Viele Menschen stellen die Frage, wenn sie mit einer Kampfkunst oder einem Kampfsport beginnen wollen, in irgendeiner Weise die Frage:

Womit kann ich mich auf der Straße am besten verteidigen? Was ist der beste SV-Stil?

Präzisiert wird das dann gerne noch mit der Frage, ob einem denn die Kampfkunst oder der Sport auch helfen würden, wenn man von mehreren Gegnern angegriffen wird, mit Messer und Pistole und allem...
Da fragt man sich dann natürlich, in was für`nem Ghetto die Jungs alle leben oder ob sie zu viele Filme von Bruce Lee, Steven Seagal oder Chuck Norris gesehen haben...

Allerdings finden sich die Überlegungen nach einer ,,besten Kampfkunst für Selbstverteidigung" auch noch bei fortgeschritteneren Schülern eines Stils wieder, auch da findet man immer wieder den selbstgefälligen Glauben, dass einem sein Karate mehr helfen würde, als das Judo des anderen oder Muay Thai-Kämpfer dem Aikido-Schüler überlegen sei usw.

Ich möchte hier versuchen, einen Hinweis auf die Antwort nach Frage, welches die ,,beste Kampfkunst zur SV" sei, zu geben.


Ich bin zwar weit davon entfernt, mich in irgendeinem Stil als Meister bezeichnen zu können, jedoch habe ich seit meiner Kindheit mittlerweile eine Reihe verschiedener Kampfkunststile kennengelernt und ausgeübt.
Es begann damals mit Shotokan-Karate, es ging mit Hapkido und Kendo weiter bis hin zu Escrima und einem Kurs in Krav Maga.

Natürlich ist das nur ein winziger Bruchteil aller Kampfkunst- bzw. Kampfsportsysteme der Welt!

Ich war nie wettkampforientiert, tatsächlich hat mich das vor allem beim Kendo sogar ziemlich genervt, dass man sich ständig auf irgendeinen blöden Kampf vorbereiten sollte.
Mein Interesse bestand neben Kunst und geistiger und körperlicher Entwicklung immer darin, mich in einer eventuellen Angriffssituation verteidigen zu können.

Und auch ich habe mir die Frage gestellt, welche Kampfkunst die beste für diesen Zweck sei, die Selbstverteidigung.

Eine der wichtigsten Erkenntnisse, die ich im Laufe der Zeit erlangt habe, ist, dass diese Frage einer falschen Denkweise folgt!
Sie folgt der Annahme, dass es irgendeine allen überlegene Kampfkunst gäbe, die einen immer schützt und einem immer Sicherheit gibt. Eine solche Kampfkunst existiert jedoch nicht.

Richtig ist vielmehr, dass es vom Verteidiger und den Umständen abhängt, inwieweit ihm sein Stil helfen kann!

Es ist nutzlos, tausend Techniken für Schläge zu beherrschen, wenn man in einer Grapplingsituation steckt oder aus sonstigen Gründen nicht schlagen kann. Etwa, weil man in einem engen Flur steht.
Was will man dann machen? Dem Angreifer sagen:,,Hey, lass uns mal nach draußen gehen, da kann ich mich besser wehren."?

:D

Und es bringt wenig, wenn man der größte Held auf der Trainingsmatte oder im sportlichen Wettkampf ist, aber in einer realen Kampfsituation nichts anwenden kann, weil man gewohnt ist, dass nie mit vollem Einsatz gekämpft wird (Training, man will seinen Partner ja nicht verletzen) oder im Zweifelsfall der Ringrichter einspringt und einen schützt.


Zusätzlich kann man der beste Bare-knuckle-champ aller Zeiten sein oder MMA-Weltmeister, wenn man Pech hat und gerade ausrutscht oder einen schlechten Tag hat oder von hinten ein unsichtbarer Angreifer kommt, nützten einem seine ganzen Fähigkeiten eventuell gar nichts. Man wird überwunden.


Auf der Suche nach einem ,,besten Stil" für SV sollte man sich klarmachen, dass verschiedene Stile unterschiedliche Vor- und Nachteile besitzen.

Beispiele:

Krav Maga ist sehr, sehr stark auf Selbstverteidigung und realen Kampf orientiert, Philosophie spielt dabei eine untergeordnete Rolle, es gibt kein Gerede über Chi oder Weisheiten, wie ,,der beste Weg, zu kämpfen, ist, nicht zu kämpfen" ;)
Und Sport hat man da lediglich durch das intensive Training, es gibt keine Wettkämpfe.

Boxen ist schön und gut, was Schläge angeht und körperliche Fitness, aber Hebel, Würfe oder Ringen kommt da nicht drin vor.

Judo und Karate vereinen sowohl SV, als auch Philosophie, als auch sportlichen Nutzen, die Anwendbarkeit für SV ist aber stark abhängig vom jeweiligen Trainer.
Heute sind sie bedauerlicherweise oftmals zu sportorientiert.

Sportlich orientierte Stile sind nicht zu empfehlen für Selbstverteidigung, weil sie aufgrund ihrer sportlichen Orientierung vielen Restriktionen unterliegen, die im Wettkampf verhindern sollen, dass der Kontrahent schwer verletzt oder getötet wird. In einer realen Selbstverteidigungssituation gibt es solche Beschränkungen aber nicht, auch keine Schutzausrüstung und der Gegner hält sich nicht an irgendwelche Regeln.

Auch muss man vorsichtig sein bei Trainern, die entweder rein sportlich oder philosophisch orientiert sind oder behaupten, ihr System wäre DAS große Ding.

Es ist ja vollkommen okay, wenn man Sport machen oder sich nur geistig-philosophisch weiterentwickeln möchte, aber man muss sich dann bewusst sein, dass einem das in Selbstverteidigungssituationen nicht unbedingt nutzen kann.

Zuletzt sollte man sich vor Augen führen, dass der wichtigste Faktor dafür, wie gut ein Stil zur Verteidigung geeignet ist, man selbst ist! Das schließt sowohl eine Menge Übung mit ein, als auch den richtigen Kämpfergeist.

Ein Karateka, ein Judomeister, ein Krav Maga-Schüler, ein Kungfu-Kämpfer, ein Boxer oder ein Muay-Thai-Fighter gewinnt nicht wegen seinem Stil, sondern weil er weiss, was er tut und bereit ist, das Notwendige zum Sieg zu tun.