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Es ist eine leider seit der ausgehenden Monarchie zunehmend von zeitgeistiger Ignoranz und schnödem Massentourismus verdrängte Tradition, von der ich hier in kompakter Form künden möchte. Gerade deshalb drängen mich meine konservativen Instinkte, sie durch aktive Mundpropaganda meinen Mitmenschen ins Bewusstsein zu rufen.

Als Sommerfrische bezeichnet man gemäß der stets durch tadellose Seriosität und Akkuratesse sich auszeichnenden Wikipedia (welche immerhin nachweislich weniger inhaltliche Fauxpas aufweist als die altehrwürdige Britannica, wie ich an der Schule gegenüber skeptischen Lehrpersonen stets zu betonen bedacht war, wenn diese mein Quellenverzeichnis für Referate und ähnliche Ausarbeitungen bemängelten): "Das Wort Sommerfrische bezeichnet sowohl die jahreszeitliche Übersiedlung aus der Stadt auf das Land als auch den Zielort."

Bezüglich der obigen Definition sei noch ergänzt, dass die Übersiedelung zumeist in rurale Seengebiete erfolgt, idealerweise so nahe ans Ufer wie möglich (die persönlichen Möglichkeiten bemessen sich hierbei primär, man ahnt es schon, nach der pekuniären Feuerkraft, die man als Besucher in die Provinz mitbringt). Es ist dies eine Labsal für Körper und Geist, wenn man den Aufenthalt nur bewusst gestaltet.

Meine Wenigkeit befindet sich just in diesem Moment auf einer solchen Sommerfrische, oder, wie es ich synonym gerne benenne, auf Seelenkur im schönen Salzkammergut. Aufgrund freundschaftlicher Bande steht mir hierbei eine kleine, aber feine Holzhütte am Seeufer zur Verfügung, deren Gebrauch mir gegen Erbringung kleinerer Aufwendungen (wie Wartungsarbeiten an dem Objekt) für den gesamten Sommer freigestellt wurde, da der Eigentümer in der Hochsaison an der Côte d´Azur zu weilen pflegt.

Nun habe ich es mir seit letzter Woche dort häuslich eingerichtet, da die bereits vorhandene Einrichtung doch etwas spartanisch schien. Nun steht dort ein dezent-elegantes Holzbett neben dem großen Panoramafenster im Obergeschoß, daneben ein Nachttisch mit bewusst antiquierter Petroleumlampe nebst einem monumentalen Bücherstapel, den ich den Sommer über abzuarbeiten gedenke. Daneben habe ich einen mit Kitschmustern bestickten Ohrensessel positioniert, den ich von meinem Nachbarn für einen Taschengeld erhielt und ihn somit vor dem Sperrmüll bewahrte. Daneben ein schlichter Schreibtisch aus hellem Ahornholz, auf dem mein Laptop bis zu seiner allabendlicher Verwendung für meine Schreibarbeit ruht (so viel Moderne darf sein). Auch ein alter Röhrenfernseher ist vorhanden, der kaum mehr als ein Dutzend Sender mit mangelhafter Bildqualität empfängt und gerade deshalb eine nostalgische Heimeligkeit ausstrahlt.

Im Untergeschoß, um einen kompletten Überblick über meine Ferialresidenz zu gewähren, befindet sich nur ein etwas größerer Raum, der eine Küche mit den "essential features" (Kaffeemaschine!) als auch den Zugang zur Seeterasse beherbergt, die aber an Morschheit laboriert und die ich über die nächsten Tage zumindest notdürftig zu renovieren gedenke. Darüber hinaus findet sich dort ein kreisrunder Esstisch aus dunklem Mahagoni, der schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel hat und über seine gesamte Fläche mit anekdotenhaften Furchen versehen ist.

Wie gestalte ich aber nun meine Tage in dieser bescheidenen Hütte? Nun, ich habe zunächst meinen inneren Schweinehund mit dem schrillen Plärren eines alten Weckers frühmorgens in die Flucht geschlagen und stehe seitdem zeitig auf, manchmal sogar rechtzeitig, um den Sonnenaufgang über dem See mitzuerleben, während ich am Esstisch meinen schwarzen Kaffee schlürfe und die überregionale Tageszeitung studiere, nebst einem Regionalblatt, um mich besser in das örtliche Geschehen integrieren zu können.

