann.

Andere wollen mit diesen Fragen implizieren:,,Das Boot ist voll / Wir können bzw. brauchen nicht noch mehr Migranten aufnehmen¨ oder auch:,,Jaja, du Weltverbesserer, du weisst doch auch keine bessere Lösung und würdest dich nicht selbst engagieren. Aber alle immer rein nach Deutschland... / DIE kommen doch ohnehin nur her zum abzocken...¨.



Was hat ein Flüchtling eigentlich oftmals so erlebt? Ist er auf die Straße gegangen für Rechte, die für uns hier selbstverständlich sind und wurde dafür von den Schergen eines Unrechtsregimes drangsaliert?

Besaß er den falschen Glauben und sollte dafür ins Gefängnis geworfen, gefoltert und hingerichtet werden? Oder brach Krieg in seinem Land aus, musste er fürchten, dass seine Frau und seine Kinder getötet würden?

Was trieb ihn dazu, sich auf einen weiten, gefahrvollen Weg zu begeben, alles hinter sich zu lassen, sich Hunger, den Naturgewalten, Kriminellen, gewissenlosen Milizen und gar einer Reise in einem Boot, kaum eine Nussschale, auszusetzen, um ein Land zu erreichen, von dem er nichts wusste, außer, dass ihm und seiner Familie dort hoffentlich Sicherheit zu Teil würde?

Mir fällt ein, dass wir zum Teil ja die Mühsale und Leiden schon kennen, denen ein Flüchtling ausgesetzt ist. Lesen wir nicht an vielen Stellen in der Bibel selbst davon? Wie unser Herr Jesus verfolgt und gekreuzigt wird, seine Nachfolger, ob Apostel oder einfache Gläubige hingerichtet?

Und auch im Alten Testament finden wir diese Geschichten über Flucht, Vertreibung und Not.

Spontan kommt mir der Exodus in den Sinn, als das Volk der Israeliten floh aus Ägypten, hinweg aus ihrer Knechtschaft, verfolgt und vom Tod bedroht und erst nach langer, gefährlicher Reise endlich einen Ort der Ruhe fand.

Ja, eigentlich ist den Christen das Schicksal der heutigen Flüchtlinge gar nicht so fremd...



Ich stelle mir das Bild von drei Menschen in einem Raum vor, die ihrerseits vor jeweils einer Tür stehen.

Ein Flüchtling tritt von der anderen Seite ein und sieht die drei an:

Der erste Mensch ist der neutrale. Er hat keine grundsätzlich feindliche Haltung, aber er steht dort in der linken Ecke, mit skeptischem Blick, die Arme verschränkt, abschätzend, die Stirn gerunzelt.

Er fragt:,,Hm, was wird es mich wohl kosten, wenn ich mich um dich kümmere. Und wer bezahlt das eigentlich...¨


Der zweite Mensch ist der feindliche. Er steht mit wütendem Blick in der rechten Ecke. Seine Haltung ist aggressiv, kalt und abweisend.

,,Was kostet es, dich aufzunehmen? Wer bezahlt das? Verschwinde, du hast hier nichts verloren! Geh zurück, wo du herkommst oder sonstwohin, das Boot ist voll, hier gibt`s nichts für dich! Und bestimmt willst du dir doch hier nur ein schönes Leben machen! Hinfort¨, ruft er.


Der Blick des Flüchtlings richtet sich furchtsam auf den dritten Menschen, der in der Mitte steht.

Was wird dieser wohl erst sagen?

Doch dieser...lächelt. Sein Blick ist warm und freundlich, seine Arme zum Gruße erhoben und seine Haltung entspannt. Er winkt den Flüchtling heran.

,,Hey. Ich kenne dich nicht, aber komm ruhig her. Hier brauchst du keine Angst zu haben, ich kümmere mich um dich. Nimm dies und iss, nehme diesen Becher und trink.¨

Als der Flüchtling getan hat, wie ihm geboten, möchte er dem Mann danken.

Dieser aber antwortet nur:,,Das ist schon in Ordnung so, habe ich gern gemacht. Aber wenn du mir etwas helfen möchtest, bin ich dir dankbar. Siehst du diese Tür hinter mir? Sie hat zwei sehr eigenartige Schlösser, eines hier oben, am Kopf und eines hier unten, am Fuß und ich kann sie nicht alleine öffnen.

Nimm bitte diesen Schlüssel und drehe ihn¨, sagt er und bückt sich zu dem unteren Schloss.

Der Flüchtling tut, wie ihm geheissen und als der Mann sich wieder aufrichtet, fragt er ihn verwundert:

,,Wohin führt denn diese Tür, die du nicht alleine öffnen konntest?¨

Der Mann stößt die Tür auf und warmes, weißes Licht fällt herein, ein heller Pfad schlängelt sich dahinter in die Ferne, gesäumt von Wiesen mit Blumen, von Wäldern mit würzigem Duft, unter einem blauen, wolkenlosen Himmel.

,,Diese Tür¨, sagt der Mann, ,,führt zum Land des wahren Christentums. Hast du Lust, mitzukommen?¨

Und während die anderen beiden, der neutrale, der skeptische, der nicht bereite und ebenso der abweisende, der wütende, der nur auf sich selbst gerichtete, zurückbleiben in jenem Raum, nimmt der Flüchtling noch den letzten Bissen des kleinen Mahls, welches der dritte Mann ihm schenkte, ohne zu fragen, ohne etwas zu fordern, ergreift dessen Hand und gemeinsam durchschreiten sie die geöffnete Tür, hinaus in die helle Welt, die jedem Einzelnen verschlossen geblieben wäre.

Wer von den drei Menschen in dem Raum nun wie ein wahrer Christ handelte, im Sinne Gottes und was er dafür tun musste - das zu entscheiden sei jedem selbst überlassen, es obliegt mir nicht, jemanden zu etwas zu zwingen. Denn der Herr hat uns nicht zu Sklaven gemacht, sondern zu freien Menschen, denen er das Saatkorn des Glaubens ins Herz gelegt hat. Und wenn wir ihn fragen und darum bitten, dann wird dieses Saatkorn wachsen und gedeihen und wir werden wissen, was zu tun ist.