Youtube: Das Vermächtnis - Aphila & Methos Kap 3 Teil 1 von 3
Das Vermächtnis - Aphila & Methos Kap 3 Teil 1 von 3
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Wimmern erklang in Annabellas Ohren. Langsam öffnete sie ihre Augen. Dröhnende Geräusche erbebten den Boden, auf dem sie lag. Die Luft war dicker und heißer als in jeder Sauna und doch konnte sie freimütig atmen. Gemächlich stemmte sie sich mit Armen und Beinen vom kargen Felsboden ab, versuchte sich zu orientieren. Noch war sie etwas benommen. Die Höhle in der sie war, besaß ungefähr die Größe eines Wohnzimmers. Der Raum stand im absoluten Durchzug, sodass das wackelige Mädchen vor der Herausforderung stand, auf den Beinen zu bleiben – so stark waren die warmen Winde. Unter dem Heulen der Lüfte war weiterhin das Wimmern zu hören.

Ihr Kopf tat weh, als sie versuchte, sich zu erinnern, was passiert war. Ihr Bruder und sie hatten aus Spaß einen Dämon gerufen. Was dann geschah, wusste Annabella, wollte es aber weder wahrhaben, noch war sie in der Lage, es wirklich zu realisieren. "Das ist der mieseste Drogentrip aller Zeiten...", säuselte sie in der brennenden Hoffnung gleich über der fieberhaften Hitze einen Kälteschock zu erleiden, weil ihre Eltern sie mit Wasser kühlten. Gleich würde sie die besorgte Stimme ihrer Stiefmutter hören, dass sie aufwachen solle und sie würde flüstern, dass es ihr gut gehe – und die Augen aufmachen.

Der Kälteschock blieb aus, die einzig menschliche Stimme gehörte dem Winseln aus einer Ecke des Raumes. Enttäuscht beschloss sie, solange ihre Eltern noch brauchten, um sie in ihrem Fiebertraum zu finden, dass sie den Zeichen des Traumes auch nachgehen konnte. Vielleicht führte er sie ja selbst über die Handlung hinaus. Also ging sie nach der Quelle des Weinens suchen. An die einzigen Lichtquellen im Raum – nämlich aus dem Boden reganden Flammen und glühenden Lavaadern an den Wänden – mussten sich ihre Augen erst gewöhnen. Trotzdem dauerte es nicht lange, bis sie den Ursprung des Lärmes fand. Eingekauert lehnte ein anderes Mädchen an einer Wand. Sie trug ein sportliches, weißes T-Shirt, eine modisch am Knie künstlich aufgeschürfte Jeans und eine goldene Halskette. Ihr Gesicht war unter verschränkten Armen versteckt, nur ihre goldbraunen Locken lugten hervor.

"Hey", sprach Annabella sie an. Der lockige Kopf schoß hoch und eine kraftvolle Stimme drang aus dem Mund des zierlichen Mädchens: "Lass mich in Ruhe, Dämon!" Dabei schnellten ihre Hände nach vorne auf Annabella gerichtet. Diese spürte plötzlich den Schlag einer Druckwelle und wurde von ihr hoch zur Decke geschossen. Abprallend, stürzte sie anschließend wieder hart auf den Höhlenboden zurück. Der Schock saß tief, Schmerzen empfand sie zu ihrer großen Verwunderung nicht. Andererseits, dachte sie, waren ihre Träume auch für gewöhnlich schmerzlos oder sie wachte davon auf. Plötzlich wünschte sie, sie hätte die Attacke mit all seiner Wucht gespürt. Sie rappelte sich wieder auf, als sie bemerkte, dass das Mädchen wie eine Furie jetzt vor ihr stand: "Ihr widert mich an!" Das Bein des Mädchens fuhr hervor und verpasste Annabella einen gekonnten Tritt in den Unterleib, der sie – wahrscheinlich aus der Erwartung eines Schmerzes – aufkeuchen ließ. Die Angreiferin packte sie an den Haaren und schmiss sie mit ungewöhnlicher Leichtigkeit durch den Raum. Annabella kam schlürfend am Boden zum Stoppen. Auch hier wurde sie eines Besseren belehrt, entgegen jeder Logik war ihre Haut ohne jeden Kratzer geblieben. Ihr schwerer Atem rührte noch immer von dem Unglauben der Ereignisse. Wütend stampfte ein Paar Füße zu ihr hinüber: "Glaubt, ihr könnt euch alles erlauben, hm? Was hast du dämonischer Mistkerl dem Mädchen versprochen, damit du ihr ihre Seelenidentität klauen durftest? Sie sieht so hübsch aus, so unschuldig!" Beim letzten Wort, packte sie ihr an den Hals und zog sie daran hoch. Annabella versuchte sich herauszuwinden, blieb aber machtlos am Zappeln. Verachtend schaute die Irre ihr in die Augen: "So wunderschön. Du wirst sicher viele Opfer damit bezirzen können. Oh, entschuldige – HÄTTEST du! Bevor du den Fehler machtest, Mertina Mephelgo in deinen höllischen Unterschlupf zu entführen. Ich mag jetzt tot sein, aber meine mediale Kraft ist noch immer aktiv!" Mit diesen Worten umfasste ihre freie Hand Annabellas Kopf. Verwirrt hörte sie dem Mädchen mit große Augen einige lateinische Wörter flüstern, dann wurde sie angebrüllt: "VERBRENNE, DÄMON!"