Etwa um sieben Uhr morgens breche ich zu meinem täglichen Morgenspaziergang auf, wobei meistens die noch angenehme Kühle der Nacht in der Luft liegt. Manchmal treffe ich einen Nachbarn und lasse mich auf einen kleinen Plausch ein. Dann schlendere ich gemächlich in den Ort, wo ich in meinem Stammkaffee den emsigeren Zeitgenossen zusehe, wie sie noch schnell auf dem Weg ins Büro einen Kaffee runterstürzen oder hastig ein Croissant hinunterschlingen. Diese quittieren dies, wenn sie mich dort nun schon zum vierten oder fünften Mal am Stück geruhsam frühstücken sehen, meist mit einem neidvollen Seitenblick, was mich amüsiert, ohne dass ich Schadenfreude empfände, da dies nach Beendigung meines derzeitigen Studiums auch mir einmal blühen wird.

Hernach visiere ich meist das Seeufer an, das mittlerweile von den Strahlen der Morgensonne erfasst wurde, und setze mich dort an eine Bank am Ufer, wobei außer ein paar Pensionisten zumeist noch niemand sonst zugegen ist. Erst um neun oder Zehn pilgern dann die ersten Badegäste in das angrenzende Strandbad. Manchmal, wenn das Wetter mir hinreichend zusagt, folge ich ihnen nach und treffe dort meistens ein paar Bekannte, mit denen ich in am Buffet ein Bier genieße.

Zu Mittag gehe ich meist in den Supermarkt und kaufe einige wenige Zutaten, um mir irgendein leicht handhabbares Gericht zu kochen, denn ein kulinarischer Zampano bin ich nicht gerade, weshalb ich, wenn es mich nach Exquisitem gelüstet, gerne in ein örtliches Gasthaus gehe und dort lokale Spezialitäten verkoste. Aber auch den Italiener oder den Chinesen verschmähe ich nicht.

Den Nachmittag verbringe ich mit diversen Aktivitäten je nach meiner tagesaktuellen Verfassung und den Vorlieben, die sich mir gerade aufdrängen. Schwimmen, Tretbootfahren, Radtouren, Wandern... manchmal aber drängt es mich auch in urbane Gefilde, und ich steige in den Bus in die nächstgrößere Stadt, um im Shopping-Center dem geschäftigen Treiben der urbanen Population zuzusehen oder selbst darin zu partizipieren. Außerdem kaufe ich mir meistens ein paar neue Freizeithemden, um meine ohnehin umfassende Kollektion aufzustocken, wobei ich auf einen niedrigen Kaufpreis bedacht bin, um mein Ferialbudget nicht zu überstrapazieren.

Abends, wenn ich etwa um sieben oder acht, manchmal später, wenn ich etwa noch einem Umtrunk am Café im Seeufer beiwohne oder auf irgendeinem Fest weile, nach Hause komme, genehmige ich mir zunächst ganz plebejisch eine Fernsehstunde mit einem Bier in der Hand, wobei ich der Sonne zusehe, wie sie sich langsam über den See senkt und schließlich hinter der Gebirgskette versinkt.

Wenn die Dunkelheit sich langsam über das Land legt, nehme ich schließlich am Schreibtisch Platz, um diverse Schreibaufträge abzuarbeiten und mich so finanziell über Wasser zu halten. Außerdem verfasse ich gelegentlich Kolumnen für diverse Online-Publikationen. Des weiteren schreibe ich an mindestens drei verschiedenen Manuskripten von mir geplanter Bücher - ob sie je fertig werden, sei dahingestellt. Ob ich sie je einem Vertrag zusende und somit meine Seelenwelt vor dem Lektor entblättere, ebenfalls.

Wenn es dann auf Mitternacht zugeht, erhellt die alte Petroleumlampe notdürftig mein Häuschen am See, und ich ergehe mich in der Lektüre meiner Lieblingsautoren, die von politischen Philosophen wie FA Hayek, Edmund Burke, Ludwig von Mises und anderen über Klassiker wie Dostojewski, Thoreau oder Nietzsche bis hin zu zeitgenössischen Autoren reichen. Ist mein Drang nach dem geschriebenen Wort fürs erste gestillt, sitze ich manchmal noch still kontemplierend da und folge mit den Augen den Wogen, die die Seeoberfläche kräuseln. Irgendwann schlafe ich dann automatisch ein, im Bewusstsein, dass nichts der Seelenruhe so gut tut als eine Sommerfrische am Seeufer.