Dilemma der Verantwortung - eine zeitlose Parabel

Du bist im Besitz des Grals eines Wissens, das alles verändern kann. Dich, die Spielregeln des Lebens, kurzum: der Welt. Du bist deiner Zeit voraus, deine Idee ein Virus, der langsam um sich greift. Du willst kein Geld, keinen Ruhm - willst nichts von alledem, du willst entdecken um des Fortschritts willen, willst erkunden, was du erkennst, willst teilen, das Leben anders sehen, als das, was es ist, in allen Facetten, nicht nur den Bequemen.

Du bist frei von Angst, weil dir Besitzdenken fremd ist. Wissen gehört allen, sagst du, und du willst es befreien, wie der Frühling den Keim von der Schale befreit. Du begreifst, dass Erkenntnis Erweiterung bedeutet, Zuwachs und Entfaltung.

Und dann triffst du jene, die dich und dein Wissen fürchten. Sie fürchten den Verlust, die Enttarnung ihres Nicht-Wissens. Die fürchten, mit den fallenden Grenzen ihr aufgebautes Königreich, das einer Trutzburg gleicht, zu verlieren. Fürchten, ihren Herrscheranspruch zu verlieren. Denn ohne Grenzen gibt es keinen Unterschied mehr, ohne Besitz keinen Status, so weicht die Exklusivität der Gleichheit, und Gleichheit, sagen sie, bedeutet, im Meer der Bedeutungslosigkeit zu versinken. Identität, sagen sie, braucht Abgrenzung. Dein Wissen, das keine Grenzen kennt, keine Schuld und Unschuld, kein Richtig und kein Falsch, kein Oben und kein Unten, sei nichts als Blasphemie.

Deine Erkenntnis wurde dir geschenkt, du weißt, dass dieses Wissen nichts über dich aussagt, sondern über die Welt. Nicht du bist es, dem du eine Bühne geben möchtest, sondern der Entdeckung, die jeder machen kann, der bereit ist, zu sehen.

Davon wollen sie jedoch nichts hören. Sie bezichtigen dich der Aufrührerschaft und Verschwörung, der Arroganz und Überheblichkeit. Sie lachen dich aus, verhöhnen dich und drohen dir.

Wer traf die richtige Entscheidung? Wessen Entscheidung war klug? War es die von Galileo, der im Angesicht des drohenden Todes all sein Wissen widerrief? Hat er damit seine Erkenntnis verraten, sie benutzt, um eine Wahrheit, die ewig währen würde gegen sein vergängliches Leben einzutauschen? Der Preis ein Leben in Gefangenschaft.
Oder war es Sokrates, der klug entschied? Der sein Todesurteil und Gesetze akzeptierte, wohl wissend, dass kein Urteil dieser Welt, den Tod einer Erkenntnis herbeiführen kann, die bereits Tote zum Leben erweckt hatte? Ist es klug, sein Leben zu lassen, um einer Erkenntnis willen?

Ist es klug, Unwissen zu akzeptieren, sich einschüchtern zu lassen. Ist es klug, aufzugeben. Ist es klug, eine Wahrheit, die du erkannt hast, zu verraten?

Du magst sagen, dass so viele von der "Wahrheit" sprechen, ihr einen Palast bauten, einen Schrein zur Anbetung, Wahrheit ist gefährlich, magst du sagen, sie ist verwandt mit Fanatismus.

Wahrheit drängt sich nicht auf. Sie besteht, ganz gleich, wer sie ausspricht. Sie kann von jedem ausgesprochen werden. Die Begleiter von Wahrheit sind Freiheit, Toleranz, Menschenliebe. Wahrheit möchte von jedem gekostet werden, nie von Einzelnen, nie von "Auserwählten". Wahrheit erniedrigt nicht, fügt kein Leid, keine Verluste zu. Wahrheit "ist" und will geboren werden. Sie ist unabhängig von Status, Ansehen und Person. Sie ist keine fixe Idee. Sie ist Allgemeingut und allgemein gültig. Wahrheit braucht keine Maskerade.

Du hast eine solche Wahrheit erkannt. Was tust du nun mit dieser Aufgabe? Nimmst du in Kauf, um der Wahrheit willen unter den Trümmern der Lüge begraben zu werden? Oder verbirgst du sie, weil nicht du es sein willst, der mit seinem Handeln Anstoß erregt?