Stille. Die eine Hand lag unverändert auf dem Kopf, die andere umschlang ihren Hals. Leicht aus dem Konzept gebracht, sprach Mertina nochmals, diesmal hörbar: "Accipe sanctus, Lumen! Verbrenne, Dämon!" Wieder wartete sie offensichtlich auf einen Effekt. Einzig, was sie erreichte, war ein größer werdendes Fragezeichen im Gesicht ihres vermeintlich dämonischen Opfers, welches nach wie vor wenige Zentimeter über dem Boden von ihr gewürgt in der Luft hing.

Kleinlaut wiederholte sie die Formel ein letztes Mal, ihr Griff um den Hals Annabellas lockerte sich bereits. Mertina entgleisten alle Gesichtszüge. Unsanft entglitt Annabella ihr und stürzte zu Boden, erneut. Versteinert starrte sie das tote Medium von oben an. Erst als Annabella wieder stand und abermals freudig überrascht keinerlei Negativeinwirkung an sich, wie eine gequetschte Lunge oder generell Schmerzen am Hals vorfand, schluckte das Mädchen laut: "Du, du bist gar kein Dämon, oder? Du bist wie ich ein hierher gebrachter Geist." Entsetzt schlug sie sich beide Hände vors Gesicht: "Oh Nein! Entschuldige, dass... ich dachte... Oh Mist!" Annabella sah sich das Mädchen nochmals an. Jetzt war ihr Gesicht auch zu erkennen. Haselnussbraune Augen, eine rundliche Nase und auf ihrem T-Shirt war wie zum Spott der Situation, das Ghostbusterslogo mit durchgestrichenem Geist.
Das Mädchen bemerkte den Blick auf das Logo und meinte: "Achte da nicht drauf, ich ahnte nicht, dass ich selbst als Einer ende."

Kopfschüttelnd drückte Annabella ihr Unverständnis aus: "Wovon sprichst du? Geister – wir? Das ist Nonsense. Weißt du, mein Bruder hat so komische Kräuter verbrannt und der Rauch muss eine ziemlich derbe, halluzinogene Wirkung auf mich haben. Er und ich bildeten uns echt ein, da sei ein Dämon aus dem Rauch aufgestiegen – also wir sind richtig gut weggetreten." Mertina sah sie bitterernst an: "Es tut mir leid, dir das sagen zu müssen, aber... du stehst weder unter Drogen, noch bist du am Leben." Spöttisch grinste Annabella trotzig. Mitfühlend fragte ihr Gegenüber nach: "Wieso, glaubst du, dass dir meine Tracht Prügel – entschuldige das nochmals – keinerlei Schmerzen zufügte?" Bleich werdend fragte Annabella nach: "Woher weißt du das jetzt? Ich habe doch gar nichts gesagt...aber warte, nein. Wenn das hier ein Traum ist, dann weißt du natürlich alles über mich, du bist ja auch nur da, weil ich träume." Kopfschütteln des Mediums: "Nein, ich weiß nichts über dich. Nur, dass du genau wie ich in der Höhle des Dämons Mephistopheles bist. Das lässt nur den Schluss zu, entweder du selbst bist ein Dämon oder du bist von ihm als seelische Sklavin verschleppt worden. Da du meine Dämonenvernichtung überstanden hast – bist du ein Geist in seinen Diensten. Geister wiederum empfinden keine direkten, körperlichen Schmerzen, ihnen werden vielmehr Emotionen und Magie zum Verhängnis." Annabellas Kopfschütteln wurde bloß energischer, auf zitternden Beinen ging sie rücklings von Mertina zurück.

Sie ging ihre letzten Erinnerungen durch. Phillipp mit seinem doofen Hexenbüchlein. Eine Gestalt aus der Glut. Husten, Rauch in der Lunge, Atemnot, Ohnmacht. Realisierend entfuhr ihr ein: "Oh Gott!". Mertina antwortete resigniert: "Ja, der schuldet mir auch noch ein paar Antworten. Schade, dass er immer seine Engel vorschickt und die sich nicht äußern wollen." Annabella horchte auf: "Engel? Du kannst mit Engeln sprechen? Können sie uns hier herausholen?" das Medium winkte ab: "Keine Chance, die kümmern sich nicht um Menschenseelen, die aus Eigenverschulden in der Hölle festsitzen. Nun, zu meinen Lebzeiten waren sie auch nicht für mich da, aber aus irgendeinem Grund mochten sie auch nicht, wie ich mich medial einmischte." Mit einem Achselzucken tat sie es ab und wechselte das Thema: "Du sagtest, dein Bruder und du seid dem Dämon gemeinsam begegnet, ja?" Annabella nickte. "Dann wird sein Geist auch hier irgendwo herumirren. Wenn du willst, suche ich mit dir zusammen nach ihm. Ich werde die Höhle sowieso durchsuchen. Dieser Dämon ist schließlich auch für meinen Tod verantwortlich. Er hat allerdings meine Kräfte übersehen – und das wird ihm jetzt teuer zu stehen kommen", schmunzelte Mertina.

Annabella zögerte. Wollte sie ihrem Bruder überhaupt helfen? Er war der Grund für diese Misere. Andererseits, er war zwar ein Arsch, aber dafür gleich in der Hölle landen und einem Dämon dienen war etwas übertrieben. Mit einem Seufzer gab sie nach und die zwei jungen Frauen verließen den Raum, in dem sie erwacht waren und fanden sich in einem sehr lang gezoggenem Gang wieder, von dem aus sie in den Höhlenkomplex gelangten.