Ich saß auf der Parkbank und schaute in den Himmel. Einzelne weiße Wolken unterbrachen das tiefe Blau. Ein Segelflieger zog einsam seine Runden. Ich fühlte mich wohl und hatte keine Lust über irgendetwas nachzudenken. Doch Gunjar ließ nicht locker. „Und was, wenn es doch eine Parallelwelt gibt? Glaubst du, dass sie so sind wie wir? Sitzen vielleicht jetzt in diesem Augenblick auch zwei Menschen dort auf einer Bank und haben die gleichen Fragen?“ Da ich nicht antwortete fuhr er fort. „Was meinst du, ist das Weltall unendlich?“ Er rüttelte mich sanft am Arm und ich antwortete etwas ungeduldig: „Willst du jetzt etwa Weinsteins Theorie in Frage stellen? Es weiß doch jedes Kind, dass das Weltall unendlich ist“. „Naja Mara, aber es ist eben nur eine Theorie und niemand kann sagen, ob Weinstein recht hat.“ Ich stand auf und streckte mich. „Gunjar komm, lass uns baden gehen. Denk nicht immer so viel nach. Vielleicht hat die Menschheit bald für alles eine Antwort, du mußt dann nur noch deinen neuen Supercomputer befragen und schon weißt du Bescheid.“ Gunjar antwortete nicht und ich schaute auf ihn herab. Es war schon toll wie er da so saß, braungebrannt und von Kopf bis Fuß durchtrainiert. Für ihn gab es nur seinen Sport und seine Wissenschaft. Ich als seine Freundin spielte nur eine untergeordnete Rolle, was mich natürlich manchmal kränkte. Wir sahen uns recht selten, da er die meißte Zeit am Computer verbrachte und immer am trainieren war. Ich ging nur meine vorgeschriebenen vier Stunden arbeiten, doch er saß oft bis in die Nacht und fachsimpelte und forschte mit seinen Kollegen. Man musste wohl schon ein bißchen verrückt sein in seinem Beruf.
„Mara, ich geh noch mal ins Labor, mir ist da was eingefallen, du kannst doch allein baden gehen?“ Gunjar war nun auch aufgestanden und sah mich fragend an. Plötzlich lächelte er und gab mir einen flüchtigen Kuss. „Komm, mach nicht so ein Gesicht, wir stehen kurz vor dem Durchbruch. Nicht mehr lange und der AIF ist fertig. Dann hab ich auch mehr Zeit für dich.“ Sprachs, gab mir noch einen Kuss und verschwand eilig.
„AIF, AIF, Supercomputer...ich kanns schon nicht mehr hören,“ sagte ich enttäuscht. Meine Worte hatte er sicher nicht gehört, denn er drehte sich nicht mehr um.
Anfangs fand ich alles interessant, was Gunjahr mir erzählte und unsere Gespräche dehnten sich über Stunden. Auch die Konstruktion des neuen Supercomputers fand ich faszinierend. AIF hatten sie ihn getauft, das stand für: „Ausser-Irdische-Fragen“.
Doch Gunjar veränderte sich.

Es begann vor fast genau einem Jahr. Wir saßen in einem Gartenlokal unter großen Kastanienbäumen. Ich hatte längst aufgegessen, doch Gunjar redete und redete. Er hatte wohl nicht mal bemerkt, dass vor ihm ein voller Teller stand. Wenn ich ab und zu nickte, nahm er es als Anlass endlos weiter zu phantasieren. Alle Fragen dieser Welt sollten in nächster Zukunft beantwortet werden, davon war er überzeugt. „Iss doch erst mal“, sagte ich endlich. Doch er hörte mir garnicht zu. In diesem Augenblick kam ich zu der Erkenntniss, dass er mich nur als Zuhörer benutzte. Eigentlich hätte hier sonst wer sitzen können. Ich war maßlos enttäuscht, so sollte eine Freundschaft nicht aussehen. Trotzdem trafen wir uns weiterhin. Irgenwie mochte ich ihn schon.
Sein Projekt schritt voran und er wurde immer besessener.
Und nun stand er kurz davor, sich seinen Traum zu erfüllen. Aber was wurde aus mir?
Ich stand noch immer an der Parkbank, einsam, allein!
Ach, was solls! Ich wischte die Gedanken weg und ging in Richtung Badesee. Von dorther hörte ich schon lautes fröhliches Gekreisch. Neben mir hielt ein Arbeiter mit seinem Rasenmähertraktor an und stieg aus. Er hatte wohl seine vorgeschriebenen vier Stunden geschafft. Ein anderer Mann übernahm seine Arbeit. Vier Stunden bei dieser Hitze, dachte ich. Zwei Stunden würden da auch reichen. Aber es arbeiteten ja alle Menschen ihre vier Stunden, ansonsten gab es keine Mahlzeit an diesem Tag. Verweigerte jemand öfter den Dienst, wurde auch die medizinische Versorgung gestrichen. Und wenn das noch nicht half, kamen diese Übeltäter in ein geheimes, abgesperrtes Gebiet. Dort wurde eine Gehirnwäsche durchgeführt, die sehr schmerzhaft war. Aber genaues wußte keiner, es wurde nur gemunkelt.
Ich war eigentlich ganz zufrieden in meiner Welt, nur Gunjar könnte mir mehr Aufmerksamkeit schenken. Ansonsten war das Leben schön. Die Vögel zwitscherten, das Wasser plätscherte vom Weiten und die Überwachungskameras surrten wie immer leise und beobachteten das Geschehen.

Nach dem Bad lag ich unter einen alten Weide und blätterte lustlos in einem Buch. Was hatte man mir da nur gegeben? „Die Vorgeschichte“ hieß es und war sicher stinklangweilig. Aber lesen mußte ich es, denn sonst würde ich die Fragen nicht beantworten können. Eine lange Woche hatte ich Zeit, mich mit dem Inhalt vertraut zu machen, dann mußte ich zum „Meister“. Der „Meister“ war eigentlich nur ein simpler Computer, dem ich seine Fragen mit ja oder nein beantwoten musste. Bisher lief immer alles glatt, denn ich lernte schnell. Wieder blätterte ich in meinem Buch und fing an zu lesen. Na, das war ja doch interessant. Hier stand, dass man früher „Geld“ für seine Arbeit bekam und mit diesem „Geld“ konnte man sich dann alle Wünsche erfüllen. Jedoch wurden große Unterschiede gemacht und viele Menschen hungerten. Manche hatten nicht mal Arbeit.
So richtig reinversetzen konnte ich mich in die alte Zeit nicht. Warum hatten nicht alle Menschen die gleichen Rechte und Pflichten? Wieso bekam nicht jeder seine Mahlzeit? Und warum hatten sie keine Überwachungskameras?
Fleissig las ich weiter und als ich fertig war dämmerte es. Ich hatte Fragen über Fragen. Und plötzlich verstand ich Gunjar. Würde er mich dann vielleicht auch mal an seinen Supercomputer lassen?
Nachdenklich ging ich nach Hause. Vor dem großen Schlafsaal war noch Gedränge. Fast alle Duschen waren besetzt. Ich wusch mich sorgfältig und entsorgte meine Kleidung vorschriftsmäßig im Reißwolf. Dann nahm ich mir ein Nachtkleid und suchte mir eine Liege am Fenster. So konnte ich in aller Ruhe den Sonnenuntergang beobachten. Bevor das Einschlafgas in den Saal strömte dachte ich an Gunjars Frage. War das Weltall wirklich unendlich? Und was ist unendlich? Irgendwann muß doch mal ein Ende sein. Aber was ist hinter dem Ende?

Zwei Wochen später kam Gunjar total aufgeregt in den Speisesaal. Ich schlang schnell mein restliches Essen hinunter und folgte ihm nach draussen. Unterwegs erzählte er mir, das heute Abend die feierliche Einweihung des AIF stattfindet. Alle mußten das Institut verlassen und sollten erst in drei Stunden wiederkommen. Ich verstand seine Aufregung, war er doch am Ziel. Ausserdem wollte heute der „Allwissende“ eine Ansprache halten. Boh, der „Allwissende“! Ich war baff. Niemand wußte genau wer er war, zumindest vom Aussehen her. Ansonsten war natürlich klar, dass er unser oberster Befehlshaber war. Ich kannte niemanden, der ihn je hatte über Lautsprecher reden hören. Dies geschah nur zu ganz besonderen Anlässen und im kleinsten Kreis.
„Mara, wir haben es geschafft“! „Wir haben es geschafft“, rief er noch einmal laut. So aufgekratzt hatte ich ihn noch nicht erlebt. Er fasste mich bei den Händen und wirbelte mich im Kreis herum. „Endlich habe ich mehr Zeit für dich, mein Schatz. Ich weiß das ich manchmal schwer zu ertragen war. Aber diese Zeiten sind nun vorbei“. Stürmisch nahm er mich in die Arme und küsste mich.
Da war er wieder, mein alter Gunjahr, so wie ich ihn liebte. Was war ich glücklich.
Wir gingen noch ein Weilchen spazieren, dann zog es Gunjar zum Institut. „Ab morgen wird alles anders“, hatte er mir beim Abschied versprochen. Und sogar in meinen Schlafsaal wollte er mit einziehen, trotz Schlafgas, meinte er noch lachend. Denn im Schlafsaal des Institutes gab es sowas nicht. Die Mitarbeiter durften arbeiten wann und wieoft sie wollten.
Ich sah ihm lange und zufrieden hinterher. Nun würde alles gut werden.

Am nächsten Tag wartete ich sehnsüchtig auf Gunjar. Meine vier Arbeitsstunden hatte ich hinter mir. Im Moment regnete es, was mir garnicht passte. Normalerweise wurde nur nachts beregnet, aber an so heißen Tagen auch schon mal mittags. So nass konnte ich nicht im Speisesaal erscheinen. Also erst mal ab unter die Dusche und neue Sachen aus dem Automaten ziehen.
Im Speisesaal erfuhren wir über Lautsprecher, dass es ab morgen nicht mehr das übliche Essen geben würde. Ab sofort wird mit dem Umbau der Speiseautomaten begonnen. Und tatsächlich sah ich schon die Monteure kommen. Ich unterhielt mich kurz mit einem der Monteure und erfuhr, dass es nun Essen aus der Tube geben würde. Kein Besteck mehr und kein Pappteller. Nur das mit dem Fingerabdruck lesen würde so bleiben.
Nachmittags kam endlich Gunjar. Er erzählte ziemlich enttäuscht, dass er und seine Mitarbeiter den Supercomputer nicht mehr anrühren durften. Befehl von höchster Stelle. Allen wurde eine neue Aufgabe zugeteilt und das noch in verschiedenen Instituten. Nur Gunjar konnte an seinem alten Arbeitsplatz bleiben. Dass der Bereich um den AIF abgesperrt wurde, erzählte er mir nur flüsternd und immer mit einem scheuen Blick zur nächsten Kamera. Auch hatte er die Anweisung bekommen, im Institut weiterhin zu übernachten. Kontakt mit anderen Personen sollte sich nur auf das Nötigste beschränken. Deshalb verabschiedete er sich auch bald, flüsterte mir aber noch zu, dass wir uns in zwei Tagen an der hohlen Eiche treffen. Ich hatte schon von der hohlen Eiche gehört. Dort sollte wohl unser Gebiet zu Ende sein. Bislang hatte mich das nie interessiert, ich war zufrieden so wie es war. Ich lebte in einer perfekten Welt.

Zwei lange Stunden wartete ich nun schon, doch von Gunjar keine Spur. Immer wieder wollte ich gehen, aber was, wenn er doch noch kam und wir uns verfehlten? Gut, eine halbe Stunde warte ich noch, sonst wird der Schlafsaal geschlossen. Im Freien wollte ich nicht übernachten.
Vorsichtig hatte ich gestern noch verschiedene Leute gefragt, wie ich zur hohlen Eiche komme. Aber erst meine Bettnachbarin gab mir die Wegstrecke bekannt. Sie erzählte mir kurz, dass dort nur wenige Kameras und Mikrofone sind und wenn man es geschickt anstellt, kann man sich dort ungestört unterhalten.
Die halbe Stunde war herum und ich trat den Rückweg an.
Als ich später unter der Dusche stand, kam Gunjar kurz und entschuldigte sich. Er versicherte mir, wie lieb er mich hat und ich solle Geduld haben, wir könnten uns jetzt nicht so oft sehen. Dann war er auch schon wieder fort. Mir kullerte eine dicke Träne die Wange hinunter. Eigentlich sollte jetzt alles anderst sein.
Ein Tag verging wie der andere. Nichts machte mehr Spass. Nicht der Freizeitpark, nicht der Badesee und keine andere Sache. Wie wünschte ich mir die Zeit zurück, als Gunjar noch endlose Reden hielt. Da war er wenigstens bei mir. Aber nun? Warten, warten, warten...
Wenn ich ihn sah, dann hatte er eine kurze Umarmung für mich und ein paar liebe Worte. Keine fünf Minuten hatte ich ihn für mich. Mein Leid klagte ich meiner Bettnachbarin, die mir damals den Weg zur Eiche gewiesen hatte. Ich unterhielt mich oft mit ihr und bald konnte ich sie als meine beste Freundin bezeichnen. Ihr Name war Wena und sie war warmherzig, verständnisvoll, freundlich und ehrlich. Sie versprach mir zu helfen.

Und wirklich, nach zwei endlosen Wochen flüsterte sie mir im Vorbeigehen zu: „Sei morgen Mittag gegen zwölf Uhr an der alten Eiche.“ Gleich nach der Arbeit machte ich mich auf den Weg. Natürlich war ich neugierig, wußte ich doch nicht, was mich erwarten würde. Ich hoffte, dass Gunjar dort auf mich wartete. Doch niemand war zu sehen, deshalb suchte ich die Gegend ab und schaute schließlich in den Hohlraum der Eiche. Plötzlich hielt mir jemand von hinten die Augen zu und sprach mit tiefer verstellter Stimme: „Was haben sie hier zu suchen, junges Fräulein, es ist streng verboten in die Eiche zu schauen. Jeder, der einen Blick hinein wirft, wird zu Stein!“ Schnell drehte ich mich um und umarmte meinen Freund stürmisch. Endlich hatten wir Zeit für uns, denn Gunjar mußte erst in drei Stunden zurück sein. Wir unterhielten uns über alles Mögliche, nur nicht über den AIF. Irgendwann fing er dann doch an zu erzählen. „Mara, kannst du dich noch erinnern, welche Fragen mir am meißten auf der Seele brannten? Ich wollte doch immer wissen, ob es eine Parallelwelt gibt. Denk dir nur, was wir für eine Antwort bekommen haben, ich kann es kaum glauben.“

„Unser Supercomputer brauchte drei Tage um die Antwort zu finden. Dann hat er einen ganzen Tag die Antwort ausgedruckt. Was waren wir aufgeregt.“ Gunjar legte eine Pause ein und sah mich an. Nun war auch ich gespannt und drängelte: „Komm, sag schon, ich will es doch auch wissen.“ „Na gut, ich erzähls dir, aber nur weil du so nett darum bittest.“ Und er schaute mich geheimnisvoll an.
„Ich sag dir die Kurzform, du würdest eh nicht alles verstehen. Ausserdem habe ich nicht mehr so viel Zeit. Und bitte versprich mir, mit niemandem - wirklich mit niemandem, darüber zu reden. Ich müßte sonst zur Gehirnwäsche, dies wurde uns angedroht.
Also hör zu! Es gibt unzählige andere Welten. Die Menschen dort, ich nenne sie mal „Menschen“, da ich kein anderes Wort dafür habe, sind genau wie wir und sie leben wie wir. Noch ist die Wissenschaft nicht so weit, dass wir mit ihnen in Kontakt treten können. Wer weiß, ob ich das je erleben werde. Es ist nämlich so, dass wir die Anderen nicht sehen können und sie können uns nicht sehen, weil das unmöglich ist.“ „Wieso unmöglich“, unterbrach ich ihn. Gunjar legte den Arm um mich. „Stell dir einen Atomkern vor und dann hast du deine andere Welt.“ Er sagte nichts mehr und schaute mich erwartungsvoll an. „Du meinst also, dass die anderen Welten unendlich klein sind und dort genau so Leben existiert wie hier?“ „Ja, und natürlich auch so unendlich groß, wie man sich das eben nicht denken kann. Wir können sicher niemals mit ihnen in Verbindung treten.“
Wir schwiegen lange. So hatte sich das Keiner vorgestellt. Immer hatte die Menschheit auf Kontakt mit Ausserirdischen gehofft und nun diese Antwort.

Gunjar war lange fort und ich saß noch immer im weichen Moos und so viele Gedanken schossen durch meinen Kopf. Die fernen Welten interessierten mich nicht so, wie meine Beziehung zu Gunjar. Ich würde so gern mit ihm zusammen leben und alles mit ihm erleben, doch wie es aussah, kam dies nicht in Frage. Als wir uns verabschiedet hatten, erzählte er mir noch, dass sie morgen den AIF fragen wollten, ob das Weltall unendlich ist. Und das mit der Gehirnwäsche machte mir am meißten Sorgen. Warum konnten wir uns nur heimlich treffen um zu reden? Warum konnten wir nicht als Paar zusammen leben? Warum das alles? Lebte ich wirklich in einer perfekten Welt?
Langsam machte ich mich auf den Heimweg. Mittag war lange vorbei und ich hatte Hunger. An den Automaten war niemand zu sehen. Ich legte meinen rechten Zeigefinger in die Öffnung, in der Erwartung, mein Essen zu bekommen. Doch eine rote Schrift sagte mir, dass es erst ab Achtzehn Uhr Abendbrot gibt. So schlenderte ich zum Kino und sah mir einen Film an.
Und wieder wartete ich tagelang auf ein Lebenszeichen von Gunjahr. Wir waren im Park verabredet. Als er dann endlich erschien, hatte er natürlich keine Zeit. Er hatte eine Verwarnung bekommen und durfte sich nun nur noch mit mir im Park treffen. Die halbe Stunde war schnell herum und als er mich zum Abschied umarmte, flüsterte er mir zu, dass der AIF seit einer Woche grübelt, ob das Weltall nun unendlich ist. „Stell dir vor, eine Woche schon und er hat noch nichts ausgedruckt!“ Schnell noch ein Kuss und schon war er weg. „Wann kommst du wieder?“ rief ich hinterher. „Weiß ich nicht Mara, ich hab dich lieb!“

Meinen Kummer wollte ich Wena anvertrauen, doch ich konnte sie nicht finden. Dann im Schlafsaal sah ich sie endlich, doch sie tat, als würde sie mich nicht kennen und erzählte belanglose Dinge. Ehe ich darüber nachdenken konnte, schlief ich ein. Am nächsten Morgen stellte ich sie zur Rede, mit dem gleichen Ergebnis. Doch als ich von der Arbeit kam, lief sie wie zufällig an mir vorbei und sagte nur ein Wort: „Eiche.“ Am Automaten stand sie wieder kurz neben mir und sagte : „Siebzehn.“
Aha, sie durfte also nicht mit mir reden. Was sollte das alles? Ich machte mich abermals auf den Weg zur Eiche und war schon vor siebzeh Uhr dort. Wena lag im hohen Gras und war kaum zu sehen. Ich legte mich etwas entfernt von ihr hin und wir konnten uns auf diese Weise unterhalten. Von Wena erfuhr ich, dass alle, die mit dem AIF irgendwie in Zusammenhang standen, besonders überwacht wurden. Auch sie hatte einen Freund im Institut, der dort für die Sicherheit verantwortlich war. Petar, so hieß ihr Freund, hatte damals Gunjar die drei Stunden frei gegeben. Leider hatte ein anderer Kollege ihn vermisst und es gemeldet. Da Gunjar behauptete, nur spazieren gewesen zu sein und die Zeit verpasst hatte, bekam er nur eine Verwarnung. „Wieso ist alles so geheim Wena? So toll ist doch der AIF nicht, dass man wegen ihm so einen Aufriss macht.“ „Ich weiß es auch nicht Mara und Petar darf mir nichts sagen. Eigentlich weiß er auch nicht warum, aber Fragen darf er nicht stellen. Ich habe seit vier Wochen auch kaum noch Kontakt zu ihm. Er hat mir gesagt, wir sollen nicht mehr darüber sprechen und am besten nur noch heimlich. Aber eines soll ich dir ausrichten von Gunjar: Der AIF grübelt immer noch!“
Ich war maßlos enttäuscht. Nicht ein lieber Gruß an mich, kein „ich hab dich lieb“, nur „der AIF grübelt.“ Was geht mich dieser blöde Computer an.

Die Zeit verging. Aus Wochen wurden Monate. Ab und an sah ich für zehn Minuten Gunjar im Park. Wir hatten uns nichts mehr zu sagen. Liebe braucht Nähe, Wärme, Reden, Geborgenheit. Nichts von alledem verband uns noch. Wir waren wie Freunde zueinander, aber wie weit entfernte Freunde. Ein kurzes Gespräch, dann mußte Gunjar zurück. Doch er vergaß nie zu sagen: „Er grübelt noch.“ Sollte er doch grübeln bis er auseinanderfiel, mir war es schnuppe. Wen interessierte es schon, ob das Weltall unendlich ist. Ich nahm mir vor nicht mehr in den Park zu gehen. Wena bestellte mir ab und zu einen Gruß von Gunjar, aber ich grüßte nie zurück. Irgendwann vergaß ich ihn.

Drei Jahre später traf ich zufällig Gunjar, Arm in Arm mit einer hübschen Frau. Da er mich gesehen hatte, konnte ich nicht vorbei laufen. Also begrüßten wir uns und er stellte sie mir als seine Kollegin vor. Pah, Kollegin! Vielleicht Kollegin, aber ganz gewiss seine Partnerin. Sie hatte das, was ich nie haben durfte. Was solls, dachte ich, ich bin längst darüber hinweg. Beim Abschied konnte ich mir nicht verkneifen zu fragen: „Und, wird noch gegrübelt?“ Wieso erstaunte mich seine Antwort nicht. „ Ja, er grübelt noch immer!